Die Debatte um den „Dritten Korb des Urheberrechts“ wirft ihre Schatten voraus. Sie betrifft nicht nur Verlegerinteressen, sondern die Zukunft des Gemeinwesens. David Wengenroth kommentiert.
Das Urheberrecht hat gute Chancen, eines der heißesten Sommerthemen zu werden, denn der Entwurf des Bundesjustizministeriums für den „Dritten Korb“ der Urheberrechtsreform ist auf dem Weg. Seit dem gewaltigen Echo, das der „Heidelberger Appell“ vor zwei Jahren fand, wissen wir um das erstaunliche Emotionalisierungspotenzial der spröden und komplizierten Materie Urheberrecht. Ein passendes Präludium bildete der Plagiatsfall um Karl Theodor zu Guttenberg. Wir dürfen uns also auf einiges gefasst machen. Bisherige Wortmeldungen lassen leider befürchten, dass auf die Verlage und ihre Interessenvertreter vor allem ein schweres Stück Aufklärungsarbeit zukommt.
Merkwürdige Allianzen
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Gesetzesentwürfe, die SPD und Linke bereits zu den Rahmenbedingungen von Open-Access-Publikationen auf den Weg gebracht haben. Wohlgemerkt; interessant nicht im Sinne von bedenkenswert, sondern im Sinne von aufschlussreich, denn sie zeigen, auf welche Art von Argumentation man sich gefasst machen muss: SPD und Linke fordern ein „unabdingbares Zweitverwertungsrecht“ für aus Steuermitteln finanzierte Forscher. Da geht das relativ neue Phänomen der Internet-Gratis-Kultur eine Allianz ein mit dem traditionsreichen Postulat, aus Steuermitteln geschaffene Werte sollten der Allgemeinheit, und bitteschön nur ihr, zugute kommen.
Überhaupt gibt es erstaunliche Bündnisse zu beobachten zwischen sozial gesinnten Apologeten des freien Informationszugangs und interessengeleiteten kapitalistischen Internetkonzernen. So war die jetzt von der Google-Arbeitsgruppe „Colloboratory“ ins Spiel gebrachte Überlegung, Verbraucherinteressen explizit ins Urheberrecht hineinzuschreiben, bereits vor einiger Zeit in einem Papier des grünen Hamburger (mittlerweile Ex-)Justizsenators Steffen zu lesen.
Behörden und Konzerne
Obwohl in der anhebenden Diskussion oft ohne Rücksicht auf Verluste im Detail mit hehren Grundsätzen argumentiert wird, spielt ein Gesichtspunkt von erheblicher Tragweite erstaunlicherweise fast überhaupt keine Rolle: Die bedenkliche Entwicklung, dass staatliche Stellen immer eifriger in die Publizisten-Rolle drängen.
Denn um nichts anderes geht es beim „unabdingbaren Zweitverwertungsrecht“: Es soll staatlichen Universitäten unkaputtbaren Zugriff auf wissenschaftliche Inhalte sichern. In die Publizisten-Rolle drängen staatliche Einrichtungen auch durch Digitalisierungsprojekte wie Europeana. Und sie spielen sie längst bei der Veröffentlichung von Gerichtsurteilen durch die halbstaatliche Internetdatenbank Juris, die SPIEGEL ONLINE jetzt kritisiert hat.
In der freiheitlichen Demokratie ist das Publizieren traditionell aus guten Gründen gerade keine genuin staatliche Aufgabe. Sie alternativ amerikanischen Internetkonzernen zu überlassen, ist ein ebenso wenig reizvolles Szenario. Deshalb ist es im Interesse der ganzen Gesellschaft, die pluralistische, klein- und mittelständische Verlagslandschaft zu erhalten. Wer ihrer wirtschaftlichen Austrocknung im Namen des „freien Zugangs“ das Wort redet, plädiert implizit für eine Zukunft, in der Behörden und US-Konzerne entscheiden, wozu wir freien Zugang haben. Solche Zusammenhänge zu erklären, das wird das schwere Stück Arbeit in diesem Sommer sein.
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