Hartwig Bögeholz ist Geschäftsführender Gesellschafter der Jürmker Bücherstube, Wolfram Schwarzbich leitet die Buchhandlung Bethel. Die beiden Bielefelder Buchhändler ärgern sich über Libris neues Gebührenmodell bei Barsortiment und Bücherwagendienst – und gehen davon aus, dass demnächst auch die anderen Buchlogistiker nachziehen werden. Anstatt die Kostenbelastungen für Buchhandlungen immer weiter nach oben zu schrauben, plädieren sie für eine Alternative.
„Weil dringend gebotene Wandlungen in der Belieferungsstruktur an den schier unausrottbaren Beharrungskräften der Branche scheitern, müssen alle Buchhandlungen dafür zahlen. Als wenn ein erhebendes Gefühl aufkäme, wenn allmorgendlich zwei, drei oder gar vier verschiedene Fahrzeuge verschiedener Barsortimente eine Buchhandlung anfahren”, schreiben Bögeholz und Schwarzbich in ihrem Meinungsbeitrag und skizzieren eine Idee für eine gebündelte Logistiklösung für die Barsortimente. Der Ansatz, die Auslieferungsfahrten der Barsortimente zu bündeln, ähnelt einem Vorschlag von Umbreit-Geschäftsführer Clemens Birk. Dieser schlägt vor, ein Unternehmen zu gründen, an dem alle Barsortimente beteiligt sind und das die Logistik für die gesamte Branche organisiert (mehr dazu hier).
Barsortimente, setzt euch zusammen!
von Hartwig Bögeholz und Wolfram Schwarzbich
Und wieder einmal münden Unfähigkeit und Unwillen der Buchbranche zu längst überfälligen Veränderungen in Kostenbelastungen des letzten Glieds. Libri informiert seine Kunden über ein neues Gebührenmodell bei Barsortiment und Bücherwagendienst – über kurz oder lang werden die anderen Mitbewerber folgen.
Gerade aus Sicht von Buchhandlungen, die ihre eigenen Hausaufgaben in Sachen Rationalisierung fortlaufend erledigen, ist dies ein höchst ärgerlicher Schritt: Weil dringend gebotene Wandlungen in der Belieferungsstruktur an den schier unausrottbaren Beharrungskräften der Branche scheitern, müssen alle Buchhandlungen dafür zahlen. Als wenn ein erhebendes Gefühl aufkäme, wenn allmorgendlich zwei, drei oder gar vier verschiedene Fahrzeuge verschiedener Barsortimente eine Buchhandlung anfahren.
Dabei läge eine Alternative, die die Kostenbelastungen für die Buchhandlungen zumindest stabil halten könnte, offenkundig auf dem Tisch. Zeitfracht war Mitbegründer von DPD und ist mutmaßlich enger Partner dieses Logistikers – eine potenziell nützliche Verbindung. Sie sollte fruchtbar gemacht werden.
Wie wäre es denn, wenn Fahrzeuge eines einzigen Logistikers, sei es nun DPD oder ein anderer, die Wannen von allen drei Barsortimenten und ihren Verlagsauslieferungen nächtens an gemeinsamen Umschlagpunkten aufnehmen und entlang rationell gestalteter Routen ausliefern?
Für Buchhandlungen ist die bis auf weiteres wichtigste Anforderung wohl die, dass die Lieferungen bis zur Ladenöffnung um 9 oder 10 Uhr eintreffen. (Nach dem Ende solcher Buchhandlungstouren stünden die Fahrzeuge für Anderes zur Verfügung.) Angemessene Entlohnung der FahrerInnen und akzeptable Behandlung der Wannen sind weitere Anforderungen. All dies wird machbar sein.
Um in dieser Hinsicht voranzukommen, sollten sich KNV Zeitfracht, Libri (mitsamt Könemann) und Umbreit baldmöglichst zusammensetzen. Zunächst sollten sie in groben Zügen ein gemeinsames Modell skizzieren, das den Gegebenheiten von Standorten, Routen und Umschlagpunkten aller drei (vier) Beteiligten Rechnung trägt. Ein solches Modell wird dann unter freundlicher Empfehlung von KNV Zeitfracht einem Logistiker wie DPD unterbreitet.
Sodann kann der (oder ein) Logistiker daraus ein konkretes Modell entwickeln, das wiederum den Barsortimenten zur Einbuchung angeboten wird. Wenn alle drei Barsortimente Kunden eines solchen Modells würden, sollte es sich durchaus rationell umsetzen lassen. Was würde sich für Buchhandlungen ändern? Nichts – außer, dass ihnen keine höheren Kosten abverlangt werden. Dies wäre bereits ein Fortschritt.
»Urzeitliche Gepflogenheit«, dass Händler bei Verlagsbestellungen Versandkosten tragen
Auf einen weiteren Fortschritt werden Buchhandlungen wohl ewig warten müssen. Aus der Sicht rational denkender Buchhandlungen ist die urzeitliche Gepflogenheit, dass sie bei Verlagsbestellungen die Versandkosten zu tragen haben, regelrecht kontraproduktiv. Die Gewissheit, dass sie es handhaben können wie es ihnen beliebt, weil andere für die Kosten aufkommen, hat bei Verlagen jegliches Rationalisierungsdenken erstickt …
Jede Buchhandlung kann endlos berichten, wie nervenzehrend und kostenfressend Lieferungen von Verlagen/Verlagsauslieferungen ausfallen. Details können wir uns hier eigentlich ersparen – nur ein besonders schräger Vorfall sei genannt. Als unsere Buchhandlung an einer kleinen Logistiklösung mitwirkte, bei der Titel verschiedener Verlage in eine Wanne gepackt wurden (mit einer Rechnung und einem ELS), mochte ein angefragter Verlag nicht teilnehmen. Begründung: Die Bücher dieses hochbesonderen Verlages sollten nicht mit Büchern anderer Verlage gemeinsam in einer Wanne liegen … Halbwegs normal denkenden Menschen fällt dazu nichts mehr ein.
Wie wäre es, wenn diese Konstruktion umgekehrt würde?
Wenn in Verlagen Vertriebsleiter von Controllern zur Rede gestellt würden, welche absurd hohen Versandkosten sie verursachen – dann wäre der erste Schritt zur Besserung bereits getan. Binnen kürzester Zeit würde der Großteil der Verlage seine Abläufe so umstellen, dass echte Kosteneinsparungen erzielt werden. Das käme der gesamten Lieferkette sowie den Buchhandlungen zugute. Käme … Aus der Sicht von Buchhandlungen erwächst nur diese eine Frage: Auf welchem Wege können wir den Belieferungskosten-Spieß umdrehen?
Die Forderung nach einem Zusammenlegen des Transportmanagement innerhalb der Brache ist berechtigt. Allerdings gibt es insbesonder bei Umbreit große Bedenken. Es wird befürchtet, der große und finanziell nicht auf den Buchmarkt angewiesenen Player Zeitfracht könnte dies zum Anlass nehmen und die Bereinigung auf 2 Barsortimente vornehmen. Schon der ehemalige KNOe-Geschäftsführer O. Voerster hat dieses Szeanrio offensiv auf einigen Tagungen ausgesprochen.
Und in der Tat, warum sollten Bücher aus dem KNV-Lager in Erfurt nach Bietigheim an einen Umschlagplatz transportiert werden, wenn in Bietigheim die Bücher schon vorrätig sind.
Der Zwischenhandel und die Barsortimente sitzen mit den Buchhändlern in einem Boot: der Wert je befördertem Buch und Kg wird durch die Verlage bestimmt. Externe Kosten, wie Maut, Dieselfahrverbote oder kommende CO² Besteuerung, sind durch den Handel nicht steuerbar. Die Belastungen zeigen aber streng in eine Richtung.
Dass die Kosten des Versandes auf den Handel abgewälzt werden, darin stimme ich Herrn Bögeholz zu, ist kontraproduktiv und im Sinne der Buchpreisbindung schwer nachvollziehbar. Und natürlich ist das Argument, dass Kleinverlage diese Kosten nicht stemmen könnten irrig, denn am Transportaufwand vom Verlag bis zum Endkunden ändert das ja mal gar nichts; lediglich derjenige der Quelle der Transportkosten ist, gleichzeitig durch die Preise die Margen bestimmt, bekommt die Aufgabe kostenbewußt zu handeln.
Was bitte ist am Begriff „parasitär“ genau „unsachlich“? Ich halte das für eine äußerst merk- und fragwürdige Art der Moderation. Vielleicht sollten Sie sich informieren, was „parasitär“ bedeutet: „auf Kosten anderer lebend“. Ich hätte gern eine konkrete Erläuterung, warum Sie das für „unsachlich“ halten.
Falls Sie das hier nicht freigeben möchten, kann ich das aber auch gern anderswo thematisieren, wo Sie es nicht zensieren können.
Wir halten das Wort „parasitär“ für beleidigend.
Wer glaubt, dass insbesondere Kleinverlage sich leisten können pauschal die Versandkosten zu übernehmen, hat vermutlich jeden Kontakt mit der Realität verloren.
Im Gegensatz zu anderen Branchen zeigt sich hier wieder mal das Problem Buchpreisbindung. Ohne diese (wie in anderen Branchen) könnte man deutlich flexibler agieren. In anderen Branchen existieren ebenfalls Versandkosten, die fließen dann aber eben in die Preiskalkulation ein. Im Buchhandel ist man gezwungen den Festpreis zu nehmen.
Ansonsten verweise ich auf die diversen Berichte von Kleinverlagen, die über fehlende Zahlungsbereitschaft bei BuchhändlerInnen berichten, oder dass unverkaufte Ware in einem desolaten Zustand zurück geschickt wird, in dem die Bücher nicht mehr verkauft werden können. Die Probleme sind vielschichtig und die Fehler beiderseits.
Korrekt ist natürlich, dass man sich eher über kurz als über lang von […] Zwischenhändlern wie libri etc. lösen muss. Erst schmeißen die haufenweise Bücher aus dem Katalog und bringen damit diverse Kleinverlage an den Rand des Ruins, jetzt werden auch noch die Buchhändler zur Kasse gebeten. Die schaden der Branche derzeit mehr als sie nutzen.
Ich höre immer wieder von Buchhändlern, es sei zu aufwändig direkt beim Verlag zu bestellen (das sollte man sich mal in anderen Branchen erlauben). Wenn die das so sehen und zusätzlich auch noch beim Verlag kein Porto zahlen wollen, dann werden die wohl mit der Preisschraube von libri und Co. leben müssen.
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag wurde bearbeitet. Bitte bleiben Sie sachlich.