Aus Sicht des Verlegers André Schiffrin folgt die von Bertelsmann und Pearson eingefädelte Allianz zwar einer Logik. Die führe allerdings dazu, dass es anspruchsvolle Bücher immer schwerer hätten auf dem Buchmarkt.
Schiffrin ist als Warner und Mahner bekannt, seitdem er im Jahr 2000 mit seinem Buch „Verlag ohne Verleger“ (hierzulande bei Wagenbach erschienen) international für Aufsehen sorgte. Seine These: Alte Verlagsnamen wie Random House oder Rowohlt verdeckten bloß den Machtantritt einer anonymen Managerwirtschaft. Im vergangenen Jahr erklärte Schiffrin gegenüber buchreport, eine Gefahr liege darin, dass die großen Verlagskonzerne nur noch Bücher verlegen würden, mit denen sie Geld machen könnten. „Die Programme sind zwar jetzt vielfach schon stromlinienförmig, doch da geht noch mehr.“
In der Allianz von Penguin und Random House sieht der gebürtige Pariser nach seinem Artikel in „The Nation“ einen Beleg für die These. In der westlichen Verlagsbranche habe das Zusammengehen für „Schockwellen“ gesorgt, der „Leviathan“ publiziere schließlich ein Viertel der auf Englisch verlegten Titel und sorge für einen Umsatz von fast 4 Mrd Dollar.
Für Schiffrin folgt die von Bertelsmann und Pearson eingefädelte Allianz einer Logik:
- Das Buchverlegen habe sich für die Medienkonzerne als weniger profitabel erwiesen als erhofft – im Durchschnitt liege die Rendite bei westlichen Verlagen bei 3%, Bertelsmann & Co. hätten eher 25% vor Augen gehabt.
- Die Buchverlage hätten zu wenige Bestseller ausgestoßen.
- Dann sei Amazon mit den eigenen Verlags-Aktivitäten auf den Plan getreten und habe außerdem die 9,99-Dollar-Preise für Bestseller durchgesetzt.
- Folge: Die Margen der Verlage seien drastisch gesunken, das Paperback, vormals verlässliche Einnahmequelle der Verlage, sei geschwächt worden.
Mit Blick auf das Ziel von Random House und Penguin, Kosten einzusparen und die Verhandlungsposition gegenüber Amazon zu verbessern, meldet Schiffrin Zweifel an:
- Die Verlage könnten durch ihren Schulterschluss künftig nicht mehr profitable Titel verlegen, weil sie schon heute alles dafür täten, dieses Ziel zu erreichen.
- Stattdessen würden besonders die Midlist-Titel reduziert.
- Die eigentlichen Kosteneinsparungen erfolgten aber, indem die Lektoren gefeuert würden, die sich für anspruchsvolle Bücher einsetzten.
- Die Rendite-Ziele, die Bertelsmann mit Blick auf Hoffnungsmärkte wie Indien vor Augen habe, seien unrealistisch.
Wohin führt die Entwicklung? Die kleinen und mittleren Verlagen könnten nicht davon profitieren, dass die großen Verlage künftig immer weniger Midlist-Titel veröffentlichen. Begründung: Die Verkaufsfläche besonders bei den Filialisten schrumpfe und die Verlage hätten also immer größere Schwierigkeiten, Händler für ihre Titel zu finden.
Zur Person: André Schiffrin
1935 in Paris geboren. 1961 Eintritt in den von seinem Vater mitgegründeten New Yorker Verlag Pantheon Books. 1991 verlässt er Pantheon, der inzwischen zu Random House gehört, aus Protest gegen die strikten Rentabilitätsvorgaben und gründet The New Press. 1999 erscheint sein Thesenbuch „Verlag ohne Verleger“ (Wagenbach), 2010 die Autobiografie „Paris, New York und zurück“ (Matthes & Seitz), 2011 „Words and Money“.
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