In über 100 Interviews fragte buchreport 2011 nach Lage und Perspektiven von Verlagen und Buchhandel. Ein Überblick über die markantesten Antworten zu den Themen, die die Branche auch 2012 bewegen.
Michael Lemling, Lehmkuhl:
„E-Books, Paid Content, Multichannel-Strategien und neue Flächenkonzepte stehen ganz oben auf der Agenda des Buchhandels. Ja, wer hat denn da noch Zeit und Sinn, über schöne Bücher, über Buchkunst nachzudenken? Dabei wäre eine Rückbesinnung essenziell. Statt den Nonbooks große Flächen einzuräumen, sollten wir uns auf das konzentrieren, was uns ausmacht.“
Mike Shatzkin, Idea Logical Company:
„Der stationäre Buchhandel befindet sich in einem Teufelskreis. Immer mehr Kunden kaufen ihre Bücher online. Die Geschäfte verlieren Kunden und reduzieren entweder ihr Bücherangebot – wodurch sie weiter an Attraktivität verlieren – oder sie machen gleich zu. Die bisherigen Kunden wandern ebenfalls ins Internet ab und so weiter. Dieser Prozess kann nicht gestoppt, sondern nur noch abgebremst werden.“
Christian Sprang, Börsenverein:
„Im Internet artikuliert sich eine Nutzergruppe lautstark gegen Grundprinzipien des Urheberrechts, die erstaunlich großen Einfluss auf viele Politiker hat. Die Mehrheit sowohl der Gesellschaft als auch der Urheber selbst schweigt, obwohl sie die Kraft hätte, diese Politiker zu einem Umdenken zu bewegen. Die Buchbranche muss im Internet stärker präsent sein.“
Ranga Yogeshwar, Autor und Moderator:
„Wenn wir nichts verändern, werden wir in sieben Jahren fast monopolistische Strukturen im Buchmarkt haben. Amazon, Apple und Google werden einen Großteil der Bücher verteilen und verlegen, die Zahl der Buchhandlungen und Verlage dramatisch einbrechen. Die Vielfalt droht mit der Digitalisierung über Nacht zu verschwinden.“
Uwe Fischer, Buch Fischer:
„Der Verband darf das Sterben der kleineren stationären Buchhandlungen nicht nur bedauernd zur Kenntnis nehmen. Wir haben das Gefühl, dass wir zwar die größte Gruppe im Börsenverein sind, aber längst nicht diejenige, denen der Verband die größte Aufmerksamkeit widmet.“
Ursula Rosengart, Gabal:
„Ich halte es für einen Trugschluss, dass die Leute heutzutage nicht mehr shoppen gehen. Die Klagen haben etwas von einer selbsterfüllenden Prophezeiung: Die Sortimenter, die sich über sinkende Umsätze beschweren, haben nicht selten vorher die Wirtschaftsbuchabteilung verkleinert. Viele Buchhändler verlassen sich zu unkritisch auf marktgängige Belletristik und Nonbooks. Belletristik kann jeder. Ein eigenständiges Profil bekommt eine Buchhandlung durch gut geführte Fachabteilungen.“
Peter S. Fritz, Paul & Peter Fritz AG:
„Irgendwann werden die Leser ersticken an den ganzen Self-publishing-Egotrips. Unter dem Strich gibt es sehr wenige Autoren, die auf eigene Faust erfolgreich sind. Verlage müssen erkennen, dass sie eine unglaubliche Macht haben, wenn sie vereint konsequent agieren. Ohne die Inhalte kann selbst der größte Buchhändler nichts machen.“
Doris Giesemann, Dorling Kindersley:
„Es ist schon merkwürdig, wenn der Buchhandel seine Fläche reduziert, während andere Einzelhandelsbranchen das Thema Buch ausbauen. Ich fürchte, dass im Buchhandel ohne Not etwas weggegeben wird und wir ungewollt die Endkunden dem Buch und dem Stöbern entwöhnen. Bücher muss man entdecken. Ich gehe selten in eine Buchhandlung, um genau ein spezielles Buch haben zu wollen, sondern lasse mich inspirieren.“
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