Auf den Märkten für gedruckte Bücher eine Macht, bei digitalen Büchern eher Mittelfeld – in Deutschland entwickelt sich das E-Book zumindest im Vergleich mit Ländern wie Brasilien oder Indien eher schleppend. Der langjährige Büchermacher Ralph Möllers vermisst eine offensive Haltung bei solchen Verlagen, die ihre alten Strukturen bewahren wollen. Dabei seien die Chancen auch auf internationaler Ebene riesig. Möllers selbst ist dort nicht nur mit Büchern, sondern auch als Software-Entwickler unterwegs. Sein virales Marketing-Werkzeug „Book2Look“, ein sogenanntes Biblet, wird auch im Ausland eingesetzt.
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte im Juni, es gebe zahlreiche Probleme auf dem europäischen E-Book-Markt. Welche erkennen Sie?
Das grundlegende Problem besteht im Beharrungsvermögen der Verlage. Hoffentlich bin ich pensioniert, bevor das E-Book richtig wichtig wird. Die großen und mittleren Verlage bestreiten zwar nicht, dass digitale Bücher inzwischen ein Markt sind, behandeln sie aber stiefmütterlich und wollen nicht, dass sich etwas an den Strukturen ändert. Dazu passt das ewige Gejammere, dass die Kosten von E-Books eigentlich genauso hoch sind wie von gedruckten Büchern, was Quatsch ist. Zumindest wenn es eine Printausgabe gibt, kostet die digitale Fassung nur einen Bruchteil.
„Verlage betreiben Verhinderungskalkulationen, mit denen man keine neuen Märkte erschließen kann.“
Manche Verlage legen offenbar ihre Startinvestitionen auf die einzelnen E-Books um.
Das sind Rechnungen, die nur zeigen sollen, dass dieser Markt nicht funktioniert und man sich deshalb zurückhalten kann. Mit solchen Verhinderungskalkulationen kann man keine neuen Märkte erschließen.
Ist der Leidensdruck hierzulande, anders als in den USA, noch zu klein?
Ja sicher, wir haben hier die Preisbindung und einen ganz stabilen Händlermarkt, der kleinteilig bleiben kann. Die Verlage konzentrieren sich deshalb darauf, den stationären Buchhandel zu stützen. Die Zukunft liegt allerdings in einem neuen Mix, in dem das Direktkundengeschäft und das E-Book-Geschäft über Online-Kanäle jenseits des Buchhandels eine große Rolle spielen wird.
Deutschland ist noch der zweitgrößte Buchmarkt der Welt. Künftig könnten aber Nationen wie Indien und Brasilien den Ton angeben, die sich dem digitalen Markt stärker öffnen.
Die Größe an sich ist nicht wichtig. Entscheidend ist, dass die Verlage angesichts dieser aufstrebenden Buch-Nationen ihre Chancen erkennen. Sie können diese angehenden Riesenmärkte ganz wunderbar von hier aus, möglicherweise mit einem Kommunikationspartner vor Ort, bedienen, indem sie ihre Titel selbst ins Englische oder Spanische übersetzen. Es gibt noch ganz viele Probleme, weil die Strukturen auf dem Rechtemarkt noch den alten Markt abbilden, siehe Territorial Rights. Aber grundsätzlich haben die Verlage die Möglichkeit, sehr einfach zentrale Vertriebsstrukturen von Amazon, Google und anderen Anbietern zu nutzen. Diese sind zwar vielleicht monopolistisch, dafür aber international ausgerichtet.
Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?
Wir übersetzen gerade eine E-Book-Reihe ins Englische und werden das testen. Erfahrungen haben wir schon mit Apps gemacht, wenn auch keine guten. Uns fehlte im englischsprachigen Raum ein Kommunikationspartner, der einen Verlag in die richtigen Foren bringt.
Bastei Lübbe hat die eigene Webnovel „Apocalypsis“ in den USA und in Großbritannien herausgebracht. Ein kluger Schritt?
Durchaus, wenn die Serie – und nicht der Verlag – zum Markennamen wird, kann es gelingen, ausländische Märkte in eigener Regie anzusteuern.
Viele Verlage haben sich mit viel zu teuren Apps verhoben. Inzwischen gibt es mit Epub3 gute Möglichkeiten, Bücher anzureichern. Wie wird sich der Wettbewerb der Formate entwickeln?
Bei Book2Look-Publishing, unserem Dienstleistungsgeschäft, setzen wir darauf, vernünftige Reader-Apps auf der Basis von Epub3 zu bekommen, die plattformübergreifend funktionieren. Es wäre fatal, wenn jeder wieder sein eigenes Ding macht wie Apple zuletzt mit dem Format „iBooks Author“. Dies würde zu einem Formatekrieg führen, der desaströs für Verlage ausfiele.
„Fiele der harte Kopierschutz weg, würden auf dem digitalen Buchmarkt eine Reihe von Problemen automatisch gelöst.“
Wie stark kann Epub3 werden, solange Amazon beharrlich am eigenen Mobipocket- bzw. neuerdings am KF8-Standard festhält?
Amazon nimmt zumindest Epub-Dateien an, um sie ins eigene Format umzuwandeln. Bei normalen E-Books ist dies also kein Problem. Das neue Amazon-Format für angereicherte E-Books, „Kindle Format 8“, ist allerdings aus Sicht vieler Verleger schwachsinnig. Wenn das auf dem Niveau bleibt, gibt es tatsächlich Formathindernisse auf dem Markt.
Amazon hält außerdem am harten Kopierschutz fest. Was wäre, wenn DRM fiele?
Dann würde der E-Book-Markt wachsen, die Kunden wären viel positiver gestimmt und auf dem Markt würden eine ganze Menge Probleme gelöst. In zwei Jahren würden die Leute sagen: Wir wissen gar nicht mehr, warum wir so lange an DRM festgehalten haben.
In den USA ist das Wachstum auf dem E-Book-Markt abgeflacht. Überrascht Sie das?
Nein, denn das gigantische hat sich nur zu einem großen Wachstum entwickelt. Die Schicht der Early Adopter ist erreicht worden, und diese Zielgruppe kauft insgesamt mehr Bücher als vor der E-Book-Revolution. Aber hier kommen nicht mehr so viele neue, zahlungskräftige Kunden hinzu, wie das noch vor Jahren der Fall war.
Der Anteil von E-Books am gesamten US-Buchmarkt liegt bei über 25%. Wohin entwickelt sich der Anteil in Deutschland in den kommenden zwei Jahren?
Ich gehe davon aus, dass wir bis 2014 zwischen 15 und 20% landen werden. Die Obstruktionspolitik und die Angst der Verlage werden irgendwann verschwinden. Obwohl ich kein typischer Kunde bin, lese ich schon die Mehrheit der Bücher digital. Das ist analog zur Musik: Es gibt Platten, die man im Regal stehen haben will, und Zeug, das man einfach weghören möchte.
Also eine Entwicklung auf Kosten des Taschenbuchs?
Ganz sicher. Auf dem Massmarket-Bereich wird viel wegbrechen in den kommenden Jahren.
Text und Interview: Daniel Lenz
Zum Glück gibt es mittlerweile ebook-Berlage, die zum Einen den ebook-Sektor bedienen, zusätzlich aber auch rudimentäre Aufaben eines Verlages erfüllen: Sichten und Lektorieren
Zitat: „Amazon hält außerdem am harten Kopierschutz fest.“
Amazon zwingt nicht dazu, DRM tatsächlich zu nutzen. Wenn ich bei Kindle Direct Publishing ein E-Book hochlade, setze ich das Häkchen für die Aktivierung des DRM für jeden Titel bei Bedarf selbst (nur reversibel ist diese Entscheidung leider nicht, jedenfalls nicht via KDP-Formular). Haben Verlage hier tatsächlich weniger Entscheidungsspielraum als die KDP-Autorin, oder kommt es der Branche vielleicht nur gelegen, sich hinter den angeblichen Vorgaben von Amazon zu verstecken?