buchreport

»Wir brauchen weiterhin Eigensinn und Instinkt«

Ullstein hofft auf ein gutes Buch-Jahr, nachdem aktuelle Bestseller wie »Das Café ohne Namen«, aber auch das Forever-Imprint viel Freude machen. Verleger Karsten Kredel betont die Stärke in der Breite und hat neue Projekte.

Karsten Kredel (50) ist seit 2020 verlegerischer Geschäftsführer der Ullstein Buchverlage. Er studierte in Berlin und Harvard amerikanische, deutsche und afrikanische Literatur und arbeitete zunächst als freier Übersetzer und Journalist, bevor er 2005 als Lektor zu Suhrkamp ging. 2009 übernahm er dann bei Eichborn die Leitung des Literaturprogramms. Nach einem erneuten Zwischenspiel bei Suhrkamp, wo er ab 2011 Programmleiter für Internationale Literatur war, leitete er von 2014 bis 2020 Hanser Berlin. Als Übersetzer hatte Kredel Anteil am Vampir-Boom: Er übertrug Stephenie Meyers „Bis(s) zum Morgengrauen“ ins Deutsche. (Foto: buchreport/LS)

 

Karsten Kredel kann sich wirklich nicht beschweren, wenn er im Eingangsbereich des Ullstein-Hauses in der Berliner Friedrichstraße auf die Regalwand mit den aktuellen Büchern des Verlags schaut: So mancher SPIEGEL-Bestseller ziert die Regalfächer – angefangen mit Robert Seethaler, den Kredel einst bei Hanser Berlin betreute und der jetzt seinen neuen Roman „Das Café ohne Namen“ beim literarischen Ullstein-Imprint Claassen veröffentlicht hat.

Doch es sind nicht nur einzelne Titel, die aktuell Freude machen, wird Verleger Kredel nicht müde zu betonen: Die Stärke von Ullstein sei seine programmatische Vielfalt, eine Stärke in der Breite, die alle Genres durchziehe: „Diese Vielfalt schafft Stabilität in einem Markt, der sehr beweglich und manchmal auch unwägbar ist. Sie ist aber nur dann eine Stärke, wenn man differenziert arbeitet und immer wieder neu vom einzelnen Buch her denkt.“

Kredel war 2020 von Hanser Berlin zu Ullstein gewechselt, um den Verlag zusammen mit dem kaufmännischen Geschäftsführer und CEO Urban van Melis zu leiten, nachdem es zuvor eine größere Fluktuation gegeben hatte: Als Kredel antrat, war er der dritte verlegerische Geschäftsführer innerhalb von drei Jahren – nach Gunnar Cynybulk und Barbara Laugwitz.

Die Bonnier-Tochter Ullstein gehört als klassischer Publikumsverlag zu den großen Bestseller-Häusern im deutschsprachigen Raum. Im Ranking der Bestseller-Verlage, das buchreport jährlich anhand der SPIEGEL-Bestsellerlisten Belletristik und Sachbuch erstellt, bewegt sich Ullstein regelmäßig auf den vorderen Plätzen: Spitzenplatz im Jahr 2020, Rang 5 im Jahr 2021 und zuletzt 2022 Platz 2 hinter dtv. 

Programmbereiche individuell stärken

Kredel will bei Ullstein die komplette Bandbreite stärken, so wie es die einzelnen Programmbereiche benötigen. Zu den aktuellen Initiativen gehören:

  • Neuaufstellung des Spiritualitäts-Labels Allegria, in dem jetzt auch stärker Themen der ganzheitlichen Lebenshilfe gespielt werden, die zuvor mit „Ullstein leben“ abgedeckt wurden.
  • Launch des neuen Labels park x ullstein, in dem Ricarda Saul ab diesem Herbst mit 4 bis 5 Titel pro Halbjahr aus den Bereichen Belletristik und erzählendes Sachbuch Akzente setzen soll.
  • Start der Literaturzeitschrift „Delfi. Magazin für neue Literatur“, wo zweimal im Jahr internationale und deutschsprachige Prosa, Dramatik, Lyrik und Comics in thematischen Ausgaben veröffentlicht werden.
  • Auf der aktuellen Romance- und Romantasy-Welle reitet das New-Adult-Label Forever, das 2014 zunächst als reines Digital-Imprint gestartet worden war.

Kredel selbst betreut Sachbücher und Belletristisches und schätzt auch die offenen Belletristik- und Sachbuch-Lektorate bei Ullstein, in denen Mitarbeitende teils ganz unterschiedliche Titel für verschiedene Imprints lektorieren. Bei allen übergeordneten Aufgaben sagt er: „Ich möchte immer auch mit Autor:innen an ihren Texten arbeiten. Das ist eine Kraftquelle, es ist die größtmögliche Verpflichtung, und es erinnert mich daran, wie großartig das ist, was wir machen.“

Im Interview spricht er über sein Selbstverständnis als Verleger, die Herausforderungen des Marktes vom E-Lending bis zur Konkurrenz durch englischsprachige Originalausgaben und den Romance-Boom.

 

Karsten Kredel (Foto: buchreport/LS)

»Nichts wird gelingen, wenn man ein Prinzip über die gesamte Breite des verlegerischen Programms stülpt.« 
Karsten Kredel

 

Wie verstehen Sie Ihren Verleger-Job, Herr Kredel?

Meine wichtigste Aufgabe ist es, Ansprechpartner für unsere Autor:innen zu sein. Das ist für den Verlag wichtig und entspricht meinem Verständnis von verlegerischer Arbeit. Ich möchte für die Menschen bei Ullstein da sein und ihnen ermöglichen, mit Freude und kreativer Freiheit zu arbeiten. Und natürlich möchte ich programmatische Akzente setzen – das betrifft nicht nur die einzelnen Bücher, sondern auch unsere verlegerische Haltung.

Was bedeutet das für das breite Ullstein-Programm?

Akzente setzen bedeutet nicht, das eine zu Ungunsten des anderen zu tun. Die Stärke von Ullstein ist unsere programmatische Vielfalt, wir wollen unterschiedliche Bücher auf jeweils unterschiedliche Weise möglichst exzellent machen. Diese Vielfalt ist aber nicht beliebig, es geht keineswegs darum, möglichst alles zu machen. Sondern um eine Pluralität ganz bestimmter Ambitionen. Das ist kein idealistischer Selbstzweck, sondern ökonomisch sinnvoll.

Inwiefern? 

Die vergangenen Jahre liefen für Ullstein sehr gut. Was uns den Erfolg sicherte, waren viele einzelne Titel aus ganz unterschiedlichen Programmbereichen, die zu Bestsellern wurden. Es gibt auch in diesem Jahr nicht das eine Buch, das den Verlag durch das Jahr trägt, sondern eine Stärke in der Breite: Romance, Literatur, Krimi, Ratgeber, historisches Sachbuch, politisches Sachbuch – der Erfolg ruht auf verschiedenen Schultern.

Jetzt weiterlesen mit

Mehr Hintergründe. Mehr Analysen. Mehr buchreport.

Monatspass

17,50 €*

  • Lesen Sie einen Monat lang für unter 60 Cent am Tag alle br+ Beiträge.

Abon­ne­ment „Der Digitale“

510 €*

  • Ein Jahr lang alle br+ Beiträge lesen.

Zugang zu diesem Angebot vorhanden? Loggen Sie sich hier ein.

Hilfe finden Sie in unserem FAQ-Bereich.


*alle Preise zzgl. MwSt.

Nicht das Richtige dabei? Alle Angebote vergleichen

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "»Wir brauchen weiterhin Eigensinn und Instinkt«"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*