Im Zeichen der Corona-Krise: Seit 15. März arbeiten die mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Münchner Publikumsverlags Droemer Knaur jeweils im Home Office. Norbert Stengelin ist seit 2002 Leiter Einkauf und Herstellung und sitzt damit an einer Schnittstelle der Zusammenarbeit der Abteilungen. Im buchreport-Interview spricht er über die veränderte Zusammenarbeit in Corona-Zeiten und spürt bei vielen Kollegen eine andere Einstellung zum Digitalen.
Wie funktioniert das dezentrale Arbeiten?
Die Organisation findet jetzt virtuell statt, für 19 Leute in Herstellung und Einkauf und mehr als 100 im gesamten Verlag. Das Spannende ist, wie schnell die Kolleginnen und Kollegen das angenommen haben, von heute auf morgen digital zu arbeiten. Was vorher teilweise doch schwierig war, an neuen Arbeitsformen durchzusetzen, funktioniert jetzt plötzlich.
Wie haben Sie die technischen Anforderungen gelöst?
Die wenigsten sind zu Hause so ausgestattet, dass sie ohne Weiteres von dort arbeiten könnten. In der Herstellung haben wir den Mitarbeitern Laptops zur Verfügung gestellt und dort die notwendige Software aufgespielt, also die Adobe-Programme, solche für die XML-Produktion und auch fürs digitale Korrekturlesen. Wir haben möglichst große Laptops besorgt, und weil wir sowieso mit zwei Bildschirmen arbeiten, hat jeder zusätzlich einen großen Bildschirm mit nach Hause genommen. Technisch läuft alles gut.
»Manchmal haben wir auch ziemlich viel ausgedruckt … Ob das immer nötig war?«
Und in der Zusammenarbeit und den Abläufen?
Der direkte menschliche Kontakt fehlt schon. Deshalb schalten wir uns jetzt täglich zu einer bestimmten Uhrzeit über Google Hangouts zusammen und besprechen 15 bis 30 Minuten eine Mischung aus persönlichen und dienstlichen Themen. Dienstlich geht es vor allem um Organisatorisches: Welche Aufgaben stehen an und wie dokumentiere ich das. Danach arbeitet dann jeder seine Projekte ab.
Schwieriger ist die Absprache beim kreativen Teil der Arbeit, wenn man über bestimmte Gestaltungsideen spricht oder die Ausstattung. Es ist ungewohnt, solche Entscheidungen ohne Haptik zu treffen, sondern nur über den Bildschirm. Aber man gewöhnt sich auch daran. Manchmal haben wir auch ziemlich viel ausgedruckt … Ob das immer nötig war?
Wird das Auswirkungen haben, wenn die Arbeit wieder unter normaleren Bedingungen stattfinden kann?
Da wird sich auf jeden Fall etwas verändern. Um das konkret und sicher zu benennen, brauche ich noch etwas Zeit und weitere Erfahrungen. Ich bin aber sicher, dass viele Kollegen im Verlag eine andere Einstellung zum Digitalen bekommen. Da sind jetzt in der Zwangssituation ein paar Hürden abgebaut worden, weil sich jetzt alle damit beschäftigen mussten. Mancher stellt fest, dass es durchaus positive Erfahrungen sind. Wir haben so künftig mehr Optionen und werden flexibler.
»Ich bin sicher, dass viele Kollegen im Verlag eine andere Einstellung zum Digitalen bekommen.«
Ist die Herstellung nicht bereits weitgehend durchdigitalisiert?
Ja, in Herstellung und Einkauf sind wir schon länger sehr digital unterwegs. Das hat sich jetzt auch als Vorteil erwiesen. Durch die Corona-Umstände hat sich jetzt auch das Einbinden und die Übernahme von Technik in den anderen Abteilungen ‧beschleunigt. Das bezieht sich etwa auf die gemeinsame Arbeit mit dem Redaktionssystem Smashdoc. Wir können so mit dem Lektor und dem Autor digital gemeinsam und zeitgleich am Buch arbeiten und dort die Daten druckfertig machen. Das nutzen jetzt auch jene Lektoren, die das bisher weniger angenommen haben und stellen fest, dass sich damit ganz angenehm arbeiten lässt.
Ohne Papier, auf dem man doch anders liest?
Ja, im Lektorat ist die Arbeit mit Papier noch deutlich ausgeprägter. Was die Unterschiede angeht: Die Kol‧legen bei Rowohlt haben das ausgewertet und parallel ‧eine größere Zahl von Titeln auf Papier und digital ‧lesen lassen. Beim digitalen Lesen wurden überraschenderweise deutlich mehr Fehler gefunden, weil das Programm gut hilft, Fehler zu finden … Aber für jeden, der es gewohnt ist, auf Papier zu arbeiten, ist es erst mal eine längere Umstellungsphase.
Ihr Zwischenfazit?
Die gute Nachricht: Alles funktioniert. Das große Problem ist der Markt. Das ist bitter, denn es wäre ja jetzt gerade eine gute Zeit, in der wir den Leuten viel bieten könnten. Wir merken zwar, dass das E-Book etwas stärker gefragt ist, aber die meisten Menschen wollen eben weiter physische Bücher.
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