Mit mehr als zwölfmonatiger Verspätung hat das neue Logistikcenter von Waterstone’s, über das künftig das gesamte Bestell- und Lieferwesen des britischen Buchhandelsmarktführers laufen soll, vor einigen Wochen seinen Betrieb aufgenommen. Doch die 1,2 Mio Pfund (ca. 1,45 Mio Euro) teure Anlage ist nicht nur wegen immer neuer technischer Probleme ins Gerede gekommen, sie sorgt vor allem als Arbeitsplatzkiller in den Medien für erhebliche Schlagzeilen.
Anfang Januar hatte Geschäftsführer Gerry Johnson erstmals öffentlich eingeräumt, dass bei Waterstone’s parallel zur Eröffnung des Großprojekts in Burton-on-Trent 200 der insgesamt 4500 Arbeitsplätze zur Disposition stehen (buchreport berichtete). Doch schon seit einigen Wochen hielten sich auf der Insel hartnäckig Gerüchte, dass es dabei nicht bleiben würde.
Am 1. Mai schließlich kam die offizielle Bestätigung: Mehr als dreimal so viel, nämlich mindestens 650 Mitarbeitern, wird in den nächsten Wochen die Kündigung ins Haus flattern. Die Stimmung in den Läden ist auf dem Tiefpunkt, denn Entlassungen in der Filialkette waren ausdrücklich ausgeschlossen worden, als Johnson das Logistikcenter im März 2007 erstmals öffentlich vorgestellt hatte.
Arbeitsabläufe in den Filialen unter der Lupe
Ob die Geschäftsleitung schon damals nicht mit offenen Karten gespielt hat, ist offen. Fest steht, dass in den letzten Monaten sämtliche Arbeitsabläufe in den Filialen, allen voran die Bereiche Wareneingang und Remittendenbearbeitung, auf dem Prüfstand waren. Außerdem wurden Kundenzähler im gesamten Filialnetz installiert, um den Personalbedarf für Stoßzeiten zu ermitteln, und nach Vorlage der Daten den Filialleitern nahegelegt, bei der Besetzung freier Stellen verstärkt auf Teilzeitkräfte zurückzugreifen.
Eigentlich hatte das hypermoderne, 15000 qm große Auslieferungslager in Mittelengland, das Waterstone’s gemeinsam mit dem Logistikspezialisten Unipart Logistics betreibt, schon im ersten Quartal 2008 fertig sein sollen. Doch die Eröffnung wurde mehrfach verschoben, weil es angeblich unvorhergesehene Kinderkrankheiten gab. Mittlerweile sind rund 100 Filialen erfasst; ab Juni sollen in mehreren Stufen die restlichen 200 Buchhandlungen direkt von Burton-on-Trent aus bedient werden.
Umbau der Supply Chain ist auf der Insel umstritten
Innerhalb der Filialkette (und in großen Teilen der britischen Buchbranche) war das Logistikcenter nicht nur wegen der jüngsten Ereignisse umstritten. Kritiker monieren, dass durch den Umbau der Supply Chain der Spielraum und die Unabhängigkeit der Buchhandlungen, die bisher von Verlagen und Großhändlern überwiegend direkt beliefert wurden, noch weiter zurückgenommen wird.
Dass in Burton-on-Trent allerdings auch 300 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, ist in der hitzigen Debatte über die Entlassungen bislang weitgehend untergegangen. Ebenso die Tatsache, dass Waterstone’s schon Wochen vor dem für den 30. Juni angekündigten Geschäftsbericht Einblicke in das Geschäftsjahr 2008/09 (25. April) und darüber hinaus gewährt hat:
- In den vergangenen zwölf Monaten ist der Umsatz in einem „schwierigen einzelhändlerischen Umfeld“ um 3,8% auf ca. 543 Mio Pfund (ca. 610 Mio Euro) gefallen, die Gewinnspanne war „statisch“.
- Für 2009/10 ist Johnson vorsichtig optimistisch, nachdem die ersten vier Monate mit einem Minus von 3,4% deutlich besser als erwartet waren.
aus: buchreport.express 19/2009
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