Das E-Book ist im Gegensatz zum Buch kein komplettes, sondern ein komplexes Produkt. Der Inhalt (Content) in Form des reinen Textes mag zwar der Gleiche sein, das den Text transportierende Produkt folgt in der digitalen Welt jedoch grundlegend anderen Regeln und Gesetzen, auf welche die Buchbranche (noch) nicht eingerichtet ist.
Auch die Rollenverteilung entlang der Wertschöpfungskette gerät zusehends aus den Fugen – zu Lasten der Verlage und des traditionellen Buchhandels. Und nicht zuletzt wird der Leser durch die Nutzung digitaler Angebote selbst zum Urheber – sei es unbewusst durch die Daten, die er durch sein Nutzerverhalten erzeugt, oder bewusst, indem er selbst Inhalte generiert, seien dies nun Anmerkungen, Rezensionen oder Empfehlungen.
Damit werden digitale Ökosysteme zwangsläufig zu gigantischen Bibliotheken, die neben den Texten der Autoren auch das Wissen der Leser in sich aufsaugen und so mehr und mehr Einfluss auf den gesamten Literaturbetrieb gewinnen.
1. Das E-Book ist im Gegensatz zum Buch keine komplettes, sondern ein komplexes Produkt
Ein gedrucktes Buch ist ein Komplett-Produkt, das Inhalt (Content) und Ausstattung in sich vereint und somit ohne weitere Hilfsmittel direkt konsumiert werden kann. Das Nutzererlebnis liegt über die Wahl der Ausstattung allein in der Hand der Verlage (hochwertiges Hardcover versus billiges Taschenbuch), wobei sich der gefühlte Wert eines Buches in erster Linie über seine Materialität bestimmt.
Ein E-Book (ePub) hingegen ist ein reines Container-Format, das aus nichts als dem reinen Inhalt (Content) besteht. Zum Lesen eines E-Books benötigt man ein geeignetes Endgerät sowie eine ausführende eReading-Software, die neben der Textdarstellung gemeinhin noch zwei weitere Grundfunktionen in sich vereint und so zugleich auch als Bibliotheksverwaltung sowie als Shop fungiert.
Alles, was der Kunde an „Ausstattung” eines E-Books wahrnimmt und erwartet (etwa Funktionen, mit denen man Text markieren, Notizen oder Lesezeichen erstellen und verwalten kann), sind nicht etwa Eigenschaften des E-Books, sondern Eigenschaften der ausführenden eReading-Software.
Das Nutzererlebnis bestimmt sich also in erster Linie aus dem Funktionsumfang der jeweiligen Software-Ausstattung, die in der Regel aus zwei Komponenten besteht: einer anwenderseitigen Komponente in Form einer eReading Software (kurz: App) sowie einer serverseitigen Komponente (kurz: Cloud) – das Übergangsstadium vom Online-Versandhandel zum rein digitalen E-Book-Geschäft in Form des Download-Handels durch die Vermittlung von Download-Links ist bereits heute nicht mehr konkurrenzfähig. Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen „Missing Link”.
Und letztlich spielt natürlich auch das Endgerät, auf dem die eReading-Software ausgeführt wird, eine Rolle, wobei der Unterschied im mobilen Bereich eher gradueller Natur ist und man aus einem ganzen Spektrum wählen kann – von deszidierten eReading-Geräten, die in Form von eInk zwar über eine spezielle Bildschirmtechnologie verfügen, ansonsten jedoch nur mit vergleichsweise leistungsschwachen Komponenten ausgestattet sind, bis hin zu “richtigen” Tablets (Kurzform von Tablet-PCs), seien es Mini-Tablets wie iPod touch oder iPhone, oder ihre größeren Verwandten wie iPad & Co.
2. Die klassische Rollenverteilung von Autoren, Verlagen und Handel funktioniert nicht mehr
Die klassische Rollenverteilung sieht wie folgt aus:
- Der Autor produziert Text, ist mithin verantwortlich für den Inhalt.
- Der Verlag produziert auf Grundlage des Textes einen Konsumartikel und gestaltet damit das Nutzungserlebnis (neudeutsch: user experience).
- Der Handel verschafft Zugang zu diesen Konsumartikeln und produziert seinerseits einKauferlebnis, wobei ein maßgeblicher Faktor die Qualität seiner Filterfunktion ist, also die Frage, inwieweit es dem Handel gelingt, seinen Kunden eine in deren Augen (subjektiv wahrgenommene) relevante Auswahl an Inhalten zu präsentieren.
Und schließlich gibt es – von der kommerziellen Vermarktung der Inhalte separiert – noch eine Reihe nach- bzw. nebengelagerter Instanzen wie z.B. die Bibliotheken, die Inhalte sammeln und ihre Bestände zugänglich machen oder wissenschaftliche Institutionen, welche Wissen über Inhalte sammeln und aufarbeiten sowie Studien zur Rezeption von Inhalten erstellen (Rezeptionsforschung).
In der digitalen Welt produziert der Autor zwar auch weiterhin Text, der Verlag hingegen vertreibt allenfalls noch ein halbes Produkt, da einem E-Book in Form von Containerformaten wie ePub, wie bereits oben erwähnt, komplett die Ausstattung fehlt, die nun Teil der ausführenden eReading-Software ist, welche in der Regel durch einen (Online-) Händler wie Amazon (Kindle bzw. Kindle App), Apple (iBooks) oder Kobo angeboten wird.
Die schlechte Nachricht für den Buchhandel: Lokale Anbieter – mit Ausnahme vielleicht der Filialisten wie Thalia, Hugendubel oder Weltbild – sind damit leider komplett aus dem Rennen, da sie E-Books lediglich zum Download anbieten, selbst jedoch nicht über eine eigene eReading-Software, geschweige denn eine serverseitige Infrastruktur verfügen.
Schlimmer noch: Durch den Verkauf (besser gesagt: die Vermittlung) von E-Book-Downloads schicken Händler ihre Kunden im Grunde direkt zur Konkurrenz, da der Kunde mit einer eBook-Datei allein ja nichts anfangen kann. Der Kunde sucht sich also eine entsprechende Software bzw. kauft sich ein Gerät (auf dem die Software breits vorinstalliert ist), in die aber bereits ein eigener Shop eingebaut ist, sodass der Kunde für den Erwerb neuer Inhalte die Applikation nicht mehr verlassen muss – das komplette digitale Angebot ist schließlich nur einen Klick entfernt.
Kunden, die dennoch den mühsamen Weg auf sich nehmen, den Rechner hochzufahren, einen Browser zu öffnen, einen Webshop anzusteuern, sich durch die gesamte Klickstrecke von der Startseite über die Detailseiten bis hin zum Warenkorb und dem finalen Checkout (Bezahlvorgang) zu bewegen, einen Download abzurufen, das E-Book herunterzuladen, das E-Book (manuell) auf ihr Gerät bzw. in die eReading-Software zu übertragen und sich am Ende auch noch bei Adobe für ein umständliches, externes DRM-Verfahren zu registrieren, dürften in Zukunft die klare Ausnahme sein.
Kunden sind wie Wasser. Sie nehmen stets den einfachsten Weg. Und sie kommen nicht wieder. Exodus Kunde = Exitus Handel.
Den Buchhändlern zum Trost: Den Verlagen geht es kaum besser. Das Spiel heißt „cut out the middleman”, wobei nicht nur Amazon durch eigene Verlags-Imprints oder Kindle Direct Publishing (KDP) am Stuhl der Verlage sägt, sondern sich nicht zuletzt durch die fehlende „Ausstattung” der E-Books vielleicht ohnehin die Frage stellt, ob “publishing” zumindest im Bereich der Publikumsverlage eventuell doch nur noch eine reine Funktion, jedoch kein eigenes Gewerbe mehr sein wird (vgl. hierzu das lesenswerte Blog von Mike Shatzkin The Shatzkin Files, Atomization: publishing as a function rather than an industry).
Hier ist die englische Bezeichnung „publishing” in der Tat präziser als das deutsche „Verlagswesen”, da es auf die Funktion eines Verlages verweist, nicht auf die Konvention des „Vorlegens” im Sinne einer Vorfinanzierung.
3. Der Nutzer als Urheber
Die Auswirkungen der Digitalisierung treffen aber auch den Leser, der durch die Nutzung dieser Cloud-basierten E-Book-Angebote selbst zum Urheber wird, sei es unbewusst durch den reinen Umstand, dass er die Software überhaupt nutzt – jede Nutzung generiert schließlich automatisch Nutzerdaten, welche von der Software protokolliert und ausgewertet werden (Nutzerprofile) – oder (hoffentlich) bewusst, indem der Nutzer Textstellen markiert, Anmerkungen, Empfehlungen und Rezensionen verfasst und diese letzten Endes vielleicht sogar mit seinen Freunden bzw. der breiten Öffentlichkeit teilt (Social Reading).
Darin steckt viel Potenzial, wenn man die Technologie für einen guten Zweck nutzt. Allein die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn eine Gruppe von Menschen gemeinsam über einen Text arbeiten kann, sei es nun zum reinen Privatvergnügen z.B. in Form eines „Lesezirkels” (im Sinne von „Circles” = Kreise à la Google+ oder Diaspora), der sich über die neuesten Krimis oder Gartenbücher austauscht, im professionellen Bereich, wenn Autoren gemeinsam mit ihrem Lektor, ihrem Hausverlag sowie ihrem Agenten ein neues Buch vorbereiten, institutionelle Nutzer, beispielweise an Universitäten im Rahmen von Editionsprojekten oder wissenschaftlichen Arbeiten bis hin zu Sekundärliteratur, oder an Schulen, wo Lehrer (oder auch die Schüler selbst) eine Lerngruppe einrichten können, um gemeinsam an der Schullektüre zu arbeiten.
Egal, um welche Art von Gruppe es sich handelt: Ein(e) jede(r) kann die Anmerkungen und Kommentare der anderen einsehen und / oder sich über ein Chat-Protokolle direkt mit den anderen über den Text austauschen. Möchte man einen Text zitieren, wird dieser über die Copy & Paste-Funktion nicht nur in den eigenen Text (z.B. einen Wiki-Eintrag, eine Hausarbeit oder eine Dissertation) eingefügt, sondern zugleich eine Fußnote in korrekter Zitationsweise samt Backlink zum referenzierten Quelltext erzeugt, sodass man (bzw. ein anderer Leser) über das Zitat auch gleich zur zitierten Textquelle springen kann.
Oder aber Sie lassen sich als Leser über die Suchfunktion sämtliche Anmerkungen und / oder markierte Textstellen zu einem speziellen Thema zusammenstellen – seien es ihre eigene Anmerkungen aus ‘zig Jahren Leseerfahrung (die Sie unter Umständen längst vergessen haben und insofern nie wiederfinden würden) oder die Anmerkungen anderer Leser. Nur um einige wenige Möglichkeiten zu nennen.
Kurz gesagt: Wir kommunizieren mit anderen über Bücher also zunehmend durch Bücher, und das wohlgemerkt nicht als Autoren, sondern als Leser!
Neben dem unverkennbaren Potenzial steckt genau hier aber zugleich auch die größte Gefahr, da sämtliche digitale Ökosysteme, die genau das bereits heute (!) leisten können, komlett in der Hand von Internet-Giganten wie Apple oder Amazon liegen, die ihrerseits auf proprietäre, d.h. geschlossene Systeme setzen.
Mit ein wenig Glück kann ich als Kunde zwar meine bei Anbieter X „gekauften” (besser gesagt: lizenzierten) E-Books zu Anbieter Y mitnehmen, aber nur um den Preis, dass ich meine gesamten persönlichen Daten, Anmerkungen, Notizen, etc. pp. bei diesem Anbieter zurücklassen muss. Und je intensiver ich die „Ausstattung” meines präferierten Systems nutze, desto personalisierter wird meine eigene Bibliothek und desto schwerer fällt es mir, mich dem Sog eines solchen Ökosystems zu entziehen – es wird zu einem regelrechten schwarzen Loch, das mit einer größeren Masse an Daten und (befreundeten) Nutzern eine immer größere Anziehungskraft entfaltet und alles in sich hineinsaugt.
Aber selbst wenn ich mir dessen bewusst und den persönlichen Preis dafür zu zahlen bereit bin, kann ich bei Anbietern wie insbesondere Apple und Amazon noch nicht einmal „meine” vermeintlich gekauften E-Books mitnehmen – vergleiche hierzu die aktuelle Studie von Christoph Bläsi und Franz Rothlauf zur Interoperabilität von E-Books, die ganz richtig die Schlussfolgerung zieht, dass Leser in „ihrem” E-Book-Ökosystem eingeschlossen werden. Barrierefreiheit sieht ganz klar anders aus.
Und wenn ich als Nutzer schon meine persönlichen Daten, meine (selbst generierten) Inhalte, meine Informationen und mein Wissen mit der Öffentlichkeit teile, möchte ich auch, dass diese auch tatsächlich der Allgemeinheit zugute kommen und nicht etwa nur auf den Börsenwert eines einzelnen Unternehmen einzahlen, das sich am Ende eventuell noch per AGB die Nutzungsrechte an meinen Inhalten hat einräumen lassen, um meine Daten seinerseits weiterzuvermarkten.
4. Meta-Bibliotheken als Gedächtnis der Menschheit, die neben den Texten der Autoren auch das Wissen der Leser in sich aufsaugen
Allein anhand der oben geschilderten Beispiele wird klar, dass eine auf Cloud– und Social Reading-Technologien basierende digitale Bibliothek weit mehr als die Summe ihrer Teile ist. Ohnehin möchte ich lieber von „Bibliotheken” als von „Shops” sprechen, da eine Etikettierung digitaler Ökosysteme als „Shop” in die Irre führt, indem sie die Aufmerksamkeit auf die reine Bezahl-Funktion lenkt, die aber nicht das Wesentliche ist.
Bereits die herkömmliche Unterscheidung zwischen Shop und Bibliothek ist in der digitalen Welt vollkommen obsolet, da der Unterschied aus Nutzersicht lediglich ein gradueller ist: E-Books sindimmaterielle Güter, die man weder kaufen noch besitzen kann. Der Leser erwirbt lediglich einNutzungsrecht an einem Inhalt, d.h. eine Lizenz, sodass sich der Zugang zu Inhalten lediglich über den Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte unterscheidet (dauerhaftes Nutzungsrecht = gefühlter „Kauf” in einem „Shop” versus zeitlich begrenztes Nutzungsrecht = gefühlte „Leihe” in einer „Bibliothek”).
Wie weiter oben bereits mehrfach angedeutet, erschöpft sich der Einflussbereich der E-Book-Plattformen auch nicht länger nur auf die Funktion, ein Kauferlebnis zu gestalten sowie einen Bezahlvorgang abzuwickeln, sie gestalten über die Ausstattung ihre eReading-Software vielmehr auch ganz maßgeblich die Nutzererfahrung ihrer Kunden.
Hier wird die Software zum klaren Wettbewerbsvorteil bzw. Wettbewerbsnachteil für all jene, die keine oder nur über minder ausgestattete eReading-Software verfügen: Die Inhalte kosten dank Buchpreisbindung nämlich überall das gleiche, nur dass der eine Anbieter – im übertragenen Sinne – ausschließlich hochwertig ausgestatte „Hardcover” im Angebot hat, während der andere Anbieter lediglich über billige Second Hand-Ware (ich sage nur: Download-Vermittlung) in Form von angegrauten Taschenbüchern verfügt.
Wenn also alle die gleichen Inhalte zu den gleichen Preisen haben, bestimmt allein die Qualität der Ausstattung das Angebot und damit die Nachfrage. Vor allem aber sind jene Anbieter weit mehr als nur „Shops” – sie sind gigantische Bibliotheken, die neben den reinen Buchinhalten Kundendaten samt dem Wissen der Nutzer in sich aufsaugen und den Zugang zu all diesen Inhalten kontrollieren – damit kontrollieren sie letzten Endes aber nicht nur das Buch als Wirtschaftsgut, sondern auch das Buch in seiner Form als Kulturgut, da sich ein jeder, der in Zukunft am Literaturbetrieb in digitaler Form teilhaben möchte, zwangsläufig innerhalb eines dieser Ökosystems aufhalten muss.
Man kann aber nicht nur aus Sicht der Nutzer, sondern auch aus der Sicht des Textes völlig zu Recht von „digitalen Ökosystemen” sprechen, da der Text im wahrsten Sinne des Wortes im System „lebt”. Jedes E-Book (ePub) besteht schließlich aus HTML-Code, der durch einen modifizierten Web-Browser in Form einer eReading-Software auf dem Bildschirm des jeweiligen Endgerätes dargestellt wird.
Die E-Books in einer Cloud-basierten digitalen Bibliothek sind jedoch keine isolierten Text-Container mehr, sondern verknüpfte (verlinkte) Dokumente, die in direkter Beziehung zu anderen Dokumenten stehen, um die sich zusätzlich Myriaden von Metadaten und Meta-Texten gruppieren.
Sie müssen sich eine solche Bibliothek wie ein neuronales Netzwerk vorstellen, das nicht nur durch die Bildung neuer Nervenzellen (E-Books) wächst, sondern auch zusätzlich durch eine immer schneller voranschreitende synaptische Verknüpfung = Verlinkung dieser Knotenpunkte, welche die Bibliothek überhaupt erst leistungsfähig, all das in ihr gebündelete Wissen überhaupt erst nutzbar machen.
Damit tangieren solche Bibliotheken letzten Endes auch Bereiche, die in der physischen Welt in der Regel außerhalb des Wirtschaftskreislaufs liegen und – von Marktforschungsinstituten einmal abgesehen – ehedem öffentlichen Institutionen wie insbesondere den Hochschulen vorbehalten waren, indem sie (vgl. oben unter Punkt 2) Wissen über Inhalte sammeln und aufarbeiten sowie indem sie aüßerst detaillierte Rezeptionsstudien erstellen, da die Software stets sehr genau mitprotokolliert, was ich gerade lese und vor allem wie ich es lese.
5. Wir benötigen ein gemeinnütziges (Betriebs-) System für den Literaturbetrieb
Wir erleben in kommunikativer Hinsicht gerade hautnah den Sprung auf eine nächsthöhere Stufe der Evolution. Als mir selbst irgendwann einmal klar geworden ist, was die Digitalisierung für das Buch bedeutet und worauf die Entwicklung hinausläuft, war mir im Grunde auch egal, wer das digitale Rennen gewinnen würde – Apple, Amazon, die Tolino-Allianz oder auch das ambitionierte Startup um die Ecke, da alle miteinander das gleiche Grundproblem haben:
Es sind „normale” Unternehmen in Form von Kapitalgesellschaften, die als solche in erster Linie den Interessen ihrer jeweiligen Eigentümer verpflichtet sein müssen und denen im digitalen Bereich durch die damit einhergehende Verschiebung der Rollen und Funktionen im Literaturbetrieb eine Verantwortung zufällt, von der ich nicht sehe, wie sie diese einlösen sollten.
Eine Lösung für dieses Dilemma sehe ich persönlich nur außerhalb eines am Kapitalmarkt orientierten Unternehmens, weshalb ich mich entschlossen habe, textunes/Thalia zu verlassen, um eine gemeinnützige Organisation aufzubauen, da das Buch in seiner Eigenschaft als Kulturgut meines Erachtens nicht in die Hand einiger weniger Wirtschaftsunternehmen gehört, bei denen man niemals sicher sein kann, welchen Interessen sie tatsächlich verpflichtet sind und wem sie in fünf Jahren gehören.
Zusammenfassung:
- Das E-Book ist im Gegensatz zum Buch kein komplettes, sondern ein komplexes Produkt
- Die klassische Rollenverteilung von Autoren, Verlagen und Handel funktioniert nicht mehr
- Der Nutzer wird im digitalen Bereich selbst zum Urheber
- Meta-Bibliotheken entwicklen sich zum Gedächtnis der Menschheit, da sie neben den Texten der Autoren auch das Wissen der Nutzer in sich aufsaugen
- Fazit: Wir brauchen ein gemeinnütziges System für den Literaturbetrieb
Meine ganz persönliche Schlussfolgerung:
Wir brauchen ein gemeinnütziges System für den Literaturbetrieb, das als übergreifender Marktplatz für Text-Inhalte Wert schöpft, indem es die direkte Interaktion zwischen Privatpersonen, Branchenteilnehmern (wie insbesondere Buchhandlungen und Verlagen) sowie öffentlichen Institutionen (wie insbesondere Universitäten und Bibliotheken) über eine gemeinsame technische Infrastruktur mit einer zentralen, vernetzten Bibliothek ermöglicht.
Als gemeinnützige Institution setzt ein solches System auf Kooperation statt auf Verdrängung und macht die Expertise der einzelnen Interessengruppen rund um das Buch produktiv, indem es den jeweiligen Nutzergruppen die nötigen Werkzeuge in Form von Software (SaaS = Software as a Service) zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe sie die eigene Rolle im Literaturbetrieb noch besser ausfüllen können als zuvor – zur Förderung einer vielfältigen, unabhängigen Schriftkultur.
- Meine Vision: Eine freie Wissensgesellschaft, in der jeder Wissensarbeiter dank eines gemeinnützigen Literatur/betrieb/s/systems zugleich eine verlässliche Grundlage für das eigene wirtschaftliche Auskommen hat.
- Unsere Mission: Der Aufbau einer digitalen Universalbibliothek, die das Wissen in den Dienst der Allgemeinheit stellt und Texte via SaaS universell nutzbar macht.
In einem ersten kleinen Schritt haben wir vor Kurzem – dem demokratischen Grundgedanken folgend – einen Förderverein gegründet, um eine geeignete Basis für die Start-Aktivitäten von LOG.OS zu haben, die in erster Linie aus Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising bestehen.
Unser erstes Etappenziel besteht darin, genügend Kapital einzusammeln, um damit den eigentlichen organisatorischen Kern in Form einer Stiftung errichten zu können, die ihr Stiftungskapital wiederum in eine noch zu gründende, gemeinnützige GmbH investiert.
Die Aufgaben der zu errichtenden LOG.OS Stiftung liegen
- in der dauerhaften Sicherung der Neutralitätder gGmbH als 100%ige Eigentümerin, wozu per Stiftungssatzung ein Verkauf von Anteilen an der gGmbH kategorisch ausgeschlossen wird,
- der Finanzierung der gGmbH durch professionelles Fundraising sowie
- der Funktion als Aufsichts- und Kontrollorgan der gGmbH, um einen satzungsgemäßen operativen Betrieb sicherzustellen, der allein auf das Allgemeinwohl ausgerichtet ist.
Die Aufgaben der zu gründenden LOG.OS gGmbH bestehen
- in der Umsetzung ihres durch die Stiftung formulierten Auftrags,
- im operativen Betrieb der LOG.OS Plattform sowie
- in der kontinuierlichen Innovation, um ihren Kunden = Nutzern maximalen Nutzen zu stiften.
LOG.OS steht sinnbildlich für ein zentrales Betriebssystem (OS = operating system) des (geschriebenen) Wortes (griech. »lógos«).
Es würde mich sehr freuen, wenn sich viele durch die Idee hinter LOG.OS persönlich angesprochen fühlen und den Wunsch verspüren würden, uns zu unterstützen – sei es durch konstruktive Kritik, tatkräftige Mitarbeit oder natürlich durch finanzielle Unterstützung, da wir über die nächsten Jahre einen entsprechend hohen Investitionsbedarf haben.
U.A.w.g. und spread the word!
Volker Oppmann, Gründer von LOG.OS.
Lieber Herr Zenz,
die Bezeichnung als »Betriebssystem« ist in der Tat ein wenig verwirrend und natürlich rein metaphorisch gemeint, den Kern der Idee haben Sie aber trotz meiner saloppen Begriffswahl gut beschrieben.
Es geht in der Tat darum, eine neutrale Infrastruktur ohne kommerzielle Eigeninteressen zur Verfügung zu stellen, gleichwohl sich der Betrieb dieser Infrastruktur natürlich auch wirtschaftlich tragen muss.
Und vielleicht gelingt es uns ja im Laufe der Diskussion noch, einen passenderen Begriff für das Gesamtkonstrukt zu finden, das ja deutlich mehr ist als die Summe seiner einzelnen Teile.
Es ist ein wenig wie das alte Gleichnis mit den drei Blinden, die, vor einem Elefanten stehend, diesen beschreiben sollen: Der am Rüssel interpretiert das Hindernis als Schlange, der am Hinterbein als Baum und der vor dem Bauch als quer über der Straße liegendes Hindernis.
Leider sind wir zur Beschreibung dessen, was wir mit LOG.OS schaffen wollen, auf Begriffe angewiesen, die durch unsere Erfahrung anders belegt sind: Shop, Bibliothek, Marktplatz, Plattform, Infrastruktur, Rechte-Clearing-Plattform, eBook-Plattform, etc. pp.
Die Vision hinter LOG.OS ist all das und eben auch nicht, da die Kombination all dieser einzelnen Aspekte zu einem übergeordneten Ganzen eben etwas Neues ergibt.
In der Hoffnung, nun nicht noch mehr Verwirrung gestiftet zu haben, sende ich
herzliche Grüße,
Ihr
Volker Oppmann
Ich glaube inzwischen schon, es ungefähr verstanden zu haben.
Es geht noch über das hinaus, was ich mir in den letzten Jahren ausgemalt habe, seit ich mich als Leser und Buchgestalter mit dem Thema befasse.
Ein solches System könnte wirklich die Lösung vieler Probleme sein, wäre allerdings ein gewaltiges Projekt mit offenem Ausgang.
Wie soll das alles denn angegangen werden? Bisher erkenne ich nur ein vages Konzept, aber noch nicht, wer wie an ihm arbeitet. Soll das ganze »hinter verschlossenen Türen« ausgearbeitet werden oder in einem offenen Prozess? Sind schon erste, konkrete Schritte unternommen?
»Gewaltiges Projekt« ist wahrscheinlich noch dezent untertrieben 😉 Ich schwanke immer zwischen kurzen Panikattacken (»hast Du Dir wirklich gut überlegt, worauf Du Dich da einlässt ?!«) und einer tiefen inneren Ruhe in der Überzeugung, dass ein solches System nicht nur möglich, sondern auch tatsächlich machbar ist.
Was die Umsetzung anbelangt, so sind wir mit Hilfe unseres frisch gegründeten Fördervereins gerade dabei, die organisatorischen Grundsteine zu legen sowie die bereits existierenden Grundkonzepte auszuformulieren, die wir aber zunächst einmal als Hypothesen ansehen, die es zu erhärten gilt.
Der eigentliche Konzeptions- und Entwicklungsprozess soll offen und transparent gestaltet werden und wir hoffen natürlich, dass wir darüber weitere Köpfe für die gute Sache gewinnen können.
Sobald wir (voraussichtlich in den kommenden Wochen) dann endlich unsere Urkunde über die erfolgte Eintragung zum Vereinsregister sowie unsere Anerkennung als gemeinnützig durch das Finanzamt haben, werden wir mit dem Verein auch an die Öffentlichkeit treten.
Die offizielle Vorstellung / Präsentation unserer Arbeit und unserer Ziele wird auf der Frankfurter Buchmesse stattfinden – die genauen Termine werden wir kommende Woche in unserem Blog auf http://www.log-os.info sowie über facebook veröffentlichen, wo es sowohl eine LOG.OS-Fanseite als auch einen LOG.OS Think Tank-Gruppe gibt, zu der jeder herzlich eingeladen ist!
Na, dann werde ich mich mal bei Facebook umschauen und ansonsten die Buchmesse abwarten.
Kann man sich die bisherigen Grundkonzepte irgendwo ansehen?
Ich wünsche jedenfalls Mut und Glück!
In der facebook Think Tank-Gruppe hatte ich mal ein paar Skizzen hochgeladen – am Besten mal unter „Fotos“ kucken. Ist aber alles noch auf einem sehr abstrakten Level und noch weit von einem Klickdummy entfernt 😉
Mir wird noch nicht ganz deutlich, wie denn die Autoren in diesem Modell finanziert werden sollen.
Lieber Herr Voß,
die Autoren sollen auch in dem neuen Modell finanziert werden wie bisher auch: Indem für den Zugang zu ihren Inhalten bezahlt wird.
Ergänzend ließe sich überlegen, ob man Autoren auch über den Kauf ihrer Inhalte hinaus fördern kann, indem man z.B. eine Mäzenaten-Programm aufsetzt, mit dessen Hilfe ich einzelne Autore und deren Arbeit unterstützen kann ohne einen speziellen Titel kaufen zu müssen.
So könnten Autoren in Zukunft vielleicht nucht nur „Follower“ haben, die über Aktuelles informiert werden, sondern auch „Supporter“, welche die Arbeit des Autors generell unterstützen. Wäre doch einen Versuch wert 😉
Auf das Thema Gemeinnützigkeit bin ich inzwischen hoffentlich in den anderen Kommentaren erhellend eingegangen – falls nicht, kann ich das aber gerne noch nachholen.
Hezrliche Grüße,
Ihr
Volker Oppmann
Ich möchte Spiegelbest widersprechen. Die Ketten des Kommerzes sind nicht leicht zu entfernen, es sei denn man versteht darunter ausschliesslich das kostenlose Verteilen von Büchern, so wie es Spiegelbest selbst macht. Übrigens, sieht man sich die Statistiken auf seiner Verteilerseite an, recht erfolgreich. Dort werden mehr ebooks verschenkt, als im letzten Jahr in Summe in Deutschland verkauft wurden (bezogen auf das 1. Halbjahr). Natürlich hat kein Verlag, Buchhändler oder Autor was davon, es sei denn letzterer glaubt daran, durch gratis verteilen der Bücher berühmter zu werden. Das würde ich, im Einzelfall, nicht mal ausschliessen. Einen Literaturbetrieb, mit zig Tausend neuen Büchern im Jahr, kann man damit kaum aufrecht erhalten. Zu glauben, man kann das mit Spenden machen, ist naiv. Gerade Spiegelbest und seine Kollegen sollten das wissen: wärend die Piraten sich noch Mühe geben, Aufwand betreiben, Zeit und Geld in ihre Seiten stecken, kommen die Nutzer vorbei und greifen nur noch gratis ab, Liege ich da falsch, wenn ich auf Deiner Seite die Diskussion zu einem anderen, bekannten Piratenboard lese, dem das Geld ausgeht, weil die Nutzer aus mangelndem Altruismus nicht nur nicht spenden, sondern nicht einmal ihre Adblocker deaktivieren, damit b***.bz etwas Werbeinnahmen bekommt? Soweit zur „Solidarität“. Geht es nicht eigentich nur um das Gratis-Abgreifen von Sachen? Aber spinnen wir den Gedanken doch mal weiter mit der gemeinnützigen GmbH, als Träger des Kulturbetriebs: So etwas gibt es schon in gewisser Weise: ARD und ZDF werden duch die GEZ (bzw. deren Nachfolger) finanziert – echt gesellschaftlich, zugegeben, nicht ganz freiwillig. Die Tatsache, dass die öffentlich-rechlichen Sender ein übler Sumpf sind, bestreitet ja wohl kaum jemand ernsthaft. Dahin würde auch der Buchbetrieb driften, wenn es so finanziert werden würde. Mein Fazit: entweder freiwillig spendenbasiert (praktisch ohne Finanzierung) oder GEZ 2.0, mafiafinanziert.
Toll ist das bisherige Modell, mit Autor, Verlag und Buchhandel sich nicht, aber die Alternativen können nicht wirklich überzeugen.
Lieber Herr Paulsen,
ich fürchte, dass ich mich in der Beschreibung der gemeinnützigen GmbH missverständlich ausgedrückt habe, da das Schlimmste, was einem solchen Träger passieren kann, die Finanzierung über öffentliche Mittel, ganz gleich ob eine Steuer oder vielleicht sogar eine Art „Rundfunkgebühren für Bücher“ wäre – da bin ich völlig bei Ihnen! Ansonsten würde eine Stiftung allein ja auch völlig ausreichen.
Die gGmbH möchte ich zusätzlich gründen, eben WEIL wir einen Realistäts-Check am, respektive das Feedback durch den Markt brauchen, da wir ohne ein konkurrenzfähiges Produkt keine Kunden = Nutzer gewinnen könnten, womit das ganze Konstrukt hinfällig wäre. Gesellschaftliche Relevanz geht m.E. einher mit der nötigen Reichweite, die man nur durch tatsächliche NUTZER erreichen kann.
Außerdem soll die gGmbH durchaus profitabel wirtschaften, was sie letztlich ja auch muss, da jede Organisation, die dies nicht tut, ganz reale Werte vernichtet, nicht zuletzt gesellschaftliche Werte, da jede Institiution gleichzeitig auch ein Organ der Gesellschaft ist und eine spezifische Funktion erfüllt (die Definition habe ich übrigens von Peter F. Drucker geklaut, der auch einige sehr kluge Dinge zu den Themen „Gewinnerfordernis“ und „Management von NPO’s“ anstellt).
LOG.OS soll für die beteiligten Urheber und Verwerter ein Marktplatz sein und wird an jeder kostenpflichtigen Transaktion einen Anteil mitverdienen, d.h. die Gesellschaft wird durchaus Einnahmen aus operativem Geschäft generieren.
Erwirtschaftete Überschüsse werden in den Ausbau und die Verbesserung der Plattform reinvestiert bzw. fließen in die Rücklage der übergeordneten Stiftung.
Gemeinnützig sind die ZIELE der Plattform, also z.B. ihren Nutzern (B-2-C ebenso wie B-2-B) eine demokratische Beteiligung an den Prozessen von Wissensgenerierung, Sammlung und Nutzung zu gewährleisten und damit eine offene Wissen- und Informationsgesellschaft zu fördern.
Oder die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung auf den verschiedensten Gebieten, anbieten würden sich hier eine ganze Reihe, angefangen von den Literatur- und Sprachwissenschaften, den Kommunikationswissenschaften, Kulturwissenschaften, den Bibliotheks- und Informationswissenschaften über Wissens-management, Cultural Engineering, Interaction Design, Interface Design, Informationsarchitektur und Informationsdesign, Marketing, Management- und Organisationslehre und Informatik bis hin zu Volkswirtschaft, Demokratie, Datenschutz und Urheberrecht, da sämtliche
Bereiche in einer auf digitalisierten Inhalten basierenden Wissens- und Informationsgesellschaft untrennbar miteinander verbunden sind.
Gleichwohl setzen sowohl der Aufbau als auch der weitere Ausbau einer solchen Plattform natürlich entsprechendes Kapital voraus, das wir uns, wenn wir unabhängig bleiben wollen, nicht in der üblichen Form – z.B. durch den Verkauf von Unternehmensanteilen – am Kapitalmarkt beschaffen können.
Hier muss es ein professionelles Fundraising geben, das die gesamte Klaviatur von Crowdfunding-Projekten, über Spenden, Sponsoring und Mäzenatentum bis hin zu öffentlichen Fördermitteln bespielt.
Hallo Herr Paulsen,
ich glaube, dass das ganze Piraterie-Thema überschätzt und künstlich hochgekocht wird. Und ich würde auch nicht unbedingt jede Zahl glauben, die von Piraten oder Piratenjägern genannt wird.
Natürlich gibt es dieses Problem, so wie es auch Versicherungsbetrug gibt. Das lässt sich nie ganz vermeiden, ist in der Regel eingepreist und wird strafrechtlich verfolgt. Die meisten meiner Kunden sind jedenfalls „gute“ Kunden, die bereit sind für gute Information und eine komfortable Software zu bezahlen. Wer DRM einsetzt, weil er seine Kunden für potentielle Gesetzesbrecher hält, der wird keinen wirklich guten Service bieten können und läuft Gefahr seine ehrlichen Kunden zu enttäuschen. Eine Versicherung, die ihr Geschäft nur erfolgreich betreiben könnte, wenn es keine Betrüger gäbe, würde wohl kaum gut kalkulieren.
Es gibt Menschen, die bestellen sich bei Zalando ein Kleid, tragen es am Samstag auf einer Party und retournieren es am Montag. Vielleicht redet sich die eine oder andere ein, dass sie es aus politischen Gründen tut, um dagegen zu protestieren, wie Zalando seine Mitarbeiter behandelt. Aber das ist nur Augenwischerei, denn in Wirklichkeit ist es Betrug. Ähnliche Pseudoargumente („Befreiung der Texte“) hört man manchmal von Piraten.
Bevor ich schon die Lösung (»Gemeinnütziges System«) nachvollziehen kann, würde ich zunächst gerne noch etwas genauer das Problem („Die klassische Rollenverteilung funktioniert nicht mehr«) verdauen und analysieren.
Alleine über die völlig zutreffende Feststellung von Volker, daß sich hier doch substanzielle Funktionsverschiebungen manifestieren, finde ich sehr beachtlich.
Was bedeutet es eigentlich, wenn das Buch erst im Reader bzw. der App fertig wird?
Die Abhängigkeit vom Reader-Ökosystem im Ebook ist für die Verlage doch dramatisch. Wenn sich hier zwei oder drei Player als einzige etablieren, geht es nicht nur um die Vermarktung, sondern um die Existenz von Texten.
Wenn Ebooks nicht über die vorgesehen Kanäle in die Lesegeräte eingespeist werden, mögen sie als Dateien noch irgendwo liegen, werden aber nicht mehr wahrgenommen werden können.
Was heißt das eigentlich?
Diese wohlüberlegte Analyse teile ich weitestgehend, aber die Konsequenz, die sich für Herrn Oppmann daraus ergibt, erscheint mir nicht schlüssig.
Die Analyse zeigt, dass Verlage ohne eigenes „Betriebssystem“ (damit ist im Kern eine moderne browserbasierte Reader-Software gemeint, die auf möglichst vielen Geräten läuft) in immer größere Abhängigkeit von großen Playern geraten werden, die über solche Betriebssysteme und oft sogar über eigene Hardware verfügen. Ein zunehmend großer Teil der Wertschöpfung (z.B. der user generated content) wird auf diesen Plattformen stattfinden, während den Verlagen droht, in die Rolle einer verlängerten Werkbank gedrängt zu werden.
Zusätzlich zu den von Ihnen aufgeführten Gründen gibt es weitere Argumente für ein eigenes Betriebssystem. Denn bei der Vermarktung ihrer Produkte über die großen Plattformen verlieren die Verlage den Zugang zu ihren Kunden. Sie wissen nicht mehr, wer ihre Produkte eigentlich kauft und können deshalb kein gezieltes Cross-Selling oder Up-Selling betreiben. Die Verlage erhalten weniger Reklamationen, weniger Lob und insgesamt wird die Kommunikation mit den Kunden stark eingeschränkt. Das ist äußerst hinderlich bei der Neuentwicklung von Inhalten und beim Pricing. Bei der Entwicklung von Funktionalitäten zur besseren Erschließung und Nutzung ihrer Inhalte sind die Verlage zudem festgelegt auf die Möglichkeiten, die die jeweiligen Plattformen erlauben. Innovationen, die das eigene Angebot von dem der Mitbewerber abheben, sind unter solchen Voraussetzungen nur schwer möglich.
Als einziges Argument der Plattformen bleibt deren Versprechen, leichten Marktzugang zu verschaffen und den Verlagen das Verkaufsproblem abzunehmen. Denn der Gewinn bringende Verkauf von digitalen Produkten ist nach wie vor schwierig. Doch dieses Versprechen, das Verkaufsproblem zu lösen, hat einen hohen Preis – den Verlust des Zugangs zum Kunden.
Herrn Oppmanns Analyse erscheint mir stimmig: Verlage benötigen ein eigenes Betriebssystem. Wovon ich nicht überzeugt bin, ist der Schluss, dass ein solches Betriebssystem in Form eines öffentlichen und gemeinnützigen Projektes entwickelt werden kann. Denn dafür sind die Interessen und Märkte zu unterschiedlich. Nehmen wir nur meinen kleinen Fachverlag, der Lösungen für das browserbasierte Lesen, Lernen und Zusammenarbeiten entwickelt. Dafür benötigen wir ein stark modularisiertes Betriebssystem, dessen Komponenten leicht rekombiniert werden können. Der Wert dieses Betriebssystems, das wir seit 2011 entwickeln, ist für uns mindestens genauso hoch wie der Wert unseres Contents. Gerade als kleiner Verlag können wir uns damit unterscheidbar machen.
Da andere Verlage bereits eigene Betriebssysteme haben oder ganz unterschiedliche Anforderungen an ein solches Betriebssystem stellen, wird es nach meiner Einschätzung schwierig werden, dieses Projekt gemeinnützig aufzusetzen, gleichzeitig in Grenzen zu halten und genügend Unterstützung zu mobilisieren.
Trotzdem habe ich viel Sympathie für diese Initiative, die ein oft verkanntes Kernproblem des digitalen Publizierens angeht, und wünsche ihr Erfolg: die Zukunft wird spannend bleiben!
Lieber Herr Wrede,
vielen Dank für diesen wichtige Hinweis – ich hatte im Eifer des Gefechts völlig vergessen, die Grundprämissen meiner Analyse präzise zu benennen und stimme mit Ihnen überein, dass sich das skizzierte Modell nicht pauschal auf alle Verlage anwenden lässt.
Mein Beitrag bezieht sich in erster Linie auf die Publikumsverlage, die natürlich eine völlig andere Klientel bedienen als beispielsweise die Fachverlage.
Welches Modell sich auf welchen Verlag anwenden lässt, hängt m.E. in erster Linie von der Kundengruppe ab, die man anspricht und dem Nutzen, den man seinen Kunden bietet.
Verlage, die eine klar deifinierte Kundengruppe bedienen, wie z.B. juristische Fachverlage à la C.H. Beck tun selbstverständlich gut daran, ihre Zielgruppe direkt zu bedienen, was Beck über ihre Datenbanken für Juristen ja bereits tut.
Oder aber Online-Wörterbücher wie PONS.eu – die Kollegen wären verrückt, wenn sie ihre starke Marke nicht über eine eigene Angebotspalette spielen würden.
Und letztlich stellt sich natürlich auch die Frage, welches „Transportmittel“ für meine spezifische Form von Content am besten taugt.
M.E. kann man das Feld ganz grob in 4 Bereiche teilen:
(1.) reine broserbasierte Online-Angebote wie etwa PONS.eu
(2.) Online-Angebote, die zusätzlich mit einer clientseitigen Anwendung kommunizieren, also App + Cloud-Service für spezielle Inhalte / Zeilgruppen, etwa Angebote, die sich dezidiert an Schüler richten
(3.) Einzel-Apps mit einer klar definierten Anwednung z.B. im Kinderbuchbereich sowie
(4.) Container-Formate für den Massenmarkt
Mit LOG.OS denke ich in erster Linie in Richtung Variante (4), wo es keine klar definierte Zielgruppe gibt, die Verlage selbst keine Marken sind (es sei denn für Buchhändler) und es Wahnsinn wäre, wenn jeder Verlag parallel die gleiche Technik entwickeln würde, was m.E. auch am Kundeninteresse vorbei ginge, da ich als Roman-Leser nicht die Angebotsplattform von Rowohlt zu Lübbe zu Ullstein zu Heyne wechseln möchte – zumindest ich möchte meine Roman-Inhalte in einer Umgebung versammelt haben und auch nicht jedes Mal überlegen müssen, woher ich jetzt einen neuen Krimi bekomme, der mich interessiern könnte.
Hier käme LOG.OS zum Zuge, wo sämtliche Inhalte unabhängig ihrer Herkunft (von den Publikumsverlagen) verfügbar sind – und wo Verlage auch selbst teilnehmen, eigene Channels bespielen und selbst die Kundenbeziehung halten können.
Ob der Kunde dann aber über die Empfehlung des Verlags, seines Autors, eines ebenfalls auf der Plattform vertretenen Buchhändlers oder aber dem Tipp eines Bekannten folgt und letztlich über diesen kauft, weiß allein der Kunde.
Nichtsdestptrotz bewegen sich alle Teilnehmer auf einem großen, gemeinsamen Marktplatz, den jeder für seine eigenen Marketingaktivitäten nutzen kann – und sei es, dass die Verlage die angeschlossenen Buchhändler direkt über die Plattform mit digitalen Vorschauen und Lese-Exemplaren bemustern (sowie eine direkte Auswertung über die conversion rates abrufen können).
Ich hoffe, dass damit ein wenig klarer wird, in welche Richtung ich denke und werde die Gedanken in meinem nächsten Beitrag gerne noch vertriefen bzw. konkretisieren.
Herzliche Grüße,
Ihr
Volker Oppmann
Lieber Herr Oppmann,
Sie haben natürlich recht damit, dass Belletristik ganz anders funktioniert als der Fachinformationsmarkt. Trotzdem bin ich nicht davon überzeugt, dass die großen Belletristik-Verlage Ihre Vermutung unterschreiben würden, dass sie als Marke für das Publikum nicht relevant sind.
Hier möchte ich auf zwei Aspekte eingehen: auf Ihre Frage nach dem „Transportmittel“ für den Content und noch einmal auf die Frage der Vermarktung – ich glaube nämlich, dass beides nicht voneinander getrennt werden sollte.
Mein Verlag hat in den letzten drei Jahren folgende „Transportmittel“ angeboten:
1. Bücher als native Apps zu festen Preisen (wesentlich günstiger als die Printversion) oder kostenlos als Leseprobe mit der Möglichkeit die Vollversion in-App zu kaufen.
2. Installierbare E-Book-Sammlungen als Client-Server-Lösung.
3. Digitale Bibliotheken, die ohne Installation auf USB-Stick laufen.
4. E-Book-Sammlungen als Web-Anwendung bzw. als Web-App auf Tablets.
Außer Variante 1. werden alle Produkte direkt verkauft. Das wirtschaftlich beste Ergebnis erzielen wir mit Variante 4. Das war vor drei Jahren noch anders, da lief der Stick besser. Aber seitdem hat sich der Markt massiv gedreht. Reine Web-Anwendungen haben mittlerweile eine hohe Akzeptanz. Der Verkauf von Apps oder E-Books über die großen Plattformen spielt bei uns wirtschaftlich keine Rolle.
Meine Kostenrechnung zeigt mir, dass wir wesentlich höhere Produktpreise realisieren können und bessere Ergebnisse erzielen, wenn wir direkt an unsere Zielgruppen verkaufen. Die Verkaufsergebnisse bestätigen auch die altbekannte Regel, dass jeder Klick, den der Kunde machen muss, Umsatz kostet. Kunden installieren nicht gerne, registrieren sich nicht gerne und verlieren allgemein schnell ihr Interesse, wenn der Kaufprozess nicht ganz kurz, ganz einfach und ganz transparent ist.
Diese Erfahrungen zeigen mir jeden Tag, wie begrenzt der Wert unseres Contents und der Wert unserer technischen Lösungen in einem konkurrenzstarken Umfeld wie dem Internet sind. Tendenziell neige ich leider dazu diese Werte zu überschätzen, weil die Megaerfolge, von denen ich in der Presse lese, naturgemäß meine Vorstellung bestimmen.
Die Aura dieser Megaerfolge scheint zu sagen „Build it and they will come“. Dieses Motto aus den Anfangszeiten von Yahoo besagt, dass großer Erfolg sich einstellen wird, wenn man nur etwas außergewöhnlich Gutes anbietet.
Etwas außergewöhnlich Gutes zu machen ist aber sehr schwer. Jedenfalls gilt für meinen Verlag, dass wir unser Geld hauptsächlich mit etwas immer nur ziemlich Gutem verdienen müssen.
Wie macht man etwas außergewöhnlich Gutes in dem Markt, den Sie beschreiben, „wo es keine klar definierte Zielgruppe gibt, die Verlage selbst keine Marken sind …“. Müssten da nicht die Verlage mit allen Mitteln versuchen, ihre Zielgruppen besser zu definieren, ihre Software einzigartiger zu machen und sich als Marken besser zu präsentieren? Denn genau das ist ja ein wichtiger Wettbewerbsvorteil von Amazon, Google und Apple. Oder anders herum: wenn Log.OS die alternative Plattform für die Verlage wird, müsste dann nicht Log.OS viel mehr bieten als einen Container für den Massenmarkt? Müsste nicht Log.OS dann auch die Zielgruppen analysieren und zu der Marke werden, die ein Verlag nicht sein kann? Wäre das nicht die Voraussetzung dafür, dass Log.OS der Marktplatz wird, den jeder kennt und aufsucht?
Kann ein gemeinnütziges Projekt mit überwiegend kommerziell orientierten Stakeholdern, die dazu noch untereinander im Wettbewerb stehen, das tatsächlich leisten?
Ich glaube, das eigentliche Problem ist nicht mit einer technischen Lösung zu beheben, weil es im Kern ein verkäuferisches Problem ist.
Lieber Herr Wrede,
vielen Dank für den spannenden Einblick in Ihr eBook-Geschäft und das Teilen Ihrer Erfahrungen, insbesondere was die Akzeptanz von Web-Apps anbelangt.
Ihren Schlussfolgerungen stimme ich vollkommen zu – sowohl hinsichtlich der Verlage als auch hinsichtlich der Aufstellung von LOG.OS.
Aber gerade Ihre Beispiele von Amazon, Apple und Google bestärken mich in dem Gedanken, dass es eine starke Marke + Plattform im Netz geben muss, die als Synonym für das Buch stehen muss, da sich ansonsten die Aufmerksamkeit zersplittert, was wiederum nur mehr Kunden in die Arme der genannten Beispiele treibt.
Wikipedia ist ein gutes Besipiel für eine nichtkommerzielle Seite, die aber dennoch immer unter den von Wirtschaftsgiganten dominierten TOP 10 der Besucherstatistik rangiert.
Im Gegensatz zur Wikipedia wird LOG.OS aber durchaus am Markt teilnehmen, wobei ich als Stakeholder in erster Linie die Endverbraucher, also die Leser sehe – nur wenn wir auch tatsächliche Nutzer finden, was lediglich durch ein wettbewerbsfähiges Produkt gelingen kann, werden wir auch Reichweite und damit gesellschaftliche Relevanz gewinnen können.
Und ganz klar: Der Service muss deutlich mehr bieten als „Container für den Massenmarkt“ – ich werde in einem gesonderten Blog-Post gerne einmal verdeutlichen, was ich mir unter einer „vernetzten Bibliothek“ vorstelle und wie die Plattform von der Struktur her aussehen soll, damit man sich neben der zugegebenermaßen recht abstrakten Vorstellung einmal ein konkretes Bild machen kann.
Die von Ihnen angesprochenen Zielgruppenanalsysen und weitere Markt.- bzw. Marketingdaten können dabei durchaus etwas sein, was es für die Verlage attraktiv macht, daran teilzunehmen. Im Übrigen will ich die Verlage und ihre eigenen Angebote ja auch nicht überflüssig machen, sondern sinnvoll ergänzen, u.a. über Schnittstellen zwischen den Systemen, sodass Leser sich beispielsweise auf der Website eines Verlags aufhalten und dort auch kaufen, in der Nutzung ihrer Inhalte – insebsondere, was Kommentar- und andere Kommunikationsfunktionen anbelangt – aber gleichzeitig auf die LOG.OS-Plattform sowie den Rest der Buch-Community zugreifen können. Das DISQUS-Plugin, über das wir diese Diskussion führen, könnte hier beispielweise als Vorbild dienen. Wir diskutieren zum Einen dezentral auf dem buchreport-Blog und gleichzeitig zentral über die DISQUS-Plattform, die uns auch informiert, wenn jemand auf unseren Beitrag reagiert hat.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist das von Shopware vorgestellte Shopsystem bepado (be part of it), das gleichzeitig ein Business-Netzwerk ist, wo sich dezentrale Betreiber über ein SDK zu einem größeren Verbund zusammenschließen können:
http://www.excitingcommerce.de/2013/06/bepado.html
Und letztlich sind wir dann auch wieder sehr schnell beim Thema Metadatenbank, das wir
m.E. noch viel weiter denken und v.a. als EINEN Teil eines größeren
ganzen begreifen müssen, da eine Datenbank ohne einen performanten Shop
(besser noch: ein Netzwerk von Shops) komplett für die Katz sowie insbesondere im digitalen Bereich nicht viel hilft,
wenn die entsprechende Reader-Software samt angeschlossenem Conten
Distribution Server fehlt, was mich in meinen Überlegungen immer hin zu
einem übergreifenden Ökosystem für den Literaturbetrieb führt.
Alleine die Vorstellung welches Potenzial wir mit einer offenene Datenbank hätten, an der jeder Shop, Händler, Verlag oder auch Endkunde (geregelt z.B. über verschiedene Freigabestufen oder Info-Felder, die man bearbeiten oder eben nicht bearbeiten darf) mitarbeiten und im Gegenzug den gesamten Datenbestand nutzen darf, ist gigantisch.
Letztendlich sind all die technischen Mittel, die es dazu benötigt, aber genau das: Mittel zum Zweck. Die Technik allein kann niemals die Lösung sein. Die Lösung entspringt aus den zugrunde liegenden Konzepten sowie den einzlnen Beteiligten.
Einen Punkt verstehe ich nicht ganz: “ … Die Analyse zeigt, dass Verlage ohne eigenes „Betriebssystem“ (damit ist
im Kern eine moderne browserbasierte Reader-Software gemeint, die auf
möglichst vielen Geräten läuft) in immer größere Abhängigkeit von großen
Playern geraten werden, …“ Es gibt doch die Formate epub oder pdf, die eine Art Standard darstellen. Die laufen so ziehmlich auf jedem Gerät. Was ist da mit Abhängigkeit zur größen Playern gemeint. Rein technisch (vom DRM Ärger mal abgesehen) gibt es da keine Abhängigkeiten, oder?
Das Problem ist, dass die Formate ePub und PDF zwar offen sind und von jeder Reader-Software gelesen werden können, nur dass diese auch gleichzeitig einen Shop eingebaut hat.
Hat sich der Kunde also erst einmal für einen dieser Shops entschieden, wird er dort auch weiter kaufen – er geht also nicht mehr in einen Web-Shop (z.B. eines Verlages oder eines Buchhändlers), um dort einen Download zu kaufen, er kauft gleich in seiner eReading-Applikation, d.h. in der Regel bei Amazon (kindle) oder Apple (iBooks).
Theoretisch könnte der Kunde also auch wonanders kaufen, nur praktisch tut er es nicht, da dieser Weg nicht „convenient“ genug ist.
Fragen Sie doch mal Spiegelbest! Der „vertreibt“ im Jahr vermutlich mehr Bücher als ALLE Shops in Summe. Das von Ihnen beschrieben Shop-Problem, d.h. die Abgrenzung bzw. Kleinstaaterei der Betreiber, treibt die Leser zu illegalen Angeboten, genau wie DRM. Man darf sich daher nicht wundern, dass über die Plattform von Spiegelbest im Monat mehr als 1 Mio. Bestseller (u.a.) verteilt werden (so habe ich es zumindest auf seiner Plattform gelesen). Stimmte das, so besorgt sich die Mehrheit der eBook Leser die Bücher nicht in einem Shop, sondern spielt die via Download auf Piratenseiten (da gibt es in Deutschland offenbar mehrere) oder per Tausch-Stick von Freunden ein, Das würde auch erklären, warum in Deutschland die eBook Käufe so marginal sind. Mir scheint jedoch, dass nur wenige (von Spiegelbest, einigen Piratenjägern und ein paar Autoren abgesehen) von diesem Phänomen Notiz nehmen. Ehrlich gesagt rate ich mir bekannten Autoren ab, von ihren Büchern eBooks machen zu lassen, denn es bringt ja nichts – es sei dann, man steht auf Verschenken. Es stellt sich doch so dar, dass eBooks eher etwas für Self-Publisher mit 99ct Preisen ist.
Mit Spiegelbest bin ich in der Tat bereits im Gespräch, der meinen Beitrag auch in seinem Blog cross-gepostet hat.
Es gibt dort auch eine rege Diskussion, die mich auch durchaus optimistisch stimmt, da ganz offensichtlich eine Zahlungsbereitschaft vorhanden ist – sofern die Angebote als fair empfunden werden.
Insbesondere stehen Pricing und Umfang der Nutzungsrechte in keinerlei Verhältnis, sofern man bei den meisten herkömmlichen Angeboten überhaupt von Nutzung sprechen kann – oft müsste es mehr „Zumutung“ heißen, nicht zuletzt was das DRM anbelangt.
Hierzu übrigens ein sehr lesenswerter Blog-Beitrag von Luise Schitteck:
http://www.e-luise.de
Wo wir neben der tatsächlichen Nutzbarmachung unserer Inhalte auch Nachholbedarf haben, ist hinsichtlich der Aufklärung:
So ist einem über die Materialität eines Buches sozialisiertem Käufer natürlich nur schwer zu vermitteln, warum er ein immaterielles Gut wie das eBook nicht besitzen und auch nicht weiterverkaufen kann.
Und warum es fast so viel kostet wie sein Print-Pendant, dem doch die teure „Ausstattung“ fehlt.
Lieber Herr Oppmann,
ich sehe die Sache vielleicht aus einer etwas anderen Perspektive. Die Piraterie (z.B. durch Spiegelbest, aber bei weitem nicht nur durch ihn) ist ja auch nur ein Zeichen dessen, dass der eBookmarkt, ganz speziell hier in Deutschland, krank ist. Nichtmal krank, eher eine (schein-)totgeburt. Ich sehe Vieles wie Sie (sicher auch wie Spiegelbest), was absolut nicht in Ordnung ist, drastischer formuliert „Markt-Bullshit“. Das Hauptübel ist in der Tat DRM. Was sich da tut, das ist unbeschreiblich, zumal es den ehrlichen Käufer betrifft und nicht denjenigen, der sich an den illegalen Gratisangeboten bedient. Die Anstrengungen, ein legal erworbeners eBook aus der Amazon-Welt, auf einen Tablet PC eines Wettbewerbers zu übertragen, schildere ich hier mal nicht. Das kennen Sie sicher zur Genüge. Die Preise für die eBooks sind ebenfalls jenseits von gut und böse, meistens jedenfalls. Ebenfalls ein Grund, sich bei den Piraten zu bedienen. Dann kommt da noch das Angebot selbst. Wenn man (ich denke ich bin da keine Ausnahme) nicht nur die neuesten Bestseller lesen will, sondern auch Sachen, die älter sind, bleibt einem häufig nur die Raubkopie (das weniger bei Spiegelbest, da haben sich andere drauf spezialisiert). Aus Nutzersicht ist Piraterie ein sehr logisches Phänomen. Die einzige, sinnvolle Lösung (wie in der Musik, ansatzweise bei Filmen) ist eine Bücher-Flatrate. Das von Ihnen diskutierte Modell einer gemeinnützigen Buchproduktion halte ich aber nicht für tragfähig. Eine Buch-GEZ halte ich genauso für unrealistisch, wie ein freiwilliges Crowding. Ersteres ist politisch nicht einmal ansatzweise durchsetzbar, zweiteres dürfte nicht einmal im Ansatz die Mittel einspielen, die man für die heutige Zahl der jährlichen Neuveröffentlichen benötigen würde. Sicher reicht (laut Spiegelbest) das Spendenaufkommen aus, um je ein Exemplar eines Buches zu kaufen und zu verteilen, aber das ist WEIT von dem entfernt, was heute ein selbst mickriger Vorschuss und ein Lektorat/Korrektorat kostet. Das ist das Obzöne am Modell der Piraten – Wissen/Unterhaltung für next to nothing. Durch die Piraten wird dieses Modell sozialisiert und echte Alternativen (wie das z.B. auch bei BR vorgestellte PaperC) haben bei den Konditionen keine wirklichen Chancen. Seiten wie scribd.com (ich war neulich mal drauf) unterscheiden sich von Piratenseiten nur noch dadurch, dass da auch legale Sachen drauf sind, und dass man dort (im Gegensatz zu Spiegelbest) Geld für Premium-Accounts zahlen muss, falls man sich die geklauten Bücher ansehen bzw. downloaden will. Für mich ist das Hehlerei, aber ich bin kein Jurist. Darum sollen sich mal die Verlage oder der Börsenverein kümmern! Ich glaube, dass viele Autoren auf der Strecke bleiben werden, denn allein der Vorschuss für die Bücher sichert vielen von denen ein zumindest einigermassen erträgliches Leben etwas über Hartz IV (nicht immer). Diesen Vorschuss zahlen heute die Verlage und das Geld muss erwirtschaftet werden. Gut, dann kann man sagen, dass LOG.OS das auch machen wird. O.K., welchen Unterschied zwischen LOG.OS und einem Verlag gibt es dann noch? Für mich klingen die Ideen zwar gut, aber ich halte sie nicht für umsetzbar. Ich kann mich täuschen, was mich in diesem Falle sogar freuen würde.
Am Ende sollte das aber der Urheber selbst entscheiden. Es ist sein geistiges Eigentum und er hat das Verfügungsrecht darüber. Das ist der Punkt, wo ich Spiegelbest am vehementesten widersprechen würde, denn den Urhebern die Bücher zu nehmen ist irgendwie ja doch eine Art von Diebstahl, egal wie „edel“ man sich gibt.
Lieber Herr Paulsen,
ich gebe Ihnen vollkommen recht. Allerdings geht es mir nicht darum, die Verlage zu ersetzen, sondern ihnen – ebenso wie den anderen Teilnehmern am Literaturbetrieb – eine funktionale Infrastruktur samt der nötigen (Software-) Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe sie ihre Rolle im Literaturbetrieb noch effektiver ausfüllen können.
Inhalte generieren, redigieren und vermarkten sich ja nicht von selbst – hinter all dem stecken handelnde Menschen in verschiedenen Rollen, die Hand in Hand zusammearbeiten.
Mit den Erlösmodellen muss man sicherlich noch experimentieren, wobei ein Ziel sein sollte, den Endkunden in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren und ihm über „positive Verstärkung“ so zugleich auch eine Antenne für die Wertigkeit von Inhalten anzuerziehen 😉
Und last but not least: letzte Instanz ist immer der Urheber, der ganz allein entscheidet, wie seine Inhalte genutzt werden dürfen und in welcher Form er dafür entlohnt werden möchte.
Zudem obliegt es allein dem Urheber, ob er sich selbst publizieren oder sich lieber aufs Schreiben konzetrieren möchte und einen Agenten, einen Verlag oder einen anderweitugen „Producer“ mit der Verwertung = Vermarktung seiner Inhalte beauftragen möchte.
Oder aber er nutzt die Plattform, um in einer „geheimen Gruppe“ (wir kennen das Prinzip von facebook) gemeinsam mit seinem Lektor, seinem Agenten und seinem Stammverlag an seinem neuen Text zu arbeiten, den er im Anschluss selbst digital vermarktet (oder auch nicht, siehe oben) und die Verwertung aller anderen Rechte seinen professionellen Partner überlässt, die sich um die jeweiligen Teilmärkte von Buch, über Hörbuch bis Film und Gaming Industrie kümmern.
Herzliche Grüße,
Ihr
Volker Oppmann
Hallo Herr Paulsen,
Wikipedia sagt: „(ePub) unterstützt DRM-Mechanismen, definiert aber keine Implementierung, sondern überlässt dies der jeweiligen Lesesoftware. Annotationen wie Notizen, Lesezeichen etc. sind nicht Teil des Standards.“
Es wird meines Erachtens nicht reichen, einfach ein gedrucktes Buch zu digitalisieren. Wenn Leser von diesem neuen Format überzeugt, ja begeistert, werden sollen, dann müssen Möglichkeiten geboten werden, die Print nicht hat. Bei den Fachmedien sind das: Suche, Lesezeichen, Notizen, nahtloses Weiterlesen auf einem anderen Gerät, Integration eines Lexikons, Teilen mit Kollegen und vieles mehr. Das alles muss die browserbasierte Reader-Software leisten.
Wenn man seine Inhalte selbst verkaufen will, um den direkten Zugang zu seinen Kunden zu behalten, dann benötigt man auch eine eigene Lösung. Der Marktzugang, d.h. die Frage, wie erreiche ich meine Zielgruppen und biete denen meine Produkte an, ist ein weiteres Problem. Die großen Plattformen werben mit dem Marktzugang und wenn man akzeptiert, muss man deren Betriebssystem nutzen. Vorteil: man muss kein eigenes machen; Nachteil: man hat kein eigenes.
Hallo Herr,
Das von Ihnen zitierte DRM halte ich für vollständig überholt, selbst die Musikindustrie nutzt es faktisch nicht mehr.Richtig ist, dass die Bücher durchsuchbar sein müssen. Es gibt heute (als Open Source) Parser, die epub verarbeiten können, Im Rahmen des Projektes „Lucene“ (der Suchstandard schlechthin) gibt es einen epub Parser. Es spricht nichts dagegen, den in einen Ebookreader zu implementieren. Es stimmt, jemand müsste das machen, aber das ist ja kaum die Aufgabe eines einzelnen Shops. Gleiches betrifft die anderen genannten Features. Was spricht eigentlich gegen Calibre (ich weiss allerdings nicht, ob die Volltext Suche da jetzt schon implementiert ist)?
Ich denke, dass es sehr bald eine Lösung (kommerziell oder open source) geben wird, die das kann.
Hallo Herr Paulsen,
da haben Sie mich missverstanden: ich lehne DRM grundsätzlich ab, da es die Möglichkeiten der „guten“ Nutzer zu stark einschränkt. Was die anderen Punkte angeht: natürlich gibt es für viele dieser Features fertige Komponenten, die man nutzen und für seine Zwecke anpassen kann. Das ist doch normales Geschäft für jeden, der Software macht. Das Zusammenbauen ist aber nicht unbedingt trivial.
Für den nichttrivialen Teil sollte der Börsenverein mal Geld in die Hand nehmen, statt für Wahnideen wie SiDiM.
http://www.buchreport.de/nachrichten/online/online_nachricht/datum/2013/06/13/piratenfallen-im-text.htm
Nur eine kleine Randnotiz: Ich würde dafür plädieren, DRM und Kopierschutz begrifflich voneinander zu trennen, da Kopierschutz ja nur EIN Aspekt von DRM ist – ein funktionierendes DRM im Sinne eines „Digital Rights Management“ ist schließlich das Herzstück eines jeden Cloud-basierten Angebotes, da es die Zugriffsrechte der Nutzer verwaltet.
Lieber Herr Wrede,
in der Tat habe ich eher die Publikumsverlage als die Fachverlage vor Augen, wo es sich (wie sicherlich auch in anderen Bereichen), für die es sich m.E. eben nicht lohnt jeder für sich das Rad neu zu erfinden, das jeweils das gleiche Grundbedürfnis erfüllt, sagen wir wieder einmal stark verallgemeinernd: Unterhaltungsliteratur zu konsumieren.
Ganz anders sieht die Sache natürlich z.B. bei C.H. Beck mit ihren juristischen Datenbanken oder den Online-Wörterbüchern von pons.eu aus (dazu sollte ich vielleicht noch einen eigenen Beitrag auf dem Blog schreiben).
Aber auch bei den Publikumsverlagen soll es bei LOG.OS nicht darum gehen, sie von ihrer Kundenbeziehung abzuschneiden und in eine neue Abhängigkeit zu führen, sondern ihnen eben diesen Zugang über eine zentrale Plattform zu ermöglichen, sei es durch eigene Verlags-Channels, die sie als separat bespielen (idealerweise gekoppelt mit ihrer eigenen Web-Präsenz) oder durch umfangreiche Marketingdaten, die aufzeigen, wie einzelne Themen, Titel oder Autoren über die Buchhändler-Channels oder Nutzergruppen laufen.
Herzliche Grüße,
Ihr
Volker Oppmann
Toller Text 🙂
Die Idee, ein „Betriebssystem für Wörter“ zu erstellen, spricht mir aus dem Herzen.
Über das Fazit der Gemeinnützigkeit ist vielleicht noch zu diskutieren. Was daran aus meiner Sicht richtig ist: Heute würde es vermutlich keinen Markt mehr für einen Goethe oder Schiller geben. Jedenfalls nicht, wenn diese Menschen jetzt leben und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bloße Papierbücher statt transmedialer Werke verfassen würden (was sie mit Sicherheit nicht täten). Die Frage, wo der *Markt* für kreativ hochwertige Literatur sich hinentwickelt, endet meines Erachtens mit einem bedrohlichen Fragezeichen und harrt der Antwort.
Möglicherweise bereitet Volker gerade eine vor.
Hi Michael,
vielen Dank für Dein Feedback! Mit „gemeinnützig“ meine ich, dass die Institution oder Organisation, die ein solches System betreibt, meines Erachtens kein herkömmliches Unternehmen sein kann, da ansonsten immer ganz massiv Eigeninteressen bzw. die Interessen von Kapitalmarkt, respektive Shareholdern die Gleichung zerhageln.
Es müsste vielmehr eine neutrale Instanz sein, die sich allein an den Interessen der Nutzer (im Sinne natürlicher Personen, ganz gleich ob Autor oder Leser – wir selbst sind ja meist mehreres in einer Person 😉 ausrichtet und verhindet, dass eine Partei die andere allein aufgrund
von Besitzverhältnissen, Marktmacht oder Finanzreserven einverleibt – ich möchte ein Infrastruktur, auf der ein jeder nach den gleichen Regeln spielen kann.
Welche Inhalte eine solche Buch-Community dann produziert und/oder konsumiert, wird sich (an der Stelle bin ich ganz emotionslos) automatisch über den Markt im Sinne von Angebot und Nachfrage regeln, wobei ich davon ausgehe, dass es eine Unzahl unterschiedlichster Gruppen
geben wird, die nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun haben werden, sondern weitgehend unter sich bleiben – vom „einsamen Wolf“ der ohnehin lieber allein liest und sich null für Social Media, Social Reading & Co. interessiert, über „Lesezirkel“ für Liebesromane und Arztschmonzetten bis hin zu eltäreren Zirkeln der Hochliteratur.
Also ein jeder nach seiner Facon, wenngleich auf Basis einer
gemeinsamen Infrastruktur, die jeder Büchermensch nutzt – ob Straßenköter oder Literaturadel.
Im Grunde wäre eine solche Bibliothek also ein riesiges soziales Netzwerk – zum einen für (vernetzte) Bücher und zum anderen für die Büchermenschen drumherum.
Denn ganz gleich, wie man die Gleichung aufstellt oder die
Wertschöpfungskette strickt – es gibt immer 2 Kernelemente: Eine handelnde Person (die sich durch ihre Rolle als Produzent oder Konsument von Text definiert) sowie einen Text (der sich seinerseits über seine Funktion definiert, also ob er in erster Linie der Unterhaltung oder der
Infomation dient, unabhängig davon, ob es es sich um um kleinste Textmengen im Sinne von Metadaten oder hoch elaborierte Werke handelt).
Was du aufbauen willst – scheint mir – ist eine legale Plattform, wo die (niedrigen) Grenzzäune nicht existieren und daher nicht überwunden werden müssen. Im Prinzip wäre es ein legaler Spiegel des jetzigen illegalen Angebotes.
Die Frage bleibt aber bestehen: Warum soll ein Leser auf deiner Plattform ein Buch kaufen, wenn er es anderswo umsonst bekommt?
Es wird nicht reichen, die Form von uns zu übernehmen. Die Verlage müssen ihren Kunden ein so attraktives Angebot machen, dass sie zurückkommen oder nicht abwandern.
Am Ende wird eine Art Flatrate stehen müssen – topaktuell und werbefrei – die so um die € 9,90 kosten wird und/oder in Lesevolumina abgerechnet wird. Nur über die Abrechnung wird sich dieses legale von unserem illegalen Angebot unterscheiden.
Der Aufbau einer neutralen – meinetwegen vernetzten – Plattform ist also nur ein erster formaler Schritt. Die Anerkennung, dass alle Ebooks von Interesse umsonst verfügbar sind, ist ein zweiter Schritt.
Dann aber kommen die schwierigen Fragen: Was ist mit der Buchpreisbindung? Wer bekommt wieviel vom Kuchen ab? Überhaupt: Wie groß wird der Kuchen sein? Was geschieht mit den Papierbüchern bei einer digitalen Leseflatrate? Wird es eine soziale Komponente geben? Und … und … und …
Ich glaube in der Tat, dass in der Vernetzung von Büchern UND Menschen ein großer Mehrwert liegt und es letztlich darum gehen wird, die jeweiligen Inhalte wirklich universell nutzbar zu machen, was u.a. auch eine Ausweitung der Nutzungsrechte in Richtung des Endkunden einschließen muss.
Ein weiterer Faktor wird sein, den Leser in den Wirtschaftskreislauf mit einzubeziehen, wenn man nicht den anderen Weg gehen möchte, seine Kunden zu vermarkten, um die Inhalte finanziert zu bekommen.
Eine Integration des Kunden in den Wirtschaftskreislauf scheint mir insofern der fairste Weg für alle Seiten zu sein, da er nicht zuletzt auf gegenseitiger WERTschätzung beruht.
Und sicherlich wird es auch nicht ein einziges, allein selig machendes Preismodell, sondern eine breite Varianz an Abgeboten geben – von einem zeitlich befristeten und damit günstigem Zugang bis hin zu einem zeitlich unbefristeten und damit teurerem Zugang nebst wie auch immer gestalteten Flatrates.
Ich fass mal zusammen: Das digitale Buch ist Kulturgut und hat der Allgemeinheit zu dienen. Den Buchhandel ersetzt eine frei zugängliche und kostenlose Bibliothek. Die Autoren bekommen Staatsknete.
Das ist – in der Tat – eine radikale Vision. Und bleibt wohl nur unwidersprochen, weil sich niemand die Mühe macht, den vielen Text zu lesen.
Lieber Spiegelbest,
vielen Dank, dass Du Dich durch den kompletten Text gequält hast und es tut mir sehr leid, dass ich es nicht geschafft habe, mein Anliegen kürzer auf den Punkt zu bringen.
Und es tut mir leid, dass ich es offensichtlich auch nicht geschafft habe, meine wesentlichen Punkte deutlich zu machen.
Das Buch ist sowohl meines Erachtens sowohl ein Kulturgut als auch ein Wirtschaftsgut. Meine konkrte Sorge ist, dass das Buch durch große Player à la Amazon & Co. in Zukunft total vereinnahmt und damit auf den Aspekt eines reinen Wirtschaftsguts reduziert wird.
Für mich ist das Buch aber viel mehr als ein Wirtschaftsgut, ein Kulturgut eben, das ich für die Allgemeinheit gerne ERHALTEN möchte.
In meiner imaginierten digitalen Bibliothek stehen Bezahl-Inhalte neben kostenlosen Inhalten – wer den Zugang zu den einzelnen Werken aber letztendlich vermittelt, ist völlig offen – das KANN der Buchhandel sein, er muss es aber nicht.
Ich gehe vielmehr davon aus, dass es der professionelle Buchhänder (professionell in dem Sinne, als dass er damit seinen Lebensunterhalt bestreiten muss) in der digitalen Welt – und auch auf der geplanten Plattform – sehr schwer haben wird, da er dort nämlich in direktem Wettbewerb mit dem „kompetenten Laien“, dem Amateur steht, der als Liebhaber das Ganze als Hobby betreiben kann, aber nicht davon leben muss, weil er einen anderen Brotjob hat.
Wer also letztendlich den Zugang vermittelt – der Buchhändler, der Blogger, oder mein Kumpel um die Ecke (und damit auch die „Vermittlungsprovision“ einstreicht) ist völlig offen.
Ich gehe nicht davon aus, dass wir den Buchhandel komplett retten können, ich möchte ihm aber zumindest eine faire Teilhabe an der digitalen Welt verschaffen, da er aktuell komplett außen vor ist.
Und was die Autoren anbelangt; Die bekommen mitnichten Staatsknete – sie sind darauf angewiesen, dass sie Abnehmer für ihre Inhalte finden, die zudem noch bereit sind, dafür zu bezahlen, in welcher Form auch immer.
Sollte sich aber herausstellen, dass niemand bereit ist, für Inhalte zu bezahlen, wird es über kurz oder lang auch keine Autoren mehr geben, da es sich niemand leisten kann, aus Spaß an der Freude zu arbeiten.
An einem Buch sitzt man mindestens ein paar Monate bis hin zu ein paar Jahren. Vollzeit. Das kostet. Insbesondere, wenn man Miete zahlen, etwas essen und am Ende vielleicht noch eine Familie ernähren muss.
Meine Vision ist eine freie Wissensgesellschaft, in der
jeder Wissensarbeiter dank eines gemeinnützigen
Literatur/betrieb/s/systems zugleich auch eine verlässliche Grundlage für das eigene wirtschaftliche Auskommen hat.
Und ein Wissensarbeiter ist jeder, der mit seinem Wissen Geld verdient, ob Autor, Leser, Blogger, Journalist, Lektor, Verleger, Buchhändler, Akademiker oder Pirat.
Die Ketten des Kommerzes sind mit ein wenig Basiswissen leicht zu entfernen. Jeder Nutzer macht mittlerweile routinemäßig sein – egal bei wem – erworbenes Wirtschaftsgut zum Kulturgut. Ich würde mir in dieser Frage keine allzugroßen Sorgen machen 😉
Die Frage ist doch – den Realitäten mal tief in die Augen geschaut – woher das Geld für die Autoren und deren Dienstleister kommt, wenn das Ebook zum massenhaft verbeiteten ‚Kulturgut‘ geworden ist. Diese Frage stellt sich nicht jetzt (was heißt schon ‚massenhaft‘?), aber sie wird sich stellen. Es ist also besser, sich früh Gedanken zu machen als spät.
Für mich geht es auch nicht um Antworten. Ich bin verblüfft, dass ich auf dieser Plattform sowas wie Anerkennung der Realitäten finde – jetzt mal von den Kommentaren von Manuel Bonik abgesehen 😉
Offenbar entsteht die Bereitschaft, die richtigen Fragen zu stellen. Ich kenne keine fertige Antwort. Aber wir sind – anerkannt, dass es uns gibt – bereit, uns genauso den Fragen zu stellen wie alle anderen.