Das mediale Feuerwerk, das Bettina Wulff mit ihrem Buch „Jenseits des Protokolls“ gezündet hat, hinterlässt Spuren in der Verkaufsstatistik. Der bei Riva erschienene Titel positioniert sich in der ersten Woche nach Erscheinen auf dem Spitzenplatz der SPIEGEL-Bestsellerliste.
An der Spitze des Rankings der erfolgreichsten Sachbücher (das am Mittwoch-Nachmittag auf buchreport.de und am kommenden Montag im gedruckten SPIEGEL veröffentlicht wird) hat Wulffs Biografie Rolf Dobellis „Die Kunst des klugen Handelns“ verdrängt.
Überraschend ist die Top-Platzierung für Wulffs Memoiren allerdings nicht, nach einer Woche, in der über kein anderes Buch so viel geschrieben und gesprochen wurde – vom „Focus“-Aufmacher am vergangenen Montag („Die Lady und ihr Ex-Präsident“) bis hin zur Titelgeschichte in der „Bild am Sonntag“ („Das Drama um ihr Buch“). Das Gros der Kritiken fiel dabei negativ aus, was einmal mehr die These belegt, dass der Tenor der Kritiken aus Sicht der Verlage offenbar sekundär ist – Hauptsache, ihre Titel finden grundsätzlich ein mediales Echo:
- „quälend und vertratscht“ („Zeit“)
- „Tagebuch eines Teenies“ („Cicero“)
- komplette „Selbstdemontage“ („Nürnberger Zeitung“)
- „Medieninteresse als Ersatz für die Vernachlässigung zu Haus“ (Spiegel Online)
- Bei Amazon liegen aktuell 880 Kundenkommentare vor, Durchschnitt: 1,5 von 5 Sternen. Kostprobe von „dr. roach“: „Selbstmitleid pur – langweilig, egoistisch und überflüssig!“
Grundsätzlich scheint das Buch eher im stationären Handel Zugkraft zu entfalten. Im Amazon-Ranking der erfolgreichsten Bücher rangiert Wulff aktuell nur auf Platz 26, Tendenz sinkend.
@ Lemster, da haben wir Sie, die Diskussion. Dafür danke ich Ihnen. Und da sind wir am entscheidenenden, wunden Punkt. Wir alle müssen leben, darum der schnelle Euro – und rein mit den Paletten mit dem Massengut. Dass kaum mehr Platz für anderes bleibt, von dem Kunden „mehr“ hätten – so what! Die Kunden wollen es ja nicht anders. Sie sind von den Massenmedien gesteuert. Und die Massenmedien gehen Menschen wie Frau und Herrn Wulff auf den Leim…Mal sehen, wie lange das noch gutgeht. Der Fall B. Wulff könnte diesbezüglich die Wende gewesen sein. Dann hätte die Sache etwas Gutes – und ich könnte verschmerzen, dass dieses Buch trotz allem zehntausendfach verkauft wurde.
@ Herrn Nardelli: armer Buchhandel – von den Beratern gescholten, dass er sich für Qualität einsetzt, statt sich mit dem zu befassen, wovon er leben könnte – von manchen Kunden gescholten, dass er das anbietet, was „das Publikum“ will. Meine Phantasie versagt bei der Vorstellung, dass ein Kunde reinkommt und Bettina Wulff will, und der Buchhändler sagt: nee, ist uns zu blöd, nehmen Sie lieber Tomas Tranströmers Gedichte, da haben Sie mehr von… (womit er vermutlich recht hätte, aber vom Rechthaben konnten bekanntlich nicht mal die Propheten besonders gut leben).
Da zermartere ich mir Tag und Nacht den Kopf darüber, was ein gutes Buch ausmacht, schreibe mir Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Authentizität auf die Fahne, versuche mutig das Besondere und Andere – auch in Optik und Haptik eines Buches. Und dann muss ich sowas lesen: wie erfolgreich ein völlig irrelevantes Buch einer völlig irrelevanten Person ist. Und ich stelle mir die Frage: Wie ist so was möglich? Warum werden darüber massenhaft Titelstorys produziert? Warum gibt es darüber tausendfach mindestens negative Internet-Foren-Beitrage? Und was soll das Schimpfen auf diese Weise, wenn man diese in einer Traumwelt lebende, sich wichtig fühlende Jammer-Tussi vorher durch den Kauf dieses Buches auch noch unterstützt? Ich verstehe das nicht. Totale Hirnverbrennung durch Massenmedien? Im übrigen kein gutes Zeugnis für den Buchhandel, wenn gerade dieses Buch dort besonders gut läuft. Hat man da keinen Blick, keine Zeit oder keine Lust für Besseres? Ich zermartere mir weiter meinen Kopf….