Auch wenn sich die Buchbranche nicht im Krisenstrudel sieht, wird vorsorglich auf die Kostenbremse getreten. Von der Defensive betroffen sind vor allem Werbeauftritte und das Personal. Wenn nicht an der Kopfzahl, so wird zumindest an den Köpfen gespart: Fortbildung wird in diesen Tagen kleiner geschrieben, dies hat eine buchreport-Umfrage beim vom Börsenverein ganz oder in Teilen getragenen Angeboten gezeigt. Die angebotenen Seminare haben mit rückläufigen Teilnehmerzahlen zu kämpfen und müssen häufiger abgesagt werden. Im Interview beschreiben Anja Bergmann (re.), seit 2006 im Bereich Aus- und Fortbildung im Landesverband NRW tätig, und Almut Stützel (koordiniert beim LV Bayern Seminarangebote auch für andere Landesverbände des Börsenvereins) die Auswirkungen des Sparkurses.
An der Fortbildung sparen: Eine naheliegende Entscheidung in schwierigen Zeiten?
Bergmann: Nein. Bei der Vielzahl der Angebote und in der kritischen Konsumstimmung kann man nur bestehen, indem man besser ist als andere und sein eigenes Profil schärft. Wer jetzt keinen Mut zeigt und in persönliche oder Weiterbildung des Teams investiert, verpasst wichtige Chancen. Grundsätzlich ist Fort- und Weiterbildung unumgänglich, denn viele Entwicklungen gehen so schnell, wie die Digitalisierung der Inhalte und das veränderte Kundenverhalten. Die Erschließung neuer Kundengruppen oder die Bindung der bestehenden muss jetzt durch veränderte Kundenansprache angefangen werden! Dabei hilft allein das Bauchgefühl der Buchhändler wenig.
Treten deshalb Themen in den Hintergrund, die sich mit der Veränderung von Organisationsstrukturen beschäftigen?
Stützel: Ja, aber man kann auch sagen, dass insgesamt weniger gebucht wird. Allerdings ist keine generelle Aussage für alle Landesverbände möglich. Ein Thema, das in einer Region besonders gut läuft, kann in der anderen auch nicht gut ankommen.
Bergmann: Eingespielte Abläufe zu verändern, kostet Kraft und Zeit und verlangsamt vorübergehend vielleicht den Arbeitsfluss. Aber wir versichern, dass wir in unseren Seminaren nie die unrealistische Radikallösung bieten. Unsere Referenten schauen mit den Teilnehmern ins Detail. In den Seminaren wird erarbeitet, wie kleine Dinge im Alltag umsetzbar sind und damit eine Veränderung realisierbar machen.
Warum tun sich besonders Sortimenter schwer, Mitarbeiter für Fortbildungsmaßnahmen abzustellen?
Bergmann: Für ein Seminar muss man nicht nur die Teilnahmegebühren aufbringen, sondern auch einen Mitarbeiter von der Arbeit freistellen. Das ist in einer kleinen Buchhandlung natürlich eher ein Problem als in einem Verlagshaus. Dabei ist es besonders bei neuen Themen so wichtig, den Kunden zu vermitteln: Auch bei uns bekommen Sie zum Beispiel das E-Book. Denn sind die Kunden erstmal daran gewöhnt, digitale Inhalte bei anderen Anbietern zu bestellen, das Jugendbuch bei der Konkurrenz zu kaufen, warum sollten sie dann zurück in die Buchhandlung kommen?
Was tut der Verband, um die Nachfrage wieder zu erhöhen?
Stützel: Wir bieten vermehrt Halbtagsangebote an und versuchen die Themenwünsche aus früheren Seminaren noch stärker zu berücksichtigen. Wir arbeiten mit erfahrenen Branchenprofis, die wissen, welche Anforderungen „neben“ der Veränderung gestemmt werden müssen. Nicht zu vergessen ist auch, dass wir die Gebühren nach wie vor niedrig halten können. Es gibt noch dazu verschiedene Möglichkeiten, Ermäßigungen zu bekommen und Zuschüsse zu beantragen. Diese sind regional unterschiedlich, können aber jederzeit in den Geschäftsstellen der Landesverbände erfragt werden. Außerdem versuchen wir Buchhändler und Verlagsmitarbeiter „abzuholen“: Mit Arbeitskreisen, Regionaltreffen oder dem „Verband vor Ort“.
Mehr zum Thema lesen Sie im aktuellen buchreport.express 35/2009
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