Peter Englund ist der neue Literaturnobelpreis-Verkünder. Der Ständige Sekretär der Svenska Akademien ist eigentlich Historiker. Im Interview mit buchreport berichtet der schwedische Schriftsteller von der Arbeit der Akademie hinter den Kulissen.
Die Buchbranche ist wieder gespannt: Wie sieht es hinter den Kulissen in dem 18-köpfigen Gremium aus, eher ruhig oder konfliktreich?
Im Prinzip ruhig, aber natürlich gibt es Konflikte. Während meiner Jahre an der Akademie sind die aber nie wirklich hässlich gewesen. Wir erleben zahlreiche positive, also gesunde, kreative Konflikte. Das große Problem bei einem geschlossenen Personenkreis wie bei uns sind weniger die Reibungen als vielmehr das Gruppendenken, das aufkommt bei zu wenig Konflikten.
Wie gehen Sie mit Lobbyisten um?
Wenn wir sie schon nicht ganz meiden können, hören wir ihnen höflich zu – und dann ignorieren wir sie.
Manchen mag es befremdlich erscheinen, dass ein Historiker den Namen des Literaturnobelpreisträgers verkündet…
Das ist es aber nicht. Es hat immer mindestens einen Historiker an der Akademie gegeben, und diesmal ist der Historiker eben auch noch Ständiger Sekretär. Dabei sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass der Nobelpreis nur eine von vielen Auszeichnungen ist, die die Akademie verleiht, wenn auch die höchste und prestigeträchtigste.
Welche Rolle spielt Ihr persönlicher literarischer Geschmack bei Ihrer Arbeit für die Akademie?
Das Motto, das unser Gründer Gustav III. der Akademie mit auf den Weg gegeben hat, lautet ja „Snille och Smak“, was soviel heißt wie „Geist und Geschmack“. Mein persönlicher Geschmack hat natürlich schon früher eine Rolle gespielt, wenn es darum ging, Nobelpreisträger zu küren. Aber ich hatte nur eine von 18 Stimmen. Und das hat sich ja nicht geändert. Mein persönlicher Geschmack wird keine größere Rolle spielen, nur weil ich zum Ständigen Sekretär ernannt worden bin, sie wird aber auch nicht kleiner.
Nach jeder Verkündigung hört man Kritiker fragen: „Warum hat nicht XYZ den Preis bekommen?“ Was sagen Sie diesen Leuten?
Es gibt immer eine Reihe von Menschen, die den Preis verdient hätten, aber leider kann ihn ja nur einer bekommen. Diese Rechnung ist ziemlich simpel und ein bisschen grausam. Nehmen Sie beispielsweise das Jahr 1969. Auf der Shortlist jenes Jahres waren Auden, Greene und Malraux zu finden. Der Preis ging an … Beckett.
Die Fragen stellte Ingo Schiweck
Zur Person: Peter Englund
1957 im nordostschwedischen Boden geboren und dort aufgewachsen. Sein Studium der Archäologie, Geschichte und Theoretischen Philosophie an der Universität Uppsala schloss er 1983 mit dem Bachelor ab. 1988 erste große Veröffentlichung: „Poltava“. 1989 promovierte Englund mit einer Arbeit über die Weltanschauung des schwedischen Adels im 17. Jahrhundert. Seit Ende 2002 ist er Mitglied der Svenska Akademien, seit 2009 ihr Ständiger Sekretär.
aus: buchreport.magazin 10/2009
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