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Umzug wird zum Politikum

Im Kampf gegen die Verlagerung der Duden-Redaktion nach Berlin fordert Verdi eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Bundesrat. Der Vorwurf der Gewerkschaft: Die Duden-Mutter Cornelsen berufe sich auf den so genannten Tendenzschutz, um den Betriebsrat auszubooten und rein ökonomisch motivierte Maßnahmen durchzuboxen.

Verdi hat nach eigenen Angaben den Minister für Finanzen und Wirtschaft in Baden-Württemberg, Nils Schmid, aufgefordert, sich im Bundesrat für eine Abschaffung des Tendenzschutzes in der Betriebsverfassung einzusetzen. Bei der geplanten Verlegung wesentlicher Teile des Duden-Verlags von Mannheim nach Berlin verweigere die Geschäftsführung dem Betriebsrat wesentliche Mitwirkung und Mitbestimmung mit Verweis auf den Tendenzschutz. Damit verzichte Cornelsen auf „Erfahrungswissen und Kompetenz“. Die Forderung ist allerdings nicht neu: Seit vielen Jahren drängt Verdi auf die Modifikation der Betriebsverfassung. 

Hintergrund: Der Tendenzschutz beschränkt in Unternehmen, die in der Medien-Branche aktiv sind, das Recht auf betriebliche Mitbestimmung. Als solche Tendenzbetriebe gelten Unternehmen wie Verlage, Theater und kirchliche Einrichtungen, die neben wirtschaftlichen Zielen andere Ziele verfolgen, darunter politische, erzieherische, wissenschaftliche oder künstlerische. Nach Einschätzung von Leni Breymaier, Verdi-Landesbezirksleiterin, ist die Grenzziehung zwischen geistig-ideeller Zielsetzung und Gewinnerzielung kaum mehr möglich. „Deshalb ist der sogenannte Tendenzschutz, der Betriebsräten zum Beispiel in Verlagen in wesentlichen Fragen nur eine eingeschränkte Mitbestimmung zubilligt, abzuschaffen. Die Situation beim Dudenverlag ist hier symptomatisch.“ Wo Entscheidungen vermeintlich betriebswirtschaftlich begründet seien, müssten die normalen Spielregeln gelten.

Bei Cornelsen reagiert man gelassen auf die Verdi-Offensive. Der Betriebsrat habe in den vergangenen Jahren umfangreiche Materialien erhalten, die die wirtschaftliche Situation des Verlags dokumentieren, erklärt ein Firmensprecher auf buchreport.de-Nachfrage. Man werde sich an diesem Freitag wieder mit dem Betriebsrat zusammensetzen, diese konstruktiven Gespräche seien entscheidend.

Neben dem Appell an die Politik versuchen die Arbeitnehmervertreter auf gerichtlichem Weg, die Verlagerung an die Spree zu verhindern. Die vom Betriebsrat beantragte einstweilige Verfügung scheiterte Ende August (buchreport.de berichtete). Die Mitarbeitervertretung beruft sich auf eine Zusage des Verlagsvorstandes von 2009, nach der die Duden-Redaktion mindestens bis 2015 in Mannheim bleiben sollte. Die Arbeitnehmervertreter wollen gegen das Urteil Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen. Nächter Gerichtstermin: 21. September.

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