Seit fast anderthalb Jahren steht Siv Bublitz als Verlegerin an der Spitze der Ullstein Buchverlage. Unter ihrer Führung haben die einzelnen Verlage ein deutlicheres Profil verpasst bekommen.
Sie geben Ihren Verlagen schärfere Konturen. Interessiert es den Leser, welcher Verlag hinter einem Buch steht?
Leser interessieren sich – so gern wir es auch anders hätten – nicht so sehr für die Verlage. Schon eher interessiert sich der Handel dafür, dass Verlage klar definiert und profiliert sind. Die Abgrenzung ist auf jeden Fall wichtig für unsere eigene Arbeit. Wir haben insgesamt neun Verlage und können damit eine große Bandbreite von Büchern machen, ohne diffus zu erscheinen. Im vergangenen Jahr haben wir uns noch einmal intensiv mit den Profilen der Verlage beschäftigt und uns dabei darauf gestützt, dass viele unserer Verlage eine sehr lange Tradition haben. Wir können an gewachsene Strukturen anknüpfen. Wichtig ist, dass wir diese Konturen respektieren, denn die unterschiedlichen Verlage können einander innerhalb der Gruppe nur dann sinnvoll ergänzen, wenn ihre Profile auch klar erkennbar sind.
Sind die Konturen in der Vergangenheit verwischt worden?
Sie haben sich verändert. Das Profil eines Verlages entsteht in allererster Linie durch individuelle Bücher und individuelle Autoren. Ein Verlagsprogramm wächst und entwickelt sich, und je mehr Kontinuität es in einem Verlag gibt, desto besser kann sein Programm sich entfalten und desto klarer bleibt es. Innerhalb einer Verlagsgruppe, die sich zusammensetzt aus unterschiedlichen Verlagen, die zu unterschiedlichen Zeiten hinzugestoßen sind, ist solche Kontinuität nicht automatisch gewährleistet. Bei unseren Verlagen kann man in dieser Hinsicht Unterschiede erkennen: Der Propyläen Verlag, wo Programmleiter Christian Seeger seit vielen Jahren ein ausgezeichnetes Programm macht, hat ein klares Profil. Der Verlag steht für anspruchsvolles Sachbuch, für Politik und Zeitgeschichte. In anderen Verlagen, etwa bei Ullstein, hat es diese Kontinuität nicht in gleichem Maße gegeben, deshalb ist es wichtig, diese Frage in den Blick zu nehmen und für alle Verlage eine programmatische Ausrichtung zu finden.
Wie funktioniert die Abgrenzung personell?
Die programmatische Ausrichtung der Verlage spiegelt sich in der Struktur des Lektorats wider. Ich meine aber, dass die Stärke einer Verlagsgruppe wie unserer auch darin liegt, dass wir das Wissen, die Erfahrung, die Energie der Mitarbeiter zusammenführen können. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr da, wo es sinnvoll schien, die Organisation nach Verlagen aufgegeben und größere Teams geschaffen, die miteinander die Programme der verschiedenen Verlage formulieren und gestalten. Das gesamte Taschenbuch ist so ein Team. Die Belletristik im Hardcover ist eines, das allgemeine Sachbuch im Hardcover ebenfalls. Zu den Lektoratskonferenzen laden wir über die Verlagsgrenzen hinweg ein. Wichtig ist, dass der Sachverstand und die Beiträge aller Kolleginnen und Kollegen hier unsere Entscheidungen prägen.
Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle als Verlegerin?
Ich sehe meine Aufgabe darin, gemeinsam mit Klaus Füreder und Christian Schumacher-Gebler, meinen beiden Kollegen in der Geschäftsführung, die beachtlichen Kompetenzen hier im Hause zu bündeln und ein Forum zu schaffen, in dem sie sich entfalten können. Ich komme aus dem Lektorat, ich bin sehr stark eingebunden in die Auswahl der Bücher, die wir verlegen, auch in die Frage, welches Buch in welchem Verlag erscheint. Es gibt lebhafte Diskussionen über diese Themen, an denen ich mich lebhaft beteilige.
Sie haben gesagt, sie wollen mehr deutschsprachige Autoren verlegen. Weshalb?
Viele gute und wichtige Titel in unserem Programm sind Übersetzungen, das wird auch so bleiben. Dennoch meine ich, das Herz eines Verlages sind die Autoren, die der Verlag selbst entdeckt, mit denen er gemeinsam Bücher entwickelt und Pläne für die gemeinsame Zukunft schmiedet. Wir finden die Arbeit mit deutschsprachigen Autoren spannend, weil sie besonders kreativ und entwicklungsfähig ist. Deshalb macht sie auch besonders viel Freude.
Die Fragen stellte Ingo Schiweck
Siv Bublitz
1960 in Hamburg geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie. Nach dem Studium freie Lektorin und Übersetzerin. 1990 kam sie als Lektorin zum Rowohlt Taschenbuch Verlag, übernahm 1996 die Programmleitung des Wunderlich Verlags und wurde 2000 Verlagsleiterin von Rowohlt Berlin.
Anfang 2004 wechselte die promovierte Sprachwissenschaftlerin zu den Ullstein Buchverlagen und leitete dort Claassen, List und Marion von Schroeder. Im Januar 2007 übernahm sie als Nachfolgerin von Viktor Niemann die verlegerische Verantwortung für alle Ullstein Buchverlage.
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