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Verlagsherstellung wird revolutioniert

Aus dem Tagungsbüro der Arbeitstagung der Herstellungsleiter deutscher und deutschsprachiger Verlage erreicht uns soeben folgender Bericht:

„Die Verlagsbranche befindet sich in einem Wandel, der in höherem Tempo fortschreitet als es Verleger und Marketingleiter heute wahrhaben möchten. Der Herstellungsleiter steht vor neuen Herausforderungen: Er sieht sich vor Aufgaben gestellt, die sein traditionelles Berufsfeld als Büchermacher wesentlich erweitern werden.  Er muss aus seinem Wissensspektrum und seiner Erfahrung heraus Wegbereiter neuer Produkte und deren Herstellungsmethoden sein. Zukunftsszenarien sehen den Herstellungsleiter deshalb als markt- und kundenbewussten Wegweiser und Entscheidungsbeirat in der Führungsebene der Verlage.

Solche und ähnlich brisante Themen standen auf der Agenda der 58. Arbeitstagung der Herstellungsleiter deutscher und deutschsprachiger Verlage, die vom 1. bis 4 Mai 2008 wieder im Tagungs- und Bildungszentrum Kloster Irsee stattgefunden hat. So rasant wie das Internet habe nicht einmal Gutenberg die Bücherwelt verändert, behaupten Medienbeobachter das Geschehen rund um die Frage einer zukünftigen „Contentverwertung“.

Zwar gilt noch immer der Satz „Das Buch lebt“. Aber neben ihm positionieren sich andere, gleichberechtigte elektronische Formen, Produkte und Inhaltsträger mit großem Wachstumspotential, die den traditionellen Buchverleger zum Umdenken zwingen. „Alles, was digital werden kann, wird auch digital werden.“ (B. Zipper) Längst dreht sich alles um Contentvermarktung und -management. Inhalte werden nicht mehr nur generiert, verpackt und als Produkte verkauft. Die Erwartung des Kunden hat sich verändert: Er will den Inhalt nicht unbedingt besitzen (kaufen) – er will ihn schnell, ohne Aufwand und nur vorübergehend nutzen (legal oder illegal downloaden)! Diese, dem Internet geschuldete Kundenanforderung auf sofortigen Zugriff in digitaler Form hat neues Leseverhalten, neue Märkte und neue Mitbewerber hervorgebracht, denen sich ein wettbewerbsfähiger  Verlag stellen muss.

Das hat weitreichende Konsequenzen für Aufgabenfeld, Qualifikation und Verantwortungsbereich des Herstellungsleiters, der heute schon in manchen Verlagen als Produkt- und Prozessmanager bezeichnet wird. Dieses neue Anforderungsprofil spiegelte sich auch in diesem Jahr im Programm der Arbeitstagung der Herstellungsleiter wieder und bot den 78 Tagungsteilnehmern eine spannungsreiche und hoch aktuelle Themenvielfalt:

Der erste Arbeitstag war der zukünftigen Marktentwicklung und den aktuellen Trends in der Print-Media-Industrie gewidmet.

  • Dr. Wolfgang Adlwarth (Gesellschaft für Konsumforschung, Nürnberg) gab den Einstieg mit erstaunlichen Erkenntnissen und mehrjährigen Studien über Marktentwicklungen im Buchmarkt und in angrenzenden Medienmärkten.
  • Ehrhardt Heinold (Heinold, Spiller und Partner, Hamburg) fokussierte den Blick auf die notwendige verlegerische Entscheidung vor allem von Fach- und Special-Interest-Verlagen, den Endkunden in die Marketing- und Produktionsprozesse zu integrieren – umwälzende, marktbedingte Veränderungen, die tiefgreifende Konsequenzen auch für die Verlagsherstellung zur Folge haben.
  • Bernd Zipper (ZIPCON, Essen) bereitete in einem amüsanten und sehr faktenreichen Vortrag die Tagungsteilnehmer auf das Großereignis DRUPA 2008 vor. Als Lern-DRUPA, als Megaereignis mit Megatrends bezeichnete er die Messe und stellte die wichtigsten technischen Trends vor, die die Zukunft der Medienproduktion bestimmen werden.
  • Hans-Georg Wenke (Fachjournalist, Solingen) rückte in diesem markt- und technikorientierten Wandel auf wohltuend-kritische Art und Weise den Mensch ins Zentrum. „Die Maschine denkt, der Mensch lenkt“ oder „Lenkt die Maschine, und der Mensch denkt?“ Beides ist auf eigenwillige Sicht wahr.

Am zweiten Tag belegten die Teilnehmer ganztägige Workshops. Der Dringlichkeit und dem Thema des Vortages folgend waren die Erwartungen an die Referenten der  Arbeitskreise Contentmanagement (Ursula Welsch, Welschmedien, München) und Changemanagement (Richard Wolff, b4 Consulting, Eschborn-Niederhöchstadt) hoch. Die Wiederholung des Workshops Das wirkungsvolle Coverfoto von Prof. Dr. Dieter Herbst (source 1 networks, Berlin) geschah auf nachdrücklichen Wunsch jener Herstellungsleiter, die diesen Kurs im vergangenen Jahr nicht belegen konnten. Dass auch nach dieser Wiederholung das Interesse an diesem – im Verlag oft – unterschätzten Thema noch lange nicht erschöpft ist, liegt wohl nicht nur an dem brillanten und lehrreichen Vortrag auf hohem Niveau.

Der dritte Veranstaltungstag bot den Tagungsteilnehmern ein breites Themenspektrum: Mehr Risiken als Chancen bei Fernost-Produktion? Diesem Verdacht stellten sich Mark Temme (Bureau veritas, Hamburg) und die praxiserfahrenen Herstellungsleiter Andreas Meyer (Ravensburger Buchverlag) und Friedrich Weskott (Gestenberg Verlag). Wie werden asiatische Produktionsstätten auditiert und zertifiziert? Welche gesetzlichen Vorgaben und Normen muss der Hersteller insbesondere im Bereich Non-Book kennen? Viele Verlage können sich aus unterschiedlichen Gründen der Fern- bzw. Nahostproduktion nicht mehr entziehen, aber was genau gilt es dabei zu bedenken?

Beim jährlichen „Blick über den Tellerrand“ ging es um multimediale Aspekte: Was sind die Chancen und Möglichkeiten von Downloadportalen bei Hörbüchern? Wie rechnet sich ein Download, und was bleibt am Ende dem Verlag? Gehört die Koordination von E-Content und Nebenrechten künftig zum erweiterten Serviceangebot der Herstellung? (Arik Meyer, audible, Berlin; Theresia Singer, Headroom Sound Production, Köln; Roland Schild, libreka!, Frankfurt).

Im Themenblock „Gestaltung“ wurde es international: Der niederländische Grafiker und Buchgestalter Wim Westerveld demonstrierte an ausgewählten Beispielen, was die holländische Buchgestaltung anders als die deutsche macht und welche Ähnlichkeiten es gibt. In der Ausstellung Schönste Bücher konnten viele seiner erwähnten Beispiele dann körperlich in Augenschein genommen werden.

Das Resumee der Tagung lässt zwei Schlüsse zu:

  • Nie war der Herstellerberuf so vielseitig und flexibel wie heute,
  • und nie war die Notwendigkeit größer, den Herstellungsleiter als Projektentwickler, Prozessmanager und Lösungsanbieter wieder an die rechte Seite der Verlagsleitung zu setzen, wenn es um Ergebnis und Marktpositionierung geht; denn die Frage lautet: wirtschaftlicher Erfolg oder „nice to have“?

Anfragen und Bewerbungen für die Teilnahme an der nächsten Arbeitstagung für Herstellungsleiter bitte an:

info@herstellungsleitertagung.de oder

telefonisch bei Karin Kern, Tagungsbüro 08191 / 973 48 78.“

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