Anders als der Buchhandel, der sich in der Offline-Welt durch eine gute Beratung, Auswahl und lokale Vernetzung („Buy local“) positionieren kann, haben Verlage auf dem digitalen Spielfeld eine schlechtere Ausgangsposition: Die meisten kennen ihre Leser nur schlecht. Datenkrake Amazon dagegen verfügt über riesige Bestände an Kundenstatistik und kann auf Basis der „Big Data“-Analyse klar profilierte Programme entwerfen, bei denen die Bestseller-Trefferquote entsprechend hoch ist. Hier müssen die Verlage ansetzen und viel stärker als bisher die Social-Media-Kanäle durchforsten und für die eigenen Belange auswerten. Zweiter Schritt, und auch hier sind US-Verlage wie Sourcebooks vorbildlich: Den Dialog mit den Lesern ausbauen und die Ergebnisse schon in der Bücher-Genese einfließen lassen („agile publishing“). Gerade auf diesem – interaktiven – Feld lässt Amazon noch Lücken.
Daniel Lenz über die Perspektiven von Amazon Publishing
Von Kraken lernen
Wenn deutsche Verleger aktuell die Aktivitäten von Amazon im eigenen Revier beurteilen, ist leider oft Augenwischerei angesagt. Dass sich Verlage mit ihren klassischen Tugenden (Erfahrung, Auswahl, Innovationskraft) gegen die auch in Europa startenden Amazon-Verlage behaupten können, ist nur die Hälfte der Wahrheit: Ihnen wird dies zumindest im E-Book-Geschäft nur gelingen, wenn sie sich schnell neue Tugenden aneignen – und dabei von Amazon lernen.
In dieser neuen Wettbewerbskonstellation werden nicht zuletzt die Literaturagenten eine entscheidende Rolle spielen. Es ist kein Zufall, dass die Amazon-Verleger in den vergangenen Monaten wiederholt bei den Agenten die Werbetrommel gerührt – und Agenten wie Curtis Brown schon angebissen haben. Sie mit ihren Autoren bei der Stange zu halten (durch besseren Service, höhere E-Tantiemen), könnte die größte Herausforderung werden.
Kannst du mal in drei, vier Såtzen erklären, was dieser große Aufruf bedeuten soll? Er wird in dem Beitrag als Kernkomponente des Heilmittels benannt, erschliesst sich mir aber nicht: „Hier müssen die Verlage ansetzen und viel stärker als bisher die Social-Media-Kanäle durchforsten und für die eigenen Belange auswerten“ danke
Gern, ich versuche es: Mir schwebt vor, dass Verlage Tools wie Hiptype, BookSeer (oder perspektivisch ein gerade in der Entwicklung befindliches deutsches Tool) einsetzen, um zB Korrelationen von Absatz und Social-Media-Aktivitäten darzustellen und auf dieser Basis ihr künftigen Bücher zu konzipieren. Ich habe das mal an einem Beispiel (etwas scherzhaft) beschrieben (Auszug aus einem Artikel im buchreport.magazin 10/2012; sich selbst zitieren, ist etwas dämlich, sorry, aber geht jetzt gerade am schnellsten):
„Die ersten 36 Seiten hat der Manager N.N. zügig durchgelesen. Auf Seite 37 des Ratgebers zu Führungsqualitäten in Konzernunternehmen geriet seine Lektüre ins Stocken. Just an der Stelle, da der Autor die Rückkehr zu einem autoritären Stil fordert und dafür fragwürdige Zitate heranzieht. N.N. teilt seine Verärgerung via Facebook einer Manager-Gruppe mit, die seinen Groll teilen. Der Verlag des Buchs bekommt durch die hauseigenen Social-Media-Analyse-Werkzeuge Wind von der Diskussion, erkennt mit Hilfe einer E-Book-Analyse-Software, dass zahlreiche Leser auf Seite 37 stolpern und sogar die Lektüre abbrechen. Und einigt sich mit dem Autor darauf, die beanstandeten Passagen zu überarbeiten. Die Facebook-Gruppe lobt die Reaktion des Verlags, der den Kritikern die Neuauflage des Buchs zu einem Vorzugspreis anbietet. Und die Gruppe ein halbes Jahr später über das Erscheinen eines neuen Titels zum Thema „Antiautoritäres Management“ informiert.“
Später werden wir uns fragen, wie es jemals anders funktionieren konnte.