Die „taz“ hat mit Sebastian Meschenmoser über Rollenklischees in Kinderbüchern gesprochen (Ausg. v. 30.4.). Der Kinderbuch-Autor und -Illustrator erklärt, warum er einerseits nichts von Geschlechterstereotypen hält, andererseits aber auch keine Botschaften vermitteln will.
Meschenmoser, Jahrgang 1980, hatte vor 22 Jahren einen ersten Erfolg mit seinem Bilderbuch „Fliegen lernen“ und wurde mit der Illustration von Michael Endes „Die Unendliche Geschichte“ bekannt. Im Thienemann Verlag ist kürzlich sein neuestes Kinderbuch „Chick“ erschienen, in dem ein kleines Küken davon träumt, ein stolzer, prächtiger Hahn zu sein. Von einigen Lesern wurde das Buch als „Transgendergeschichte“ oder „feministische Parabel“ gedeutet, und entsprechend fragt die „taz“ zum Einstieg: „Ist eine Coming-of-Age-Trans-Hühner-Geschichte ein gefälliges Kinderbuchthema, das sich gut verkauft?“
Meschenmoser weist darauf hin, dass das Buch ja nur „Chick“ heiße, und nicht „Chick ist trans“. Man könne es als lustige Kindergeschichte lesen, aber er hoffe natürlich, dass es darüber hinaus „ein bisschen zum Nachdenken anregt“. Danach gefragt, welche Botschaft er mit seinen Büchern vermitteln wolle, antwortet er: „Vordergründig gar keine. Wenn man das direkt vor hat, hat man schon versagt, das kenne ich aus der Kunst. Ich will höchstens zum Nachdenken anregen und Fragen aufwerfen, mehr nicht. Ich mag es nicht, eine Aussage festzunageln, sondern will lieber zu Diskussionen anregen. Ich möchte Geschichten schreiben, die den Kindern Spaß machen und an denen sie wachsen. Ältere sollen in derselben Geschichte neue Dinge für sich entdecken. Ein Kinderbuch braucht mehrere Ebenen. Schließlich müssen die Eltern das ja auch zehntausend Mal lesen und Gefallen daran finden.“
Vor dem Hintergrund der Diskussion um vermeintlich problematische Passagen in Kinderbuch-Klassikern spricht sich Meschenmoser für ein „begleitetes Lesen“ aus: „Ich sehe Bücher nicht als Spielzeug an, sondern als etwas, das man gemeinsam erlebt. Man sollte immer begleitet lesen. Es gab ja bei Pippi Langstrumpf die berühmte Diskussion. Auch bei Jim Knopf kommt das N-Wort vor, weil Herr Ärmel das benutzt. Aber der ist sowieso ein Idiot. Trotzdem ist Michael Ende deshalb sicher kein Rassist, im Gegenteil. Ich bin dafür, dass man Texte entsprechend ändert. Oder in einem Vorwort schreibt, dass es sich um eine historische Ausgabe mit alter Sprache handelt, die erklärungsbedürftig ist. Auch Kinderliteratur ist Literatur.“
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