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Wir brauchen dringend eine Mindestvergütung bei E-Books

Die Offensive von Andrew Wylie ist nach Einschätzung von Imre Török erst der Anfang. Im Interview mit buchreport.de warnt der Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftsteller vor einem radikalen Wandel im Verhältnis von Autoren und Verlagen und der Vereinzelung der digitalen Vermarktung.

Warum hört man hierzulande von Ihrem Verband so wenig zum Thema Digitalisierung?
Das Thema Digitalisierung ist vom Verband deutscher Schriftsteller (VS) seit langem als höchst spannend und ebenso brisant erkannt, die Digitalisierung wird, z. T noch völlig unvorhersehbare, gravierende Veränderungen im Verhältnis Autoren und Leser mit sich bringen. Insbesondere die Art der Verwertung, der Vermarktung wird sich stark wandeln, nicht zuletzt durch die Individualisierung, die mit dem digitalen Zeitalter einhergeht.

Also ist Wylie nur die Avantgarde?
Deals wie der von Andrew Wylie sehe ich nur als kleinen Anfang. Der deutsche Mark für E-Books ist zwar noch wenig reif dafür, dass hier umgehend mit vergleichbaren Entwicklungen im großen Stil zu rechnen sei. Doch dass Autoren bei der Vermarktung mit allen digitalen Möglichkeiten (die das Internet, E-Books, iPad etc. bieten) die Verlage umgehen – mit oder ohne Agentur -, diesen Prozess sehe ich deutlich kommen.
 
Öffentlich zu Wort gemeldet hat sich Ihr Verband dennoch nicht zu diesem Thema.
Geschlafen haben sicherlich nicht die Worturheber, sondern ihre Verwerter. Wenn die Verlagsbranche diesen Trend nicht sehr gründlich analysiert und zügig in den Griff bekommt, wird sich auf dem Wege der Digitalisierung das traditionelle Verhältnis von Autoren und Verlagen radikal verändern. Zu ungunsten vieler Verlage und leider auch der Buchläden.

Aber zu Gunsten der Autoren – also Applaus für Wylie?
Der Vorstoß von Andrew Wylie ist aus Autorensicht insofern kritisch zu sehen, dass diese Vorgehensweise in der Art praktisch nur mit Bestsellern machbar ist. Der notwendigen Pyramide aller Literaturprodukte wird die Spitze geköpft und auf dem Silbertablett dargeboten. Weniger bekannte Autoren werden in die Vereinzelung der digitalen Vermarktung getrieben. Es sei denn, die Verlagsbrachen wird auf breiter Ebene beweglicher und bietet zudem den Autoren grundsätzlich deutlich bessere Konditionen an, die über den z. Z. marktüblichen liegen müssen. Genaueres ist Verhandlungssache.

Wann wird verhandelt?
Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) hat dem Börsenverein Verhandlungen angeboten. Eine Überarbeitung des Normvertrags im Hinblick auf die Digitalisierung ist in der Tat Verhandlungsgegenstand. Keine Bereitschaft scheint es zu geben, über angemessene Mindestvergütung zu verhandeln. Der Börsenverein verweist auf das Beispiel der Vergütungsregeln für belletristische Literatur, die der VS erfolgreich mit einer repräsentativen Anzahl von Verlagen ausgehandelt und unterzeichnet hatte.

Wie stehen Sie dazu?
Vergütungsregeln sind aus meiner Sicht zwar auch bei der digitalen Verwertung mit dieser Vorgehensweise zu erreichen. Doch die Dynamik der Digitalisierung ist, wie ausgeführt, viel grundlegender. Grundsätzliche Klärungen und zugleich die Schaffung von Mindeststandards müssen also ganz in beiderseitigem Interesse liegen, einschließlich der Frage der Tantiemen bei digitalen Wortprodukten. Angesichts der Brisanz – die Offensive in den USA ist nur ein Vorbote dieser Entwicklung – hoffe ich auf die Einsichtsfähigkeit der Verlegerseite, alsbald alle offenen Fragen gemeinsam zu klären und eben auch gemeinsame Vergütungsregeln zu etablieren.

Die Fragen stellte Daniel Lenz

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