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Verlage müssen sich anpassen

Die Kinderwelt ist die Arbeitswelt von morgen. Zukünftig bestimmten ungewohnte Kommunikationsformen den Erfolg von Medienangeboten. Peter Wippermann, Gründer des Trendbüros und Professor für Kommunikationsdesign in Essen, erklärt beim 1. Kindermedienkongress der Akademie des Deutschen Buchhandels am kommenden Montag, welche Angebote noch Zukunft haben in einer sich verändernden Kinderwelt.

Erste Antworten gibt er vorab bei buchreport.de.

Seit Jahren dominieren Zauberer, Vampire und Drachen die Bestseller-Listen. Ein Zeichen für Eskapismus in der Welt der Jugend?

Ja, die Kinder sehnen sich nach einem Ausstieg aus der Realität. Sie suchen aber auch Authentisches, Wahres, Natürliches, Wärme, Verlässlichkeit und Vertrauen – Romantik eben. Das hat vor allem mit Retrotrends zu tun. Die Jugendbewegung meiner Zeit wendete sich gegen Gesellschaft, Familie, Institutionen. Die nachfolgende Nullbock-Generation lebte nach dem Motto „Die Welt geht kaputt – kommst du mit?“. Die heutige jüngere Generation bekennt sich zu konservativen Werten und interpretiert sie neu. Ein Schock für die Eltern und Großeltern, wenn sich ihre Jüngsten dem zuwenden, was sie damals bekämpft haben.

Wissen die Eltern noch, wie ihre Kinder kommunizieren?

Die Eltern wollen den Anschluss zu ihren Kindern nicht verlieren. Deshalb wollen sie ja auch ihre Freunde bei Facebook sein. Es waren immer schon solche Kommunikationsformen erfolgreich, zu denen Erwachsene keinen Zugang hatten: SMS, ICQ, studivz. Formen also, bei der die Kommunikation auf einer anderen, abgetrennten Ebene stattfindet. Sobald die Erwachsenen diese Welt betreten, suchen die Kinder sich eine andere Kommunikationsform, bei der sie wieder unter sich sind.

Wie unterscheidet sich die heutige Kinderwelt von der vor 20 Jahren?

Ganz grundsätzlich. In der Welt der Eltern zeigt sich eine ganz deutliche Polarisierung und diese ist viel stärker als je zuvor. Während sich ein Teil der Eltern sehr intensiv mit den Kindern beschäftigt, investiert der andere Teil immer weniger Zeit in den Nachwuchs. Dies hängt mit dem ökonomischen und kulturellen Interesse der Eltern zusammen und mit der Zeit, die sie sich für ihre Kinder nehmen können und wollen. Das wiederum beeinflusst das Verhalten der Kinder: Während die Kinder der ersten Gruppe ein ausgeprägtes Leseverhalten haben, beschäftigt sich die zweite Gruppe eher mit virtuellen, interaktiven Medien. Insgesamt lesen also weniger Kinder, diese werden aber intensiver gefördert.

Nehmen Kinder Medienreize anders wahr als Erwachsene?  

Sicher, und zwar weil sie von traditionellen Medien geprägt wurden. Nun müssen sie umlernen, und dieser Prozess ist mit einer Skepsis gegenüber neuen, unbekannten Medien verbunden. Kinder leben ohne Scheu mit den neuen Technologien, da diese seit der Geburt ihr Leben geprägt haben. Neue Medien sind zu ihrer Natur geworden, in der sie das Spielen gelernt haben. So lässt sich begründen, warum Ältere eher Printmedien lesen, während für Jüngere das Internet zum Leitmedium geworden ist.

Welche Medienangebote haben Zukunft?

Die Kinderwelt ist die Arbeitswelt von morgen, also haben natürlich die interaktiven Medien Zukunft. Die Kinderwelt wird bestimmt von der Augmented Reality, der Verbindung zwischen realer und virtueller Welt. Die reale Welt wird zunehmend in die virtuelle Welt integriert und unsere Kinder spielen mit virtuellen Spielgenossen. Diese Verbindung wird immer enger.

Was bedeutet das für die Buchbranche?

Nicht nur die Buchbranche, die Verlagsbranche insgesamt muss sich auf andere Bedingungen einstellen. Die Märkte spezialisieren sich, ähnlich wie es schon in der Musikszene passiert ist. Es etablieren sich Stilgruppen. Dann geht es nicht mehr darum, was Verlage veröffentlichen, sondern wie: in welcher Form, in welcher Sprache. Zwar bleibt die Sprache in ihrer Schriftform bestehen, aber sie verändert sich. Jugendsprache wird assoziativer, kürzer, sie entwickelt einen eigenen Slang. Dem muss sich die Branche mit anderen Kommunikationsformen anpassen. Jede Stilgruppe fordert eine andere Aufbereitung der Texte.

Zum Beispiel?

In Deutschland ist die Neueinführung des Magazins „Nido“ aus der Stern-Gruppe des Gruner+Jahr Verlages interessant zu beobachten. Hier wird der aktuell konsequenteste Text-Bild-Remix ausprobiert. Aber auch die Erfolgsgeschichte (750.000 Hefte pro Monat) von „Landlust“ zeigt bei genauerem Hinsehen eine Überproportionierung von Bildern zum Text.

Den gegenteiligen Weg haben das Wirtschaftsmagazin „brandeins“ und das Lifestylemagazin „Monocle“ eingeschlagen. Die Konzentration der Redaktionen liegt hier wieder stärker auf längeren Texten und bei „Monocle“ auch auf kleineren Bildern.

Die Fragen stellte Lucy Kivelip.

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