Weil sie wirtschaftliche Aktivitäten des Börsenvereins sind, stehen die Dienstleistungen und Produkte der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels unter besonderer Beobachtung ihrer Kunden, die zugleich Verbandsmitglieder sind. Nachdem auf den Buchtagen in Berlin das E-Book-Projekt Libreka auseinandergepflückt worden war, rückt aktuell wieder einmal das (mit Libreka verknüpfte) Verzeichnis lieferbarer Bücher (VlB) in den Fokus.
Das VlB hatte eigentlich einen guten Lauf, weil es im Frühjahr aus den Querelen und Rechtsstreitigkeiten um Preisbindungsverstöße im Online-Handel als Überraschungssieger hervorgegangen war: Im Streit um die abweichenden Preise der verschiedenen Datenbanken (vor allem im Visier: Amazon) wurde das zuvor oft als besonders fehlerhaft gescholtene VlB zur Referenzdatenbank erhoben, in denen die Verlage den branchenweit gültigen Ladenpreis für Datenabgleiche einstellen (buchreport berichtete hier).
Dass mit diesem politischen Erfolg nicht alle VlB-Probleme aus der Welt geschaffen sein würden, hätte Michael Vogelbacher, Leiter der Abteilung Informationsdienste bei der MVB, Anfang Mai in Paderborn von der Jahrestagung des Arbeitskreises unabhängiger Sortimente (AkS) mitnehmen können, als ihn die Praktiker aus den Buchhandlungen spontan mit den unterschiedlichsten inhaltlichen und funktionalen Mängeln konfrontierten.
„Was treibt Sie immer wieder in den Wahnsinn?“
Weil die Paderborner Klagen nach Eindruck der Sortimenter wieder nur in den Wind gesprochen waren, wird der Ton jetzt gereizter: „Man traut sich ja kaum noch, ,Das VlB muss besser werden‘ laut zu sagen, weil mit diesem Thema schon etliche Jahre und viele Gespräche ins Land gegangen sind“, haben die AkS- Sprecherinnen Anne von Bestenbostel (Nordenham) und Annemarie Schneider (Buchhandlung Eulenspiegel, Hochheim) kürzlich in einem Rundbrief an ihre rund 520 im AkS organisierten Buchhändlerkollegen Klartext getippt und ihren Frust öffentlich gemacht. Sie appellieren, aus der täglichen Buchhandelspraxis alle mit dem VlB verbundenen Widrigkeiten zusammenzutragen bis hin zur offenen Frage: „Was treibt Sie immer wieder in den Wahnsinn?“
Die Liste wächst derzeit, die aufgeschreckten VlB-Verantwortlichen haben mit dem AkS-Sprecherkreis einen Termin auf der Frankfurter Buchmesse verabredet. Dort wollen die unabhängigen Buchhändler einen konkreten Forderungskatalog überreichen. Sie erwarten nach den „etlichen Jahren“ der Vertröstungen einen Zeitplan, um nachzuvollziehen, „ob und bis wann Dinge auch erledigt werden“. Die Priorisierung der Prestigeprojekte zu Lasten der Alltagsprobleme soll auf den Prüfstand: „Weniger Libreka, mehr BibWin“, spitzt Anne von Bestenbostel im Gespräch mit buchreport zu.
Buchhändler fordern eine bessere Pflege von BibWin
Das von der MVB verwaltete EDV-Tool BibWin nutzen viele Buchhändler, weil es praktischerweise bei der Titelrecherche die Einträge verschiedener bibliografischer Datenbanken auf einen Blick anzeigt, also die Kataloge der Barsortimente mit Lieferbarkeitsanzeigen, das VlB und auch eigene Bestands- und Bestelldaten. Das Tool wird nach AkS-Einschätzungen von mehreren 100 Buchhändlern genutzt, die MVB schätzt die Verbreitung sogar auf 1500 bis 2000 Installationen, was der Kritik der ausbleibenden Weiterentwicklung aus dem Buchhandel besonderes Gewicht verleiht. Hauptvorwurf: Fortschritte im VlB seien im derzeitigen Status von BibWin gar nicht zu nutzen. „Es kann ja nicht sein, dass wir viel Geld bezahlen für eine wichtige Bibliografie, die nur unzureichend funktioniert und deren Verbesserungen die BibWin-Nutzer dann noch nicht einmal bemerken“, heißt es aus dem AkS-Sprecherkreis.
Dahinter könnte auch die Strategie der MVB stecken, den Buchhandel stärker zur Primärnutzung des VlB-Online zu drängen. Damit würde der Druck auf die großen Barsortimente KNV und Libri erhöht, im VlB zu sigeln und dort die Titelverfügbarkeit anzuzeigen, statt diese Panorama-Übersicht über BibWin zu erzeugen. Die MVB hofft ohnehin, dass der Imagegewinn durch die Adelung des VlB zur Preis-Referenzdatenbank zu einer besseren Durchsetzung führt. Dazu passen auch Überlegungen der MVB-Strategen, den Preis für die VlB-Nutzung abzusenken oder sogar kostenfrei zu stellen, um das VlB im Wettbewerb mit den Barsortimentskatalogen wieder stärker als zentrale Bücherdatenbank zu positionieren. Die sinkenden Lizenzerlöse würden dann durch höhere Titelgebühren für die Verlage kompensiert.
Neuauflage des Software-Tools wird avisiert
Gleichwohl bewegt sich die MVB jetzt aber auch beim Thema BibWin: „Wir planen eine komplette Neuauflage der Software und sind in Verhandlungen mit möglichen Partnern aus der Branche, um ein komplett neues BibWin aufzusetzen“, heißt es auf buchreport-Anfrage. Man habe Buchhändlern einen Leistungskatalog geschickt und warte zurzeit auf die Rückmeldungen, um dann mit der Umsetzung zu starten: „Das neue Tool wird auf den aktuellsten technischen Stand sein und mehr Funktionalitäten und Service bieten als die aktuelle Version. Wir werden sie deshalb zwar nicht mehr kostenfrei anbieten können, uns aber bemühen, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.“
Zur Buchmesse erwarten die jetzt in die Offensive gegangenen Sortimenter auch einen verbindlichen Termin.
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