Wie schlagen sich Veränderungen in der Branche beim Börsenverein nieder? Nach dem Reformgerangel vergangener Jahre – bei dem das am Donnerstag dieser Woche zum siebten Mal tagende Branchenparlament (Foto: li. Vorsteher Gottfried Honnefelder, 2008) erfunden wurde – rücken jetzt Aufgaben und Apparat stärker in den Vordergrund. Dazu gehören die föderalistische Struktur und die Arbeitsagenda des Verbands.
Ganz aktuell befasst sich der Sortimenterausschuss (SoA) mit den Ergebnissen einer Mitgliederbefragung, die einerseits sehr positive Bewertungen etwa der politischen Lobbyarbeit (u.a. Preisbindung) und der Rechtsberatung des Verbands zutage fördert. Andererseits wird aber auch eine „relativ niedrige Zufriedenheitsquote mit der Bedarfsorientierung der Leistungen des Börsenvereins (56,5%)“ attestiert, wie es verklausuliert im kürzlich verschickten „SoA-Newsletter“ heißt. Die Gründe seien „vielschichtig“, was wohl auch mit der verflochtenen Wahrnehmung des Verbands und seiner wirtschaftlichen Aktivitäten zusammenhängen dürfte.
VlB und Libreka sorgen für Dauerzündstoff
In der Vergangenheit hatte sich die Unzufriedenheit der Sortimenter mehrfach an Aktivitäten der Börsenvereins-Wirtschaftstochter MVB entzündet, die u.a. die VlB-Bücherdatenbank und auch das im Sortiment geschätzte EDV-Tool BibWin betreut (hier mehr). Vor allem der mitgliederstarke Arbeitskreis unabhängiger Sortimente (AkS) hatte auf seiner Tagung im Mai und in einem offenen Brief im August VlB und MVB scharf kritisiert, bevor die Wogen in „konstruktiver Gesprächsatmosphäre“ (AkS-Sprecherin Annemarie Schneider) auf der Frankfurter Buchmesse vorerst geglättet wurden mit dem Versprechen eines BibWin-Neuansatzes zum Jahresbeginn 2011, wobei sich jetzt eine kleine Konzept- und Preisschlacht abzeichnet (s. Info am Ende des Artikels).
In der Sitzungswoche des Börsenvereins ist als nächstes Konfliktfeld das mit dem VlB verknüpfte E-Book-Projekt Libreka einziger Tagesordnungspunkt im Branchenparlament. Das als digitale Branchenplattform gestartete Leuchtturmprojekt soll auf eine Agenturfunktion reduziert werden. Die Verlage hatten bereits im Juni bei den Buchtagen in Berlin kritische Worte gefunden. Der Handel ist jetzt außen vor und Zwischenbuchhändlern ist Libreka bereits länger als vom Verband aufgebauter Wettbewerber ein Dorn im Auge.
MVB betätigt sich als Marktteilnehmer
Nicht nur bei Libreka positioniert sich die MVB als Wettbewerber:
- Als Themenwelten- und Nonbook-Anbieter tritt das Verbandsunternehmen seit 2008 unter der Marke Livendo mittlerweile mit einem 30-Seiten-Katalog gegen Großhändler und nonbookaktive Verlage an.
- Aktuell startet die MVB die Novitätenvorschau „Neue Bücher“ und tritt damit in Wettbewerb zu dem im Frühjahr vom Buchhändlerverbund eBuch gestarteten Projekt eVorschau.
Man sei „durchaus überrascht“, heißt es in einer aktuellen eBuch-Stellungnahme, „dass der Börsenverein uns mit NeueBuecher.de ein halbes Jahr später so direkt Konkurrenz macht, immerhin ist die eBuch zahlendes Mitglied im Verein“. Man werde aber hart dafür arbeiten, „die Nase vorn zu behalten“.
Als Wettbewerber betroffen ist von „Neue Bücher“ auch buchreport mit dem seit 2008 veröffentlichten „Novitätenkatalog“.
Zwei BibWin-Nachfolger in Sicht
Die mit geschätzt mehr als 1000 Installationen im Sortiment beliebte Bibliografier-Software „BibWin“ wird nach massiver Kritik durch den Arbeitskreis unabhängiger Sortimente (AkS) wegen ausbleibender Weiterentwicklung jetzt neu aufgesetzt. Dabei kommt es zu einem System- und Preiswettbewerb:
- Die MVB, die das kostenlos abgegebene BibWin-Tool über viele Jahre als Lizenzprodukt betreut hatte, will zur Leipziger Buchmesse 2011 eine Neuentwicklung vorstellen und für ca. 10 Euro im Monat anbieten.
- BibWin-Entwickler Peter Moser, an den die Rechte am Programm mit dem Jahreswechsel zurückfallen, bietet Anfang 2011 eine fehlerbereinigte Programmrevision an, bei der u.a. der Zugriff auf die Libri-Datenbank verbessert sein soll. Die gewohnte Nutzeroberfläche soll weitgehend erhalten bleiben. Beim Pricing will Mosers Softwarefirma Sys.Team deutlich unter der 10-Euro-Marke bleiben. Der Vertrieb soll im Wesentlichen über Warenwirtschaftsunternehmen erfolgen.
Nutzer des 1997 entwickelten BibWin-Programms streichen heraus, dass das Tool bei der Titelrecherche praktischerweise die Einträge verschiedener bibliografischer Datenbanken auf einen Blick anzeigt: Die Kataloge der Barsortimente mit Lieferbarkeitsanzeigen, das VlB und auch eigene Bestands- und Bestelldaten.
Kommentar hinterlassen zu "Vereinsaufgaben im Fokus"