Die Übernahme des ZVAB durch Abebooks erntet bei den Antiquaren ein vorwiegend kritisches Echo und hinterlässt viele offene Fragen
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Hans-Joachim Schulz aus Haren
Wenn sich die Antiquare nicht zu ihrem eigenen Wohl organisieren können, dann haben sie den Untergang verdient. Da hilft kein Jammern – der Kapitalismus lebt von denen die die Gelegenheiten der Zeit ergreifen und sich einen Sch…. darum kümmern, ob das politisch-moralisch korrekt ist.
Vera Eder aus Wien
Was wird aus uns kleinen Buchhändlern nach dem Verkauf? Kann man uns garantieren, dass zum Beispiel:
- unsere Eigenständigkeit als eigenständige wirtschaftliche Handelsunternehmen mit unseren eigenen Abläufen und AGB erhalten bleibt?
- oder wird man versuchen uns fremdzubestimmen: den Regeln und „Quoten“ der immer größer werdenden Amazon-Plattform unterzuordnen?
- wird weiterhin Raum sein für „echte Qualität“ (zum Beispiel Buchqualität, fachliche Beratung, Auswahl des Angebots) , die sich nicht mit den Amazon-Qualitätskriterien wie „schneller Versand“ und „Verfügbarkeit“ deckt?
- Kann man uns garantieren, dass die Provisionen nicht das Ausmaß der von Amazon eingehobenen Provisionen ausnehmen wird?
- Werden unsere eigenhändig erfassten Buchdaten auch in dieser Weise wiedergegeben und nicht durch einen automatisierten Prozess durch Norm-Einträge ersetzt (wie bereits bei Amazon üblich)
- Wird eine transparente und unkomplizierte Kommunikation zwischen Käufern und Verkäufern möglich sein? Die Möglichkeit für Direktanfragen (ohne zwischengeschaltete Kommunikationsseite wie bei Amazon) des Kunden an den Händler muss erhalten bleiben, damit wird das Kundenvertrauen gestärkt!
Die „größte Angst“, die ich als kleine Buchhändlerin habe, ist jene, meine betriebliche Eigenständigkeit zu verlieren, weil die „Maschine Amazon“ mir vorgibt, wie ich zu handeln habe – im schlimmsten Fall dienen wir nur noch als „Lieferanten“ für die Plattformen… Übrigens: Ich bin seit 1998 Online-Buchhändlerin.
Antiquariat Michael Eschmann aus Griesheim
Mit dieser Entwicklung war zu rechnen. Bereits vor einiger Zeit kaufte die Mediantis AG eigene Aktienanteile zurück. Wie bereits der Kollege Wiedenroth richtig bemerkte, ist es klug, sich nicht ausschließlich auf den Online – Handel zu konzentrieren. Neue Wege, neue Konzepte mit und ohne Internet sind gefragt. Seit Jahren wird in der Fachpresse heftig diskutiert, ob es sinnvoll ist, außerhalb der großen Datenbanken, nach anderen Vertriebswegen zu suchen. Wir haben den Versuch gewagt. Seit 2004 gibt es die Kooperation „Antiquariate im Rhein-Main-Gebiet“. Sie ist ein unabhängiger Internetmarktplatz für antiquarische Autographen, Bücher und Graphiken, der von sechs Antiquaren selbstverwaltet wird und über eine eigene Website verfügt. Diese Webpräsenz unterscheidet sich von anderen Verkaufsplattformen vor allen Dingen dadurch, dass sie von ihren Mitgliedern keinerlei Mitgliedsbeiträge oder Verkaufsprovisionen verlangt und weder als Kapitalgesellschaft, Aktiengesellschaft, Genossenschaft oder Verein geführt wird, aber auch bedeutend kleinere Bestände listet. Es ist die erste antiquariatsbuchhändlerische Kooperation dieser Art in Deutschland.
Wilhelm Pisko aus Aschaffenburg
Das ZVAB verfügt ausschliesslich über Ladenhüter. Der Rest ist überteuerte Ware von sturen Antiquaren, die auf dieser schon jahrzehntelang rumsitzen! Amazon sollte sich genau überlegen, diesen Schritt zu wagen.
Christoph Schäfer, Heinrich Heine Antiquariat,Düsseldorf
Sehr geehrter Herr Pisko,
da muß ich doch ausnahmsweise mal das ZVAB in Schutz nehmen und Sie bitten Ihre pauschale Behauptung zu relativieren. In Einzelfällen mögen Sie Recht haben, aber allgemein gesehen, oder auch nur speziell in unserem Fall, trifft Ihr Verdikt nicht zu. Viele Antiquare bieten momentan durchaus interessante und auch frische Ware zu sensationellen Preisen nicht nur über das ZVAB, sondern z.B. auch über antiquariat.de an – es herrscht, ganz im Gegenteil, derzeit ein Käufermarkt. Wäre ich Sammler, würde ich jetzt kaufen, als Händler tue ich es kontinuierlich. Aber vielleicht ist es in Ihrem Segment tatsächlich so, wie Sie es beschreiben, aber dazu müßte ich wissen, was Sie sammeln. Teilen Sie uns das doch mit, dann verifizieren oder falsifizieren wir gemeinsam Ihren Verdacht, aber den Begriff „sture Antiquare“ bitte ich bereits vorab zu überdenken – übrigens gibt für Bücher eine Wertgrenze nach unten, die eben kein seriöser Buchliebhaber, sei er Antiquar, oder Sammler dauerhaft unterschreiten sollte, wenn beide nicht den Beruf als solchen vernichten wollen, um sich fürderhin nur noch auf virtuellen oder realen Flohmärkten zu tummeln.
Hermann Wiedenroth, Inhaber des Antiquariats Das Bücherhaus
Abebooks und ZVAB sind Dienstleistungsunternehmen, die ihr Geld aus meiner Sicht weitgehend risikofrei verdienen. Schon die Umwandlung des ZVAB in eine Aktiengesellschaft habe ich seinerzeit mit größter Skepsis verfolgt – einer Skepsis, die ich allen Unternehmungen entgegenbringe, die irgendwann nur noch auf Gewinnmaximierung aus sind oder in denen Geld mit Geld verdient wird. Deshalb empfehle ich, nicht alles auf eine Karte zu setzen.Auch wenn das Internet eine bedeutsame Rolle spielt, könnte und wollte ich vom Internethandel ausschließlich nicht leben. Sollte die ZVAB-Übernahme durch Abebooks dazu führen, dass die Gebühren-Daumenschrauben noch fester angezogen werden als es ohnehin der Fall ist, würde ich mein Angebot schrittweise weiter reduzieren und mich eines Tages vom ZVAB oder seinem neuen Brotherrn gänzlich verabschieden. Das habe ich dem ZVAB vor Jahren schon gesagt, das gilt auch heute noch – und die ersten Schritte in diese Richtung bin ich mit der Reduzierung meines Angebots bereits gegangen (zum vollständigen Interview).
Eberhard Köstler, Vorsitzender im Verband Deutscher Antiquare
Im Moment kann ich noch gar nicht viel zu der Übernahme sagen, genaue Pläne sind von den Firmen ja noch nicht bekanntgegeben worden. Ein reiner Besitzerwechsel ist in der Wirtschaft an der Tagesordnung. Das ZVAB hat eine gewisse Markenqualität; diese zu gefährden oder zu zerstören, wäre sicherlich auch nicht im Interesse der neuen Inhaber. Zwar kann sich intern Einiges ändern, für die Buchkäufer und -verkäufer werden diese Umstrukturierungen nach derzeitigem Kenntnisstand aber kaum spürbar sein. Ich erkläre dies gern am Beispiel des Wohnungsverkaufs: Wenn eine Mietwohnung den Besitzer wechselt, der Mieter aber übernommen wird, wird er seine Einrichtung deshalb nicht umstellen (müssen). Generell spielen Internetverkäufe für die Mitglieder im „Verband Deutscher Antiquare“ eine im Vergleich zu anderen Vertriebswegen wohl eher untergeordnete Rolle.
Jörg Mewes Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im Börsenverein und Inhaber des Antiquariats Bergische Bücherstube
Was mir als erstes durch den Kopf schoss: Was sagt denn das Kartellamt dazu? Wenn ich die Marktanteile grob einschätze, würde ich den gemeinsamen Anteil der drei Firmen auf 70 bis 80% schätzen, dann würde das Konglomerat ja den Online-Markt der antiquarischen Bücher beherrschen. Bisher konnte ich Amazon fröhlich umgehen, ohne dass mich das gekratzt hat.
Jetzt wollen einige Kollegen offenbar aus dem ZVAB gehen. Nur, wo wollen sie dann noch hin? Bisher profitiert der eine vom anderen: Ich bringe dem ZVAB viele Gebühren, sie bringen mir viel Umsatz. Vor allem das Kleingedruckte wird in Zukunft zeigen, was sich ändert und ob dies vorteilhaft ist oder nach hinten losgeht. Wenn alles so bleibt wie bisher und nur Synergieffekte entstehen, wäre das ja in Ordnung. Wenn das Konglomerat die marktbeherrschenden Strukturen ausnutzt, wird es hakelig. Verärgert Amazon als Nabel der Welt die Antiquare, werden diese entsprechend reagieren. Das haben sie schon mit dem Genossenschaftsmodell antiquariat.de bewiesen.
Daniel Conrad, Geschäftsführer von Booklooker
„Wir stehen dem Verkauf des ZVAB relativ neutral gegenüber. Ich frage mich lediglich, ob es zu der Übernahme keine kartellrechtlichen Bedenken gibt. Natürlich sichert sich Amazon so einen großen Teil vom Kuchen. Unser Teil bleibt davon aber unberührt und wird an seiner Größe nichts einbüßen. Unser Umsatz steigt nach wie vor, wir sind sehr zufrieden mit der Resonanz im Internet.“
Regina Kurz, Antiquariat Rainer Kurz, Oberaudorf:
Diese Entwicklung war absehbar, nachdem Amazon Abebooks übernommen hatte, ist aber bedauerlich, weil das ZVAB vom Service her viel besser ist. Bei Abebooks ist es beispielsweise ein Desaster, die Rechnungen zusammenzuführen mit dem Versand. Vielleicht hilft diese Entwicklung aber auch, den Nischen wie antiquariat.de mehr Zulauf zu verschaffen. Die Frage ist jetzt, wie die Integration abläuft: Wie stark wird sich Amazon einbringen? Geht das ZVAB unter?
Thomas Haufe, Antiquariat Haufe + Lutz, Karlsruhe:
Wir sind bei beiden Platformen, aber Abebooks ist denkbar schlechter: Preismodelle, Abwicklung. Dass Amazon jetzt noch stärker wird, kann man bedauern, aber wir können dies nicht verhindern.
Gerhard Gruber, Heilbronn
Die Entwicklung ist zwiespältig. Durch die Übernahme kann sich die Chance ergeben, dass das Angebot von ZVAB aufgepeppt wird – technisch ist das Portal nicht auf dem neuesten Stand. Andererseits ergibt sich eine absolut marktbeherrschende Stellung für Amazon. Abebooks ist oft nicht empfänglich für Kritik.
Foto: © Eva Kröcher, Wikipedia
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