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Welche Details der Prozess um die S&S-Übernahme ans Licht bringt

Die geplante Übernahme des US-Publikumsverlags Simon & Schuster durch Marktführer Penguin Random House wird in diesen Tagen ausführlich von einem Gericht geprüft. Die geladenen Zeugen liefern dabei auch Details und Trivia eines Marktes zwischen Intuition, Unvorhersehbarkeit und (un)begrenzten Budgets. 

Kalkül, Gefühl und Glück

Während Sachverständige beider Seiten und Controller vor Gericht reichlich Zahlenmaterial ausbreiten und so versuchen, Argumentationsstränge zu untermauern, werfen Verlegerinnen und Verleger sowie Agenten in ihren Einlassungen auch ein Schlaglicht auf die „weichen“ Seiten des Buchgeschäfts.

Viel ist dann die Rede vom „people’s business“, dass Geld und Vorschüsse zwar fein seien, aber eben nicht alles. Es gehe auch darum, für die Autorinnen und Autoren und deren Bücher die besten Lektoren und engagiertesten Vertriebsteams zu finden, mit denen man sich eine gute Zusammenarbeit verspreche.

Unvorhersehbare Verkaufszahlen

Die Einschätzung, dass wirtschaftliches Kalkül nicht überall hilft, wird auch an anderer Stelle bemüht, beobachtet „Publishers Weekly“-Reporter John Maher: Während die Anklage versuche, die Versiertheit der großen Player nachzuweisen, ziehe PRH eine andere Karte: „Die Argumentation von PRH beruht darauf, dass die Veröffentlichung von Büchern in Wirklichkeit ein Glücksspiel ist und dass selbst die größten und mächtigsten Verlage Glück haben, wenn ein von ihnen erworbenes Buch ein Bestseller wird.“

Auf den Punkt gebracht wurde das von Jennifer Bergstrom, Verlegerin des S&S-Imprints Gallery Books: Das Verlegen sei eine Kunst und keine Wissenschaft. „Es ist so subjektiv.“

PRH-US-CEO Madeline McIntosh räumte denn auch ein, dass man bei Titel prominenter Autoren auch schon „einige schmerzlich teure Fehler“ gemacht habe.

An anderer Stelle wurde etwa der Fall des „Buch H” angesprochen, für das PRH einen Vorschuss von 4 Mio Dollar gezahlt hatte. Dazu dokumentiert „Publishers Weekly“ diesen denkwürdigen Dialog: Verteidigung: „Warum sollten Sie einem solchen Buch einen so hohen Vorschuss gewähren, wenn das Computerprogramm für die Gewinn- und Verlustrechnung es Ihnen ermöglicht, die Rentabilität auf niedrigerem Niveau zu sehen?“ McIntosh: „Weil es sich um einen Autor handelte, der zum zweiten Mal bei PRH tätig war, und sein Agent war sehr überzeugend.“ Verteidigung: „Wer war der Agent?“ McIntosh: „Andrew Wylie.“

John Glusman vom unabhängigen Verlag W. W. Norton and Company witzelte sogar darüber, dass die Big 5 regelmäßig zu viel für Bücher bezahlten. Weniger witzig: Norton verliere so auch Autoren. Und: Norton selbst zahle nicht zu viel, man orientiere sich an den Verkaufsprognosen.

Titel mit vergleichsweise geringen Vorschüssen (Debüts, aber auch schlichtweg unterschätzte T) können sich umgekehrt als sehr profitabel erweisen. Wörtlich genannte Beispiele: die Weltbestseller „Der Gesang der Flusskrebse“, „Fifty Shades of Gray“, „Gone Girl“.

Wie viel PRH für Buchrechte ausgeben darf

PRH-Chef Markus Dohle sprach auch über Budgetfreigaben, dokumentiert die „New York Times”. Vorschüsse über 1 Mio Dollar müssen demnach von PRH-US-CEO Madeline McIntosh abgesegnet werden, ab 2 Mio Dollar von Dohle. 

Das PRH-Erwerbungsbudget sei nicht gedeckelt. Allerdings müsse PRH ab einer Vorschusshöhe von 75 Mio Dollar grünes Licht der Konzernmutter Bertelsmann einholen, was laut Dohle aber noch nie nötig gewesen sei.

Zur Einordnung: Der mehrere Bücher umfassende Obama-Vertrag (u.a. mit Michelle Obamas Biografie „Becoming“, die sich weltweit mehr als 17 Mio Mal in den verschiedenen Formaten verkauft hat) soll bei unbestätigten 65 Mio Dollar gelegen haben.

Die großen 5 im Gerichtssaal

Welche Rolle spielen Amazon Publishing und das Selfpublishing?

Konkurrieren die Verlage nicht nur untereinander, sondern auch mit Amazon Publishing, dem Verlagsarm des Onlineriesen, und dem Selfpublishing? Macmillan-CEO Don Weisberg bestätigte, dass es 2019 zwischenzeitlich mal so ausgeshen habe, als würde Amazon aggressiv in Wettbewerb mit den Verlagen treten wollen, das mittlerweile aber scheinbar aufgegeben habe. Und die großen Selfpublishing-Erfolge? Die seien selten.

Ähnlich argumentierte auch Hachette-CEO Michael Pietsch: Amazon Publishing sei beim Buchrechteeinkauf kein Wettbewerber und auch das Selfpublishing sei keine Konkurrenz. „Publishers Weekly“ zitiert ihn dazu so: „‚Jeder kann heute ein Buch veröffentlichen, und das ist eine wunderbare Sache’, sagte Pietsch, aber diese Bücher und Autoren können einfach nicht mit den großen Verlagen konkurrieren.”

HarperCollins-CEO Brian Murray gab dagegen an, dass Amazon ein Konkurrent bei Romance-Titeln sei.

Wieso S&S Bücher von Colleen Hoover nicht so stark pushen muss

Apropos Romance: Sie sei die Königin von TikTok, sagt S&S-CEO Jonathan Karp über Colleen Hoover. Die Romance-Spezialistin vermarktet ihre Bücher erfolgreich auf der Plattform, sodass S&S offenbar selbst nicht allzu viel in die Vermarktung investieren muss.

Das hat sogar Einfluss auf den Gesamtmarkt, hat neulich eine aktuelle Marktanalyse ergeben: Dank Hoover und anderer „BookTok“-Favoriten stiegen die Verkäufe in den USA im 1. Halbjahr in der Erwachsenen-Belletristik um fast 5% (gegen den negativen Gesamttrend).

Hoovers Eigen-PR via TikTok strahlt sogar bis nach Deutschland ab: Sie gehörte hierzulande im 1. Halbjahr zu jenen Autorinnen und Autoren mit den meistverkauften englischen Originalausgaben. Nur Alice Osemans englischsprachige Originale verkauften sich besser.  

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