„Gregorius tat, was er immer getan hatte, wenn er unsicher gewesen war: Er schlug ein Buch auf.“ Der bibliophile, nicht mehr junge Altphilologe Gregorius in dem Bestsellerroman „Nachtzug nach Lissabon“ ist allerdings kein typischer Vertreter zeitgenössischer Erkenntnissuche, denn das gedruckte Wort gerät bei der Informationsfindung gegenüber Internetangeboten immer mehr ins Hintertreffen. Darauf deuten nicht nur die aktuellen Aktivitäten von Lexikon- und Ratgeber-Verlagen hin, die um neue Angebote im Netz ringen, sondern auch die Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage, die buchreport in Auftrag gegeben hat.
Das Internet ist der favorisierte Kanal
Welches Medium bevorzugen Sie, wenn Sie sich umfassend über ein bestimmtes Thema informieren möchten? Diese Frage hat TNS emnid für buchreport erstmals im Frühjahr 2006 und erneut vor wenigen Tagen rund 1000 repräsentativ ausgewählten Deutschen gestellt. In beiden Fällen wurden die Befragten gebeten, die Medien nach Nutzungsrelevanz zu ordnen.
Das Ergebnis zeigt erhebliche Verschiebungen in der Nutzung zu Lasten des Buchformats:
- Das Internet, 2006 von 34% als bevorzugtes Informationsmedium genannt, ist jetzt bereits bei 48% der favorisierte Kanal.
- Zeitschriften, vor zwei Jahren noch von 39% am häufigsten als Quelle der ersten Wahl genannt, werden jetzt nur noch von 32% bevorzugt.
- Sachbücher hatten 2006 noch 23% genannt, jetzt sind es nur noch 18%.
Dabei hat buchreport diesmal die Tür noch ein Stück weiter geöffnet und nicht nur die allgemeine Kategorie „Sachbuch“ angeboten (die laut Vortests im Verständnis der Befragten auch Ratgeber einschließt), sondern zusätzlich auch das „Buchlexikon“ als mögliche Erkenntnisquelle vorgegeben.
Die jüngere Generation informiert sich mit der Maus
Besonders krass ist die Entwicklung in der Altersgruppe der Unter-30-Jährigen, bei der die erste Informationssuche ganz eindeutig ins Internet führt:
- 80% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen geben die Online-Suche als wichtigstes Informationsmedium an (2006: 66%); die Printmedien spielen folglich nur noch eine marginale Rolle.
- Print, dann allerdings zumeist in Form von Zeitschriften, ist nur bei der Generation 50+ weiter vorn, bei den 50- bis 60-Jährigen allerdings auch nur knapp und nur bei den Über-60-Jährigen noch sehr eindeutig ausgeprägt.
Höhergebildete sind besonders onlineaffin
Auch weitere Aufschlüsselungen signalisieren der Branche, dass Sachinformation bei relevanten Zielgruppen immer seltener zuallererst im Buchformat nachgefragt wird:
- Die Information zu Sachthemen im Internet ist bei Befragten mit mittlerem oder hohem Bildungsabschluss (Abitur/Studium) überdurchschnittlich ausgeprägt und besonders stark angestiegen. Auch wenn die Buchaffinität bei den formal Hochgebildeten erkennbar ausgeprägter ist als bei anderen Gruppen, bleibt das Computermedium mit Abstand erste Wahl.
- Die präferierte Internetnutzung steigt mit dem Haushaltsnettoeinkommen. In der höchsten Einkommensklasse (2500 Euro und mehr) sind 62% zuallererst im Internet unterwegs, Zeitschriften (22%) und Bücher (13%) folgen weit abgeschlagen. Vor zwei Jahren waren die Prioritäten bei den Besserverdienenden mit 40% Internet, 38% Zeitschrift und 22% Sachbuch weitaus weniger ausgeprägt.
- Bei Männern ist die Hinwendung zum Internet signifikant höher als bei Frauen.
Umsatzentwicklung ist noch wenig eindeutig
Die direkten Auswirkungen auf den Buchmarkt sind nur in Teilen eindeutig wie die viel beachtete Klage über die deutlich gesunkene Nachfrage nach der „Brockhaus Enzyklopädie“, die auch im neuen buchreport-Ranking der „100 größten Buchverlage“ im 13%-Umsatzrückgang beim Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus sichtbar wird.
Die Konjunkturen der Verlage sind insgesamt allerdings nicht eindeutig in dem Sinne, dass Verlage mit Wissen, Sachthemen und Rat generell verlieren. Auch die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Warengruppen im Handel taugt wegen vieler Einflüsse nur sehr eingeschränkt als Beleg für eine Substitution der Medien.
Eine Schlussfolgerung aus Umfragen und anderen Mosaiksteinen veränderter Mediennutzung ist allerdings zwingend: Wenn im Internet gesucht wird, müssen Verlage, Bücher und andere Verlagssubstanzen mit Sach- und Wissensschwerpunkt auch ebendort gefunden werden. Dies wird sehr bald die Nagelprobe für alle Volltextsuch- und Buchfinde-Ansätze sowie bei der Etablierung eigener Vermarktungsplattformen der Verlage.
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