Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat im Interview mit dem „Tagesspiegel“ erklärt, wie sie sich das Angebot und die Nutzung digitaler Lehr- und Lernmittel vorstellt. Darin sagt Esken unter anderem: „Bei digitalen Lernmitteln hat man den Vorteil, dass die Entstehung finanziert werden muss und nicht die Verbreitung. Bei den Schulbüchern ist der Druck bisher der teuerste Faktor, vor allem wenn man an die kleinen Auflagen pro Schulart und Bundesland denkt. Es sollen also bundesweit Angebote digitaler Lernmittel verfügbar gemacht werden, woraus Schulen und Lehrer sich bedienen können – aber eben nicht müssen.“
Geplant ist eine bundesweite Plattform mit frei nutzbaren OER (Open Educational Resources). Die dort versammelten Materialien „stellen die Lehrkräfte idealerweise selbst her. Die haben ja bisher auch nicht nur mit Schulbüchern unterrichtet, sondern schon immer eigene Lehrmittel vorbereitet, zum Beispiel Arbeitsblätter, Planspiele und so weiter. Mit der Plattform bekommen sie endlich einen Ort, wo sie ihre Inhalte teilen und Kolleg*innen überall im Land zur Verfügung stellen können. Es können aber durchaus auch kommerziell erstellte Materialien sein, nur eben offen lizenziert.“
Auf die Frage nach der Qualitätssicherung antwortet die Politikerin: „Lehrkräfte vertrauen Lehrkräften – wenn Materialien von anderen in der Praxis erprobt sind, traut man sich eher ran. Deshalb sollen sie über die – ich nenn‘ das mal vereinfacht so – Schwarmzertifizierung eine gewisse Garantie bekommen, dass das qualitätsgesichert ist.“
Dem Verband Bildungsmedien stoßen derlei Aussagen bitter auf. In einer Stellungnahme kritisiert der Interessenverband der Bildungsverlage insbesondere zwei Äußerungen:
- „Es beginnt schon mit der Aussage von Frau Esken, dass bei Schulbüchern der Druck der teuerste Faktor sei“, beklagt Ilas Körner-Wellershaus, Vorsitzender des Verbands. „Das ist falsch.“ Der größte finanzielle Posten eines Lehrwerks und der dazugehörigen Materialien seien mit rund 30% des späteren Ladenpreises grundsätzlich die Entwicklungskosten. „Die Herstellung von digitalen Bildungsmedien gegenüber gedruckten bringt den Verlagen keine Ersparnis“, erklärt Körner-Wellershaus: „Statt der Druckkosten fallen dann Kosten für Hosting an. Zusätzlich sind Plattformsysteme zu entwickeln und zu warten, Software-Applikationen auszubauen und sämtliche Systeme beständig weiterzuentwickeln. Auch der Einkauf von Fremdrechten vor allem für Bilder, Videos und Audios ist für digitale Bildungsmedien teurer als für gedruckte Bücher. Das gilt für OER übrigens ganz genauso, denn nur wenige für den Unterricht interessante Medien stehen unter CC-Lizenzen.“
- Eskens Ansinnen, Lehrer für die Erstellung aller auf der Bildungsplattform versammelten Arbeitsmaterialien in die Pflicht zu nehmen, hält Körner-Wellershaus für höchst problematisch: „Curriculare qualitätsgesicherte digitale Bildungsmedien sind ein Arbeitsmittel für die Lehrkräfte, das diesen vom Schulträger für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt werden soll. Zu erwarten, dass Lehrkräfte verlegerische Tätigkeiten übernehmen, sich also zum Beispiel systematisch mit der Abschlussorientierung von Bildungsmedien über mehrere Jahrgänge hinweg oder mit der Einholung und Vergütung von Rechten für Bilder, Videos oder Audios beschäftigen, ist absurd.“ Aufgabe der Schulträger und der Bildungspolitik sei es vielmehr, Lehrkräften Zugang zu den von den Verlagen erstellten digitalen Materialien zu verschaffen.
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