Die Marktmacht von Amazon überrascht selbst die Spitze im Verband der Versandbuchhändler. Verbands-Chef Frederik Palm, Geschäftsführer des zur Ganske-Gruppe gehörenden Rhenania Buchversands, glaubt nicht, dass die Kritik am Marktführer zu einer Abwanderung zu den Wettbewerbern führt.
Wie ist die Stimmung unter den Versandbuchhändlern?
Gedämpft. Das Ungleichgewicht auf dem Markt scheint größer zu werden.
Ihr Verband hat das Marktvolumen neu taxiert, auf Basis der von Amazon gemeldeten Deutschland-Umsätze. Überraschen Sie die Amazon-Erlöse?
Die Umsätze haben jeden Branchen-Beobachter überrascht. Und nach den Informationen aus dem laufenden Jahr scheint das Amazon-Wachstum ungebremst zu sein. Möglicherweise wäre die Dynamik sogar noch größer, gäbe es nicht die Diskussion über die Amazon-Arbeitsbedingungen.
Amazon verliert aber nach aktuellen Umfragen Kunden, während Wettbewerber aus dem Buchbereich profitieren.
Ich gehe davon aus, dass dies kein dauerhafter Effekt ist. Der Anteil der Kunden, die konsumbewusst einkaufen und möglicherweise Amazon den Rücken kehren, wird in der Branche auf 5 bis 10% taxiert. Das ist keine Massenbewegung, mit der die Umverteilung in unserer Branche aufgehalten werden könnte. Hinzu kommt, dass der Scheitelpunkt der medialen Debatte über Amazon schon wieder überschritten wurde.
Was bedeutet die Amazon-Marktmacht für Ihren Verband?
Der Versandbuchhandel wurde viele Jahre vom Mittelstand geprägt. Das hat sich geändert. Heute ist Amazon Mitglied bei uns. Die Zahl unserer Mitglieder ist rückläufig, sie lag vor zwei Jahren noch über 150 und aktuell bei 136. Es findet eine Konsolidierung statt.
Können Sie mit einer Stimme sprechen?
Amazon positioniert sich im Verband sehr selten, insofern wird unsere Arbeit dadurch kaum geprägt. Es stimmt aber, dass wir sehr verschiedene Interessen abdecken müssen.
Im gesamten deutschen Onlinehandel wachsen Mode und Elektronik, während die Zuwächse bei Medien schrumpfen. Wo sehen Sie neue Impulse für Bücher & Co.?
Die Wachstumsraten bei Mode sind tatsächlich spektakulär. Dass die Zuwächse in der Pionier-Warengruppe des Onlinehandels nicht mehr zweistellig ausfallen, überrascht mich dagegen nicht, weil es einige Warengruppen wie Mode oder Möbel gibt, die noch Nachholbedarf haben.
Ist mobile Commerce ein Wachstums-Motor?
Die meisten Händler berichten von kleinen einstelligen Anteilen am Umsatz. In den Fokus rücken aber immer stärker Bestellungen per Tablets, deren Umsatzpotenzial gegenüber Smartphone interessanter ist und die bei der Präsentation von Waren Vorteile bieten.
Das Katalog- und Clubgeschäft schrumpft kontinuierlich. Zücken Sie die Totenglöckchen?
Nein. Im Club-Geschäft werden weiterhin stattliche dreistellige Mio-Umsätze erzielt. Andererseits erscheinen Zuwächse sowohl bei den Clubs als auch im Katalog-Geschäft schwierig bis unmöglich. Wir erwarten in den kommenden Jahren eine Verteilung der vorhandenen Umsätze unter den Markt-Akteuren.
Wie läuft das Geschäft bei Rhenania?
Wir sind nicht unzufrieden. Unser Beispiel zeigt: Eine Spezialisierung und ein Ausweichen auf bestimmte Nischen bietet auf dem Markt noch genügend Möglichkeiten.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Kommentar hinterlassen zu "Ungleichgewicht auf dem Markt wird immer größer"