readfy, kindle unlimited, skoobe, Scribd – immer mehr Anbieter setzen auf Flatrates, Leih- und andere Access-Modelle. Doch ist das Ganze nur ein Trend oder tatsächlich die Zukunft des digitalen Buchhandels? Und lassen sich so nachhaltige Erlösmodelle etablieren?
Was gegen einen Trend im Sinne eines zeitlich begrenzten Phänomens spricht, ist das sich ändernde Nutzerverhalten, insbesondere der jüngeren Generation. Physische Gebrauchsgegenstände wie Tonträger oder Bücher oder auch persönliche Kopien von Dateien zu besitzen wird immer unwichtiger. Entscheidend ist die permanente Verfügbarkeit, der Zugang, was meines Erachtens klar für Access-Modelle spricht.
Von Geschäfts- und Erlösmodellen
Wenn man vom Geschäftsmodell des Zugang-Verschaffens einmal absieht und sich den dahinter liegenden Erlösmodellen zuwendet, wird es schon schwieriger, insbesondere wenn es um Flatrates oder gar vermeintliche Gratis-Modelle geht, die sich nicht über den Verkauf von Inhalten, sondern über Werbung sowie die Vermarktung von Nutzerdaten finanzieren, sodass der Kunde letztlich selbst zum Produkt wird.
Die Gefahr besteht darin, dass solche Unternehmen Inhalte gezielt als »loss leader«, also als Lockmittel einsetzen, um Kunden zu generieren und diese an die eigenen Angebote zu binden. Der traditionelle Buchhandel hat indes keine Möglichkeit das Inhalte-Geschäft zu subventionieren und sich damit auf Wachstums-Steroide zu setzen, da Inhalte nun einmal sein ureigenstes Geschäft sind.
Fakt ist leider, dass wir als Angehörige der so genannten »Content-Industrie« die Einzigen sind, die vom Verkauf von Inhalten leben (müssen). Unternehmen wie Apple oder Amazon können es sich leisten Inhalte querzufinanzieren, da sie vom Verkauf von Hardware (Apple) sowie vom Verkauf von anderen Produkten, Dienstleistungen und nicht zuletzt von Werbung leben (Amazon, facebook, Google).
Die traurige Wahrheit ist, dass die Content-Industrie finanziell ausbluten wird, sollte dies passieren. Zuerst der Buchhandel, dann die Verlage. Dabei bedürfte es für dieses Worst-Case-Szenario noch nicht einmal neuer Erlösmodelle, der Fall der Buchpreisbindung würde schon reichen.
Ein Plädoyer für die Preisbindung – oder Agency-Modelle
Wenn man nur ein Argument für die Preisbindung anführen könnte, dann dieses – zitiert nach Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft?, erschienen bei Hoffmann & Campe, S. 95 ff.:
»Ein »Bot«-Programm in der Amazon-Cloud überwacht den Preis der Bücher, die weltweit verkauft werden, und stellt automatisch sicher, dass Amazon nie unterboten wird. Der Informationsvorsprung bei den Preisen für kleine, lokale Händler besteht nicht mehr. (…)Anders als ein altmodischer Monopolist verfolgt Amazon nicht direkt das Ziel, einen kleinen Buchhändler in den Ruin zu treiben, und auch die Preisdifferenzierung erfolgt nicht aufgrund von böswilligen Absichten. Das alles passiert automatisch und ganz selbstverständlich. (…)In der Technologie wird die extreme Effizienz digitaler Netzwerke wiederholt auf ein bestimmtes Gebiet angewandt, bis die Quellen der Wertschöpfung in den Bilanzen kaum noch auftauchen. Dafür werden wir am Ende völlig von dem Server kontrolliert, der das Programm betreibt (…) was schließlich zur Schrumpfung aller Märkte führen wird.«
Oder anders ausgedrückt: Auch Amazon ist nicht die Ursache, sondern lediglich ein Symptom. Das Problem liegt in der Natur der Netzökonomie, es ist systemimmanent. Wir haben einen »the winner takes it all-Effekt«, was meines Erachtens ganz klar für eine staatliche Regulierung des Marktes spricht – die Buchpreisbindung ist dafür bislang das beste Instrument.
Eine andere Möglichkeit wären die von Amazon vehement bekämpften Agency-Modelle, wie sie Apple seinerzeit versucht hat durchzusetzen. Aber selbst dann bliebe das Problem der Abhängigkeit von wenigen zentralen Plattformen im Netz, welche die Mittler-Funktion zwischen Text-Angebot und Nachfrage regeln werden und Inhalte im Zweifelsfalle querfinanzieren.
Zurück zum Kunden
Ganz gleich, was wir uns heute vorstellen oder wünschen, werden sich am Ende solche Modelle durchsetzen, die für den Kunden am meisten Sinn machen bzw. den größten Nutzen bieten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es ein Nebeneinander unterschiedlicher Angebote gibt, die hinsichtlich Nutzungsumfang und Privatsphäre jeweils ganz spezifische Kundenbedürfnisse befriedigen. Insofern würde ich die These wagen, dass sich zwei parallele Angebotsstrukturen etablieren werden:
- Flatrates und andere Access-Modelle für all jene, die nicht oder nur in geringem Maße dazu bereit sind für Inhalte zu zahlen, dafür jedoch in Kauf nehmen, selbst zum Produkt zu werden. Privatsphäre (Kunden-/Nutzerdaten) und Intimsphäre (d.h. innere Gedanken- und Gefühlswelt, wie sie u.a. im Lese- bzw. Nutzungsverhalten offenbar wir) gibt es hier nicht.
- Klassische Bezahlmodelle für
a) all jene, denen ein erweiterter Nutzungsumfang wichtig ist, sei es, dass »ihre« eBooks auch dezentral auf ihrer eigenen Festplatte statt in der Cloud speichern dürfen oder dass sie Passagen kopieren und zitieren, mithin mit Texten arbeiten dürfen;
b) all jene, denen Privat- und Intimsphäre wichtig sind und die gegen »Fixpreis pro Content« ein weitgehend privates, d.h. unbeobachtetes Lesevergnügen genießen, das nicht ausgewertet und vermarktet wird oder
c) all jene, die ungestört, d.h. ohne Werbe-Dauerbeschallung einfach nur lesen möchten.
Fazit
Wir müssen uns als Branche nicht nur die Frage nach neuen Geschäfts- und Erlösmodellen stellen, sondern diese aktiv entwickeln und vermarkten – sonst tun das andere für uns, die unseren Platz einnehmen.
– – – –
PS: Begriffsklärung
Ich würde statt von Leihmodellen lieber von Lizenzmodellen sprechen, da man ein eBook im eigentlichen Sinne ja weder leihen noch kaufen kann. Ich komme als Kunde ja nicht in den Besitz eine Sachgutes, sondern erwerbe lediglich ein Nutzungsrecht an einem Inhalt, der mir in Form einer Datei zur Verfügung gestellt wird. Im Grunde unterscheiden sich alle »Shop-«, »Verleih-« oder »Flatrate-« Modelle im digitalen Bereich einzig im Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte, deren Basis immer ein Lizenzvertrag ist.
Auch Streaming ist bei eBooks eigentlich ein irreführender Begriff, da die Datengrößen im Vergleich zu Film oder Musik vernachlässigter sind, sodass kein permanenter Datenstrom erzeugt werden muss. Im Grunde handelt es sich um ein reines Online-Lesen. Insofern könnte man auch Sobooks oder die Wikipedia als Streaming-Angebot bezeichnen, da die Text-Dateien eben nicht mehr auf ein Gerät des Nutzer heruntergeladen, sondern lediglich online genutzt werden. (Gleichwohl verstehe ich natürlich die Analogie zu den etablierten Streaming-Modellen im Film- und Musikbereich, was es in Sachen Marketing dann einfacher macht ein Modell zu verkaufen, da der Kunde das Prinzip bereits kennt.)
Volker Oppmann, Verleger von Onkel & Onkel, Mit-Gründer von Textunes. Nach dem Verkauf an Thalia im Sommer 2011 war Oppmann bis März 2013 verantwortlich für den digitalen Bereich innerhalb der Thalia-Gruppe. Gründung des LOG.OS Fördervereins e.V. im Mai 2013.
Kommentar hinterlassen zu "Volker Oppmann: Ebook-Flatrates, Streaming & Co. – Modelle mit Zukunft?"