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Verbessern heißt Verändern – und das will gelernt sein

Die Digitalisierung von Verlagen verändert Abläufe und Arbeitsplätze. Change Management sorgt dafür, dass die Neuausrichtung funktioniert.

Markus Wilhelm ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, Nikola Ulrich ist Senior-Beraterin der Publisher Consultants (München). Das Beratungsunternehmen hat seine Schwerpunkte in den Bereichen Produktion, Beschaffung, Technologie und Prozesse. Mehr: publisher-consultants.de (Foto: Publisher Consultants)

Wir stecken mittendrin in der digitalen Transformation und sind mit deren Auswirkungen konfrontiert. Die große Herausforderung für Verlage und Medienunternehmen besteht darin, das Stammgeschäft weiterzuentwickeln und einen fließenden Übergang zu digitalen Produkten zu schaffen, die das Portfolio ergänzen und zudem wirtschaftlich interessant sind.

Vieles ist neu auf diesem Weg und einiges wird in Unternehmen jetzt – zu Recht – auf den Prüfstand gestellt. Im Fokus steht dabei häufig die Optimierung von Prozessen. Denn optimal gestaltete Abläufe sind die Basis für Flexibilität, um Innovationskraft wirksam werden zu lassen und neue Ansätze profitabel weiterzuentwickeln. Die Poten­ziale der Prozessoptimierung gilt es zu nutzen.

Doch Vorsicht: Wer Prozesse optimieren will, muss sich bewusst sein, dass Verbesserung immer auch Veränderung bedeutet. Und die kommt nicht immer bei allen Mitarbeitern gut an. Deshalb bedarf ein professionelles Prozessmanagement immer auch der Unterstützung von Projektmanagement und Change Management, damit die Optimierung letztlich von Erfolg gekrönt ist. Das ist einleuchtend und nachvollziehbar, sieht in der Praxis aber meist anders aus.

 

Veränderung stößt auf Widerstand

Im Rahmen einer Prozessoptimierung merken die betroffenen Mitarbeiter meist schnell, dass sich ihr Alltag, Arbeitsbereich und Umfeld verändern. Für die Mitarbeiter sind die Veränderungen meist nicht nachvollziehbar, wenn sie nicht einbezogen werden. Die Entscheidungen werden von Führungskräften gefällt, mit guten Gründen und womöglich gründlicher Abwägung, sie werden aber an die Mitarbeiter, die Motive und Entscheidungsfindung nicht kennen, oftmals gar nicht oder nicht zielgruppengerecht kommuniziert. In der Folge entwickeln Mitarbeiter oftmals offene oder indirekte Widerstände und können geplante Optimierungen damit sogar massiv gefährden.

Um dem vorzubeugen, ist professionelles Change Management gefragt. Nur wenn dieses koordiniert mit der eigentlichen Prozessoptimierung einhergeht, können Veränderungen letztlich effektiv und nachhaltig umgesetzt werden. Das Zusammenspiel von Prozessoptimierung, Projektmanagement und Change Management ist entscheidend, um auf einen Transformationsprozess zu reagieren, der vielfältige Neuerungen mit sich bringt, mit Auswirkungen auf Organisationsstrukturen, Abläufe, Aufgaben und Rollenbilder der Mitarbeiter sowie auch auf die Führungskultur eines Unternehmens.

 

Rollen und Aufgaben ändern sich

Wie sich dies konkret auswirkt, zeigt beispielhaft der Blick auf Lektorat und Herstellung und ihr Zusammenspiel.

Die Aufgaben der Lektoren eines zunehmend digital tätigen Verlags verändern sich. Bisher waren sie vornehmlich damit beschäftigt, Autoren zu akquirieren, zu betreuen und die inhaltliche Qualität der Texte sicherzustellen. Jetzt müssen sie darüber hinaus auch die Autoren anleiten, Inhalte in der technisch richtigen Form zu liefern, sodass diese schnell und einfach in den Produktionsprozess eingespielt werden können. Damit Lektoren verstehen, welche Datenformate gut funktionieren, brauchen sie spezielles Know-how, das auch wirtschaftlich von Bedeutung ist. Die Rolle und Kompetenz des Lektorats wird sich vor diesem Hintergrund deutlich verändern.

In der Herstellung findet die größte Transformation statt. Denn die zunehmenden Varianten an Ausgabekanälen erfordern immer mehr spezifisches Expertenwissen, über das kaum ein Mitarbeiter allein verfügen kann. Die Vielfalt ist enorm, man denke nur (als unvollständige Aufstellung) an Epub-Standard, XML-Standards, Word mit und ohne Makros, (fixed) Layout und responsive Design für mobile Anwendungen. Das verdeutlicht, warum der Hersteller alle einzelnen Produktionsschritte immer weniger selbst ausführen kann, sondern vielmehr als Produktionsmanager agieren muss, der Spezialaufgaben an externe Profis delegiert und dieses Team steuert. Ein ausgezeichnetes Allgemeinwissen über das optimale Zusammenspiel dieser Diszi­plinen – und hier kommen wieder Prozesswissen und Prozessmanagement ins Spiel – ist der Trumpf im Ärmel des Herstellers im zunehmend digitalen Verlag.

Der Lektor wird also mehr zu einem Produktmanager, der das Produkt und seinen Inhalt in allen wirtschaftlich sinnvollen Formen ganzheitlich konzipiert und für die Produktion vorbereitet. Die übernimmt dann der Hersteller, der die Fäden zwischen den diversen Spezialisten in der Hand hält, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Somit wird er zum Produktionsmanager im eigentlichen Wortsinn.

Mit der Verlagerung der Aufgaben wird auch ein reibungsloses Zusammenspiel der Abteilungen immer wichtiger, um größtmögliche Effizienz in Zeiten der digitalen Transformation zu sichern. Dazu ist es nötig, die bestehenden Prozesse einer objektiven Prüfung zu unterziehen und sie am konkreten Ziel neu auszurichten. Eine solche Optimierung bringt zwangsläufig aber auch eine Veränderung der Aufgaben von beteiligten Mitarbeitern mit sich.

Bestehende Standards und Organisationsstrukturen in den direkt betroffenen Abteilungen werden quasi auf den Kopf gestellt. Und nicht nur dort – die Strahlkraft wirkt darüber hinaus. Mit einzelnen Abteilungen verändern sich stets auch ihre Schnittstellen, z.B. zum Marketing, zum Vertrieb und zur Finanzbuchhaltung. Auch hier müssen die Mitarbeiter und Systeme in der Lage sein, neue digitale Produkte und Produktionsprozesse gut abbilden zu können. So muss sich die komplette Organisation eines Verlags an der digitalen Transformation ausrichten.

 

Mangelnde Veränderungsbereitschaft

Die Notwendigkeit dazu sollte die Führungsebene früh erkennen und entsprechende Optimierungen veranlassen. Doch auch hier zeigt sich in der Praxis, dass es aus unterschiedlichsten Gründen oft schon bei den Führungskräften an der nötigen Veränderungsbereitschaft mangelt. Laut der Change Management Studie 2012 von Capgemini Consulting liegt dies in erster Linie an:

  • Angst vor Einfluss- oder Statusverlust
  • Zu hohe Veränderungsintensität in den vergangenen Jahren
  • Überlastung, wegen des Arbeitsvolumens oder aus (anderen) psychischen Gründen.

Dabei kommt Führungskräften gerade im Wandel eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie sind es, die Entscheidungen treffen, kommunizieren und auch dauerhaft vertreten müssen. Das ist wichtig, denn die Mitarbeiter, die von Veränderungen betroffen sind, suchen Halt und Orientierung. Ihre Fragen nach der beruflichen Zukunft, ihrer Rolle und den Aufgaben werden zu Recht gestellt und müssen von Führungskräften klar beantwortet werden.

 

Wandel in der Führungskultur

Bedingt durch die veränderten Erwartungen der Mitarbeiter an die Führungskräfte ist auch ein Wandel in der Führungskultur notwendig. In der Beratungspraxis ist festzustellen, dass ein patriarchalischer Führungsstil im Verlag heute nur noch bedingt funktioniert. Erfolgreiche Führungskultur geht weg von der Anordnung im Befehlston, weg von einem Top-Down-Mechanismus, hin zu einem neuen effektiven, kollegialen Miteinander. Führungskräfte sind daher gut beraten, den Dialog mit ihren Mitarbeitern zu suchen, auch wenn dies nicht immer angenehm oder bequem ist. Es gilt, Beschlüsse zu vermitteln, aber genauso auch dafür einzustehen. Und da ist es keineswegs paradox, sondern vielmehr schlüssig, dass Führungskräfte gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung mehr Gesicht zeigen müssen und der Mensch, der hinter Entscheidungen steht, mehr an Bedeutung gewinnt.

Kommunikationsfreude, Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsfähigkeit und Überzeugungsstärke sind heute gefragte Kompetenzen. Führungskräfte brauchen zudem ein hohes Maß an Selbstreflexion und sind gut beraten, sich von einem professionellen Coach auf dem Weg der Veränderung begleiten zu lassen.

 

Zukunftsaussicht vermitteln

Die Herausforderung einer Prozessoptimierung besteht zum wesentlichen Teil auch darin, den Mitarbeitern die Notwendigkeit von Veränderungen zu vermitteln, ohne Panik in der Belegschaft entstehen zu lassen. Keine leichte Aufgabe, denn tatsächlich finden nur wenige Mitarbeiter so einen Wandel wirklich überzeugend. Zu bequem ist die meist jahrelang eingeübte Routine, zu gering das Verständnis dafür, dass Veränderungen nötig sind, zumal der Einblick in die wirtschaftliche Lage ja oft nicht gewährt wird.

Eine professionelle Initialisierung ist deshalb von großer Bedeutung. In dieser Phase wird geklärt, weshalb welche Ziele erreicht werden sollen, wer betroffen ist, wie diejenigen einzubinden sind. Bereits zu diesem Zeitpunkt sind einige Aspekte zu beachten, die den gewünschten Erfolg des Projekts möglicherweise ernsthaft gefährden können. Insbesondere sind dies politische und emotionale Widerstände beim Personal.

Im Idealfall sollte die Vorgehensweise folgendermaßen aussehen:

1. Kommunikation der Zukunft des Verlags, der einzelnen Abteilungen, Schnittstellen und Mitarbeiter.

2. Change Management von Anfang an, um Widerständen vorbereitet zu begegnen.

3. Ist-Prozesse dokumentieren und wertfrei analysieren, um die Grundursachen der Probleme zu ermitteln, wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu finden und darauf aufbauende optimierte Soll-Prozesse zu definieren.

4. Konkrete Maßnahmen entwickeln und implementieren.

Ob Veränderungen schrittweise umgesetzt werden oder komplett „am Stück“, muss immer individuell und nach Abwägung verschiedener Faktoren entschieden werden. Hier gibt es kein allgemeingültiges Patentrezept, vielmehr ist es hilfreich, auf Fachwissen und Erfahrung von Experten zu setzen, um die richtige Lösung zu finden.

 

Prozessoptimierung nicht unter Druck

Der Artikel ist zuerst im buchreport.spezial Management & Produktion erschienen. Das buchreport.spezial steht für Abonnenten von buchreport.digital im E-Paper-Archiv zur Verfügung. Die gedruckte Ausgabe können Sie hier bestellen.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Prozessoptimierung ist der richtige Zeitpunkt. Verlage sind gut beraten, sich frühzeitig und vorbeugend mit dem Thema zu beschäftigen. Denn tatsächlich schwierig wird es, wenn ein Unternehmen schon unter wirtschaftlichem Druck handeln muss und im Rahmen der Prozessoptimierung vielleicht auch noch festgestellt wird, dass Know-how eingekauft werden muss oder neue IT-Systeme erforderlich sind.

Wer Projektmanagement und Change Management als unterstützende Instrumente nutzt, kann individuelle Optimierungsmaßnahmen professionell begleiten und letztlich gewinnbringend wie auch nutzenstiftend umsetzen. Das Potenzial ist groß: Neue optimierte Geschäftsprozesse ermöglichen es dem zunehmend digital tätigen Verlag künftig schnell innovative Produkte zu besseren Preisen auf den Markt zu bringen. Ein Team an qualifizierten Mitarbeitern wird diesen neuen Weg gern und motiviert mitgehen.

Nikola Ulrich und Markus Wilhelm info@publisher-consultants.de

Chancen und Risiken der Prozessoptimierung

Chancen
  • Finanzielle und kreative Freiräume für neue Produkte und Lösungen
  • Reibungsfreie Schnittstellen zu internen Abteilungen und externen Dienstleistungen
  • Qualitätsverbesserung und dauerhafte Qualitätssicherung
  • Mehr Profitabilität
  • Mehr Flexibilität
  • Schnellere Reaktion und Anpassung auf Marktveränderungen
  • Mehr Innovationskraft
  • Motivierte Mitarbeiter
Risiken
  • Symptombehandlung statt Ursachenbehebung
  • Blockierung des Projekts durch Widerstände und Konflikte bei Mitarbeitern
  • Verlust von wertvollen Mitarbeitern und Know-how, die Verände­rungen nicht mittragen
  • Versäumnis der strukturierten Personalentwicklung
  • Torpedierung des Vorhabens durch eine ungesteuerte Kommuni­kation
  • Kein Top-down-Vorleben hinsichtlich Motivation und Überzeugung, wenn Führungskräfte Vorbildfunktion im Sinne des Projekts und der Zielerreichung (bewusst) nicht wahrnehmen
  • Kein Budget (mehr) für dringend benötigte Investitionen in IT/Systeme oder auch Personal/Know-how

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