Wenn am morgigen Mittwoch um 11 Uhr am Arbeitsgericht Augsburg über die Einsetzung einer Einigungsstelle entschieden wird, treffen mit Geschäftsführung und Betriebsrat von Weltbild zwei Parteien aufeinander, die sich in nur wenigen Punkten einig sind. Und das betrifft nicht nur die Restrukturierungspläne und Stellenstreichungen des Augsburger Unternehmens (buchreport berichtete), sondern auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der betrieblichen Einigungsstelle selbst.
Das Verfahren der Einigungsstelle, das Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat regeln soll, hatte die Weltbild-Geschäftsführung beantragt, nachdem die Gespräche mit dem Betriebsrat im März von beiden Seiten für gescheitert erklärt wurden. „Mit diesem Schritt sollen weitere Verzögerungen im notwendigen Unternehmensumbau vermieden und ein Interessenausgleich ermöglicht werden“, begründete die Geschäftsführung in einer Unternehmensmitteilung. Nach Meinung des Betriebsrats seien dagegen noch längst nicht alle „arbeitsmarktpolitischen Alternativen“ zu betriebsbedingten Kündigungen ausgereizt. Die zentralen Argumente und Positionen beider Seiten:
Weltbild-Geschäftsführung:
- In 10 Informationsterminen seit Herbst 2014 habe die Geschäftsführung Zukunftskonzept, Unternehmensstrategie und Mittelfristplanung für Weltbild umfänglich und detailliert vorgestellt.
- Nach der erforderlichen Restrukturierung setzte das Unternehmen in den kommenden Jahren wieder auf Wachstum mit einer „klaren Multichannel-Strategie, die stationären Handel, Online, Direktmarketing und Social Media zu einer Anstoßkette verbindet“.
- Erste Erfolge seien bereits sichtbar, die aktuellen Monatsergebnisse lägen „leicht über Plan“.
- Man habe sich deutlich auf den Betriebsrat zubewegt. Neben zusätzlichen Budgets für strategisches Marketing zur Stärkung der Dachmarke Weltbild investiere das Unternehmen heute mit einem „deutlich reduzierten Personalabbau, schneller Verbesserung von Prozessen und Abläufen, Erweiterung des Sortiments, Neuausrichtung des Filialnetzes und echter Verzahnung von Online- und Stationärhandel, Direktmarketing und Social Media“.
- Aus Sicht der Geschäftsführung seien Betriebsänderungen und der geplante Personalabbau „unumgänglich“, um das Unternehmen wieder auf solide und sichere Basis zu stellen.
Weltbild-Betriebsrat:
- Vor der Übernahme habe der neue Eigentümer Walter Droege der Belegschaft versprochen, dass es keine Kündigungen im Zuge des Betriebsübergangs gebe, doch einen Monat später wurden 200 Entlassungen angekündigt.
- Bei den Verhandlungen um Entlassungen sei die Weltbild-Geschäftsführung dem Betriebsrat nicht entgegen gekommen, im Gegenteil: Aktuell fordere die Droege-Tochter Also Logistics 160 Kündigungen in der Weltbild-Logistik. Das seien sogar 25 Stellen mehr als am Anfang der Gespräche, weil zwischenzeitlich die Hälfte der Filialen„notgeschlachtet wurden“.
- Ebenfalls stünden weitere 20 Arbeitsplätze zur Debatte, „mit denen die Erhöhung der Wochenarbeitszeit und die Verkürzung des Urlaubs erpresst werden sollen“, so der Wortlaut der Betriebsratsinfo. Nochmal 40 bis 60 Jobs seien fällig, wenn ein geplantes Drittgeschäft nicht zustande komme, für dessen Akquise die Droege-Gruppe „derzeit keine sichtbaren Anstrengungen“ unternehme.
- In der Retail sei die Zahl der geplanten Entlassungen zwar auf den ersten Blick tatsächlich gesunken, dies läge allerdings daran, dass gut qualifizierte Mitarbeiter Weltbild „in Scharen und fluchtartig verlassen“.
- Die Aussage der Geschäftsführung, sie habe das Werbebudget auf Druck des Betriebsrats wesentlich erhöht, sei Unsinn: „Es geht um einen mittleren 1-stelligen Millionenbetrag, gerechnet über drei Geschäftsjahre für die gesamte Gruppe mit Österreich, Schweiz und Filialen. Gerade mal die Hälfte davon soll der Katalogwerbung zugute kommen. Diese Etat-Erhöhung könnte genauso gut die Folge eines Rechenfehlers sein.“
- Eine Einigungsstelle sei keine Lösung, weil vor weiteren betrieblichen Entlassungen zunächst weitere arbeitsmarktpolitische und tarifliche Maßnahmen wie z.B. Kurzarbeit, die Umschichtung von Personal durch Qualifizierungen und Versetzungen sowie ähnliche Maßnahmen geprüft werden müssten. Über kein einziges dieser Mittel sei bislang mit dem Betriebsrat gesprochen worden.
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