buchreport

Wiener Branche irritiert

„Überraschend“ ist das Schlüsselwort in Wiener Verlagskreisen, das sich durch viele Reaktionen auf die Ankündigung vom baldigen Umzug der Verlagsgruppe Carl Ueberreuter nach Berlin zieht, denn Ueberreuter gilt als tragende Säule in der österreichischen Buchlandschaft:

  • Mit Abstand der größte Publikumsverlag des Landes.
  • Eines der ganz wenigen Häuser mit österreichischem Eigentümer, die auch im deutschen Buchhandel gut sichtbar sind.
  • Vor allem im Bereich Sachbuch ein Platzhirsch bei Österreich-Themen.

Allein im aktuellen Herbstprogramm finden sich Titel wie „Österreich: Hinter den Kulissen der Politik“, „Haderers Österreich“, „Die besten Weine Österreichs“ oder auch etwas speziellere Bücher wie das umfassende Werk über „Bekannte österreichische Selbstmörder“.

Doch gerade der österreichische Umsatzanteil des Verlags sei von 41% im Jahr 2009 auf gerade 32% im laufenden Jahr eingebrochen, erläutert Ueberreuter-Geschäftsführer Klaus Kämpfe-Burghardt und dies betreffe insbesondere den Bereich Sachbuch.

Dies sei erstaunlich, analysiert Herbert Ohrlinger, Programmchef des zu Hanser (München) gehörenden Wiener Zsolnay Verlags, denn der österreichische Buchmarkt habe sich in der jüngeren Vergangenheit als erheblich stabiler erwiesen als jener in Deutschland oder der Schweiz; ein Österreich-Anteil von einem Drittel sei für einen Wiener Verlag eigentlich hoch.

Kritik am bisherigen Standort

Die Umzugsbegründungen werden in Österreichs Hauptstadt, wo sich die Branche gerade auf dem Messegelände mit der BuchWien auf die umsatzstärkste Jahreszeit einstimmt, insgesamt etwas ungläubig  betrachtet. Einen generellen Markttrend, oder eine fundamentale Verschiebung im Buchgeschäft zwischen Österreich und Deutschland mag etwa auch Gerald Schantin nicht erkennen. Der Geschäftsführer der in Wien und Ostösterreich starken Buchhandelskette Morawa sowie Präsident des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels ortet die Hauptkraft hinter dem Umzugsplan in der Person des erst im Mai 2011 zu Ueberreuter gestoßenen Verlegers Klaus Kämpfe-Burghardt.

Der frühere Patmos-Verleger und kurzzeitige Vorstand des Bibliographischen Instituts (beides unterm Cornelsen-Konzerndach) war nach Ausscheiden des langjährigen Ueberreuter-Verlegers Fritz Panzer und der zwischenzeitlich aktiven kaufmännischen Geschäftsführerin Silvia de Sordi für eine neue verlegerische Orientierung verpflichtet worden. Kämpfe-Burghardt wie auch der Ueberreuter-Eigentümer und Papierindustrielle Thomas Salzer hatten die Ankündigung vom Wechsel „von der Donau an die Spree“ mit scharfen Ansagen gegen den bisherigen Standort Wien gewürzt. Der Standort Wien habe sich „zunehmend als Wettbewerbsnachteil für den Bereich Kinder- und Jugendbuch entwickelt“, während Berlin mit einer „lebendigen, innovativen Buch-, Kultur- und Familienszene“ locke.

Erster Autor zieht Konsequenzen 

Im buchreport-Gespräch relativiert Kämpfe-Burghardt und betont, man gehe zwar „ganz bewusst nach Berlin“, nicht zuletzt wegen der kurzen Wege zu Autoren und Illustratoren wie auch den Medien in der Hauptstadt, doch würden Autoren wie Markt in Österreich auch weiterhin aufmerksam gepflegt werden, auch wenn es hieß, dass die Pressearbeit wie auch das Rechte- und Lizenzgeschäft künftig an Agenturen ausgelagert würden. Das erste Feedback von Autorenseite wie auch aus dem Team sei durchaus positiv, so Kämpfe-Burghardt, der anfügt, man wolle 17 von derzeit 27 Mitarbeitern nach Berlin mitnehmen.

Nicht alle Autoren reagieren positiv. Aus Protest gegen die Übersiedelung will der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer einen neuen Verlag für seine Karikaturenbände suchen. „Es ist mir widerlich, dass so viele Leute gekündigt wurden“, zitiert ihn das Nachrichtenmagazin „Profil“ (14.11). „Da will ich nicht mitmachen“, erklärte der 60-Jährige, der 15 Jahre mit Ueberreuter zusammengearbeitet hat.

Die Fördermittel bleiben knapp

Für den geografisch in einer Randlage des deutschsprachigen Buchmarktes situierten Verlagsstandort Wien ist der Weggang des größten Hauses ein Signal mit Tragweite. Eine „Katastrophe“ nennt es Autorenvertreter Gerhard Ruiss, weil Wien zwar „Buchstadt“ sein wolle, jedoch nicht die dazu erforderlichen Mittel bereitstelle, „um Wien auch als Buchstadt attraktiv genug zu machen“. Die für Verlags- und Literaturförderung zuständige österreichische Bundeskulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) bedauert gegenüber buchreport die seitens der Unternehmer getroffene Standortentscheidung, betont jedoch, dass das bisherige Fördervolumen von 2 Mio Euro pro Jahr trotz restriktiver Budgetvorgaben beibehalten werde.

Aber tatsächlich beweist der Weggang von Ueberreuter, dass staatliche Förderung allein in ihrer derzeitigen Form auf Entscheidungen größerer Verlage wohl keine Wirkung hat.

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "Wiener Branche irritiert"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*