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Von der Bühne ins Buch

Slammer mit Buchaffinität (v.li.): Mischa Verollet, Andy Strauß und Marc-Uwe Kling (Fotos: Carlsen, Ullstein, Unsichtbar Verlag, Montage: buchreport.de).

Comedy, Kabarett und sonstige Liveformate sorgen weiter für volle Hallen, gute Quoten und hohe DVD-Absätze, zwischen Buchdeckel passt die Wortperformance jedoch nicht, so scheint es zumindest. Den Gegenbeweis haben Verleger und Redakteure angetreten, die aus Poetry-Slammern erfolgreiche Autoren gemacht haben. Das buchreport.magazin März/2014 (hier zu bestellenanalysiert das Genre der Slammer-Bücher.

Im Interview mit buchreport-Autor Gunter Becker schildern die Programmmacher Daniel Oertel (Ullstein), Oliver Domzalski (Carlsen) und Andreas Köglowitz (Unsichtbar Verlag) ihre Erfahrungen. Bei Ullstein gehört der Berliner Poetry-Slammer und zweimalige Deutsche Slam-Meister Marc-Uwe Kling zu den Autoren dieses Genres (von Klings „Känguru-Chroniken“ und dem „Känguru-Manifest“ wurden fast 500.000 Exemplare verkauft). Carlsen hat u.a. Mischa Verollet und Torsten Sträter unter Vertrag; beim Unsichtbar Verlag unterschrieben haben Andy Strauß, NRW-Meister im Poetry Slam, sowie der deutsche Vizemeister Christian Ritter.

Daniel Oertel (Ullstein), Oliver Domzalski (Carlsen) und Andreas Köglowitz (Unsichtbar Verlag, v.li.)

Sind Poetry Slammer ein Glücksfall fürs Verlagsmarketing, weil sie so agil und live präsent sind?
Oliver Domzalski: Solch ein agiler Autor, der mit seinem Namen extrem unterwegs ist, viel auftritt, Büchertische hat, dessen Name genannt wird – so jemand ist ein Segen für uns und besser als jemand, der sich nur auf das Verlagsmarketing verlässt. Das Versprechen „Wir bringen euer Buch in die Presse, den Handel und in den Markt“  können Verlage inzwischen oft gar nicht mehr einlösen.
Köglowitz: Die Poetry Slammer leben von ihrer Bühnenkunst, und es ist ganz normal, dass sie nach ihrem Auftritt auch ihre Bücher verkaufen. Da ist der Slammer dann gleichzeitig Werbeträger und Verkaufsplattform. Er kauft die Bücher stark rabattiert beim Verlag ein und verkauft sie selbst weiter. Das ist Teil des Deals. 

Muss man an einem Poetry Slam-Text viel schrauben, damit er zwischen zwei Buchdeckel passt? 

Daniel Oertel: Wegen des performativen Charakters kommt so mancher Slam-Text auf der Bühne oftmals besser daher als in verschriftlichter Form. Selbst wenn man jemanden auf der Bühne entdeckt, muss man sehen, welche Art von Buch zu ihm passt, ob es ein passendes Thema gibt oder einen erzählerischen Rahmen.
Andreas Köglowitz: Auf der Bühne arbeiten die Autoren mit Gesten, Stimme, wechselnden Geschwindigkeiten – das ist eher eine Theaterinszenierung. Diese Wahrnehmung hat der Leser nicht. Also muss der Slammer das in einen Text transponieren.
Domzalski: Nur die Poetry Slammer, deren Texte auch „stumm“ funktionieren, kommen in Frage. Und es muss ein eigens für das Buch konzipiertes Manuskript sein, nicht der 1:1-Abdruck der beim Slam gelesenen Texte. 
Erschließen Sie mit dem Poetry-Slam-Programm neue Kundenschichten jenseits Ihres etablierten Publikums? 
Oertel: Wir haben damit sicher ein eher jüngeres und studentisches Publikum erschlossen, das selbst zu Slams geht.  Bei Marc-Uwe Kling finde ich es aber bemerkenswert, dass er mit seinen pointierten und herrlich schrägen Dialogen offenbar alle Altersgruppen anspricht. Einerseits ist meine Schwiegermutter ein Riesen-Fan von ihm, andererseits werden an der Grundschule meiner Tochter in einer 2. Klasse ebenfalls Kling-Texte gelesen. 
Domzalski: Das etablierte Carlsen-Publikum gibt es nicht. Zumindest nicht beim Humor. Wir zielen mit jedem Titel auf ein individuelles Publikum, auch auf Leser, die Poetry Slam und die Künstler noch nicht kennen. Die Bücher müssen auch über Titel und Thema sowie traditionelle PR funktionieren. Für reine Poetry-Slam-Bücher mit 1000-er-Auflagen sind wir der falsche Verlag. Wir haben uns aber sicher eine Aufmerksamkeit in den entsprechenden Medien, im Netz und in der Poetry-Slammer-Szene erarbeitet. Andererseits ist die Szene selbst sehr misstrauisch, großen Playern, also uns Verlagen gegenüber. Die nehmen für sich in Anspruch, etwas Originäres entdeckt zu haben, und fürchten den kommerziellen Ausverkauf.

Kommentare

2 Kommentare zu "Von der Bühne ins Buch"

  1. Lisa Lisferatus | 7. März 2014 um 19:13 | Antworten

    Ein sehr verkürzter Beitrag zum Thema Slam Poetry – ist Ihnen während Ihrer Recherche denn nicht der Verlag Voland und Quist untergekommen? Wenn es um Literatur des Spoken Words geht, sollte doch dieser Verlagsname und nicht wie so oft Carlsen oder Ullstein sein, so erfolgreich sie auch sein mögen. Der genannte Verlag legt seinen Fokus nunmehr seit fast zehn Jahren auf Lesebühnenliteratur und Slam Poetry; wäre vielleicht eine Erwähnung wert gewesen. Damit nicht nur „stumme“ Slammer Lesern näher gebracht werden (was im übrigen schade ist, da meiner Meinung nach Beat und Betonung ausschlaggebend bei einem Slammer ist), hat man die Lösung gefunden, ausgewählte Texte auf CD zu pressen, damit der Leser ein Gefühl für das gesprochene Wort bekommt.

    • Liebe Lisa Lisferatus,

      da haben Sie komplett recht! Voland & Quist (und auch Lektora) haben deutlich größere Verdienste um die Verwandlung von Poetry Slam in Bücher als Carlsen.

      Oliver Domzalski

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