Fachautor:innen haben das notwendige Expertenwissen, aber oft wenig Zeit zum Schreiben. Springer Nature stellte ihnen daher in einem Experiment eine generative KI zur Seite.
Für das Fachbuch „Einsatzmöglichkeiten von GPT in Finance, Compliance und Audit“ haben die Autor:innen Alexander Hüsch, Dirk Distelrath und Tanja Hüsch zusammen mit einem interdisziplinären Team des Wissenschaftsverlags GPT bei der Manuskripterstellung eingesetzt. GPT steht für „Generative Pre-Trained Transformers“ und bezeichnet künstliche neuronale Netzwerkmodelle, die generative KI-Tools wie ChatGPT ermöglichen. Diese können Texte, Bilder und andere Inhalte erzeugen.
Vivien Bender war von Seiten Springer Natures an dem Projekt beteiligt. Wie das Schreiben im „Pingpong“ mit der KI funktionierte und was der Verlag daraus gelernt hat, berichtet sie im folgenden Gastbeitrag.
Die Möglichkeiten und Grenzen von KI erforschen
Als Wissenschaftsverlag geht es Springer Nature seit mehr als 180 Jahren darum, Wissen schneller und effektiver zu verbreiten. Technologische Innovation hat dabei stets eine wichtige Rolle gespielt. Künstliche Intelligenz (KI) begleitet uns dabei seit Jahren, auch im Buchbereich. Bereits 2019 haben wir das erste maschinengenerierte Buch „Lithium-Ion Batteries“ mittels KI erstellt. Dabei wurden die neuesten Forschungsergebnisse zum Thema von einem Algorithmus zusammengefasst.
Mit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende vergangenen Jahres traten die ersten Autor:innen an uns heran, um diese neue generative KI für das Schreiben ihrer Bücher zu nutzen. Das gemeinsame Interesse von Autoren und Verlag führte uns dazu, erstmals diese Technologie in der Erstellung eines Fachbuchs einzusetzen und die damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen näher zu erforschen.
Unsere Autor:innen sind hochqualifizierte Fachexperten, die jedoch wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen zeitlich stark eingeschränkt sind. Sie verfügen über genau das Expertenwissen, das wir für die Veröffentlichung von Fachbüchern benötigen. Die Synergie aus menschlicher Expertise und KI kann dafür gezielt genutzt werden: Der Zeitmangel der Autoren wird durch einen effizienten Einsatz von KI im Arbeitsprozess ausgeglichen. Um diese Hypothese zu testen, begannen wir ein Experiment: Wir wollten herausfinden, ob es möglich ist, die Bedürfnisse unserer Autor:innen zu erfüllen, Schreibbarrieren abzubauen und gleichzeitig in gewohnt hoher Qualität zu publizieren, wenn wir GPT verwenden.
Wie das KI-Experiment ablief
Als Verlag haben wir uns dazu verpflichtet, technologischen Wandel nicht nur für uns und unsere Autor:innen zu nutzen und voranzutreiben, sondern auch aktiv ethische, sichere und nachhaltige Praktiken zu fördern. Zu diesem Zweck haben wir ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Innovationsmanagement, IT, KI, Lektorat und Autor:innen zusammengestellt.
Wir haben Autor:innen gefunden, die nicht nur über das notwendige Fachwissen und einen technischen Hintergrund verfügen, sondern auch eine hohe Innovationsbereitschaft haben. Das Experiment bedurfte akribischer Vorbereitung: Neben der Festlegung des Buchthemas sollten außerdem der Titel sowie der Untertitel und das Inhaltsverzeichnis festgelegt sein. Darüber hinaus bereiteten die Autorinnen und Autoren für jedes Kapitel und Unterkapitel inhaltliche Stichpunkte vor, die die inhaltliche Qualität sicherstellen sollten und die maßgeblich ihr Expertenwissen widerspiegeln.
Am Tag des Experiments, dem „Hack Day“, kamen alle unter medialer Begleitung an einem großen Tisch im Wiesbadener Verlagsgebäude zusammen. Ziel war es, am Ende des Tages das Rohmanuskript für ein Buch erstellt zu haben. Der Tag war von großer Aufmerksamkeit und Spannung geprägt. Denn es ging auch darum, einen ethischen und nachhaltigen Umgang mit KI aktiv zu gestalten, sich flexibel auf unvorhersehbare Ergebnisse und sich verändernde Bedingungen einzustellen und gleichzeitig den Prozess transparent zu dokumentieren.
Im Meetingraum wurden die Anwesenden aufgeteilt: Eine Seite des Tisches bestand aus KI-Expert:innen und Autor:innen, die andere Seite umfasste Autor:innen und das Lektorat. Die KI-Expert:innen und Autor:innen arbeiteten zusammen, um den ersten Prompt, also die Anweisung an die Maschine, für ein Unterkapitel auf Basis der vorbereiteten Inhalte zu schreiben und so Texte generieren zu lassen. Das zweite Team überprüfte dann die Ergebnisse und machte Vorschläge, wie die Prompts verbessert werden könnten – ein Prozess, den wir „Prompt-Pingpong“ nannten. Nach fast zwei Stunden waren wir mit dem Kapitel zufrieden .
Für den Rest des Buches konnten wir die Inhalte schneller generieren, bis wir Kapitel für Kapitel durchlaufen ließen. Am Ende des Tages hatten wir 180 Seiten Rohmanuskript generiert, das wir nun nachbereiten konnten. Dies umfasste die Qualitätssicherung der generierten Texte durch sorgfältige Überprüfung, Veredelung, Personalisierung und Erweiterung der generierten Inhalte durch Autor:innen und Lektorat. Zudem wurden die relevanten Datenquellen verknüpft, um die korrekte Darstellung der Urheberschaft sicherzustellen. Von der Idee bis zur Veröffentlichung des Buchs dauerte es am Ende weniger als fünf Monate. Das ist etwa die Hälfte der normalerweise benötigten Zeit.
Was sich daraus lernen lässt
Diese innovative Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine versetzt uns in die Lage, Fachbücher schneller und effizienter zu erstellen. Jedoch hat sich auch klar gezeigt, dass die Qualität und Expertise unserer Autor:innen weiterhin im Mittelpunkt stehen. Das Experiment stellt einen wichtigen Schritt auf unserem Weg dar, den Bedürfnissen unserer Autor:innen in einer zunehmend digitalisierten Verlagswelt gerecht zu werden.
Seit Kurzem halten wir das Buch in unseren Händen. Auf den ersten Blick unterscheidet es sich nicht sehr von anderen Büchern. Die geheime Zutat – KI – ist auf den ersten Blick unsichtbar.
Vivien Bender
buchreport.spezial Management & Produktion 2023
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.spezial Management & Produktion 2023.
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