Nicht nur durch Neueröffnungen, auch durch Übernahmen wächst der stationäre Buchhandelsmarktführer Thalia weiter. Zuletzt wurde etwa bekannt, dass die bislang unabhängigen Sortimente Stöppel (Weilheim), Decius (Hannover) und Tilman Riemenschneider (Osterode) unter das Filialistendach wandern.
Zum „Konzentrationshammer“ war es im Januar gekommen, als die Fusion mit dem Regionalfilialisten Mayersche angekündigt wurde:
- Es entsteht ein Buchhandelsunternehmen mit einem Umsatzvolumen von geschätzt 1,15 Mrd Euro.
- Der Buchhandel im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wird mit einem Netz von über 100 Filialen buchhändlerisch nahezu vollständig abgedeckt.
- In 28 von 30 NRW-Großstädten ist das fusionierte Unternehmen Marktführer.
Trotz dieser beachtlicher Dimensionen ging der Zusammenschluss überraschend ohne kartellrechtliche Auflagen über die Bühne.
In einem Interview mit der „FAZ“ (16.9.) erklärt jetzt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, den Hintergrund auch mit Bezug auf die ebenfalls durchgewunkene Warenhausfusion Karstadt/Kaufhof. Wegen der gewachsenen Marktposition von Amazon werden Zusammenschlüsse im Handel heute entspannter gesehen als noch in der Vergangenheit: „Amazon und andere Plattformen haben bei der Bewertung von Marktpositionen im Einzelhandel in jeder Hinsicht längst Einzug gehalten. Vor zehn Jahren wären wir bei einer Fusion von Karstadt und Kaufhof auch noch ‚misstrauischer‘ gewesen. Heute berücksichtigen wir selbstverständlich den Druck, der durch den Online-Handel kommt.“
Entspannte Kartellwächter
War das Bundeskartellamt in den Nullerjahren sehr pingelig bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen im Buchhandelsmarkt, haben die Fusionskontrolleure im Fall Thalia/Mayersche ohne Hauptprüfverfahren befunden, dass „durch den Zusammenschluss keine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu erwarten ist“. Den nicht zu übersehenden hohen Marktanteilen in zahlreichen NRW-Städten und -Regionen, die die Behörde bei früheren Untersuchungen als problematisch bewertet hätte, wurden die Einkaufsoptionen des Online-Handels gegenübergestellt.
Die entspannte Neubewertung von Handelsfusionen durch das Kartellamt im Schatten des Onlineshop-Giganten Amazon war bereits im vergangenen Herbst bei der Freigabe der Warenhausfusion von Karstadt und Kaufhof deutlich geworden. Dass das Bundeskartellamt seine Freigabe allerdings zusätzlich damit begründet, dass „die Zusammenschlussbeteiligten auch nach der Fusion weiterhin einem gewissen Wettbewerbsdruck durch den Buchhandel in sonstigen Verkaufsstellen wie Supermärkten, Tankstellen und Drogeriemärkten“ ausgesetzt seien, deutet allerdings schon darauf hin, dass die Behörde diesmal kein Interesse hatte, tiefer einzusteigen. Tankstellen? Und in den Super- und Drogeriemärkten ist die im Fusionspaket enthaltene B.O.B. expansiv unterwegs.
Das Signal für die Branche, hatte buchreport bereits im Mai analysiert: „Entspanntes Kartellamt: Jetzt geht (fast) alles“. Marktführer Thalia könnt nicht nur weiter beschleunigt durch lokale Übernahmen wachsen, sondern wohl auch weitere Ketten schlucken, bis er einen kritischen Anteil am Gesamtmarkt erreicht.
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