Sibylle Jud und Sie kennen die Buchbranche im Überblick. Was ermutigt Sie jetzt, eine Buchhandlung zu übernehmen?
Es ist der Glaube daran, dass unabhängig von den durch Filialisierung und Internethandel entstandenen Verschiebungen die Buchhandlung vor Ort weiterhin eine Chance hat, wenn sie sich auf die klassischen Stärken Auswahl, Kompetenz und Beratung in einem ansprechenden Ambiente besinnt. Vor allem sollte der Buchhändler den Kunden zuhören und ihre Wünsche antizipieren.
Klingt nach einem allzu wohlfeilen Rezept …
Vielleicht, wir haben aber mit Ratingen einen guten Standort und fangen nicht bei Null an. Die bisherigen Eigentümerinnen haben eine sehr hohe Kundenbindung aufgebaut und konnten so z.B. eigene Bestseller schaffen, die sonst auf keiner Liste auftauchen. Wenn wir dieses Vertrauen bestätigen können …
Teilen die Banken die optimistische Einschätzung? Wie haben Sie die Finanzierung erlebt?
Sachlich. Es gab keine grundsätzlichen Bedenken angesichts der Branchenentwicklung.
Wie sieht Ihr Konzept aus?
Wir fangen im Januar an und finden eine funktionierende Buchhandlung vor. Wir müssen sehen, wie man neben den Sortimentsschwerpunkten in der Literatur, im Kinderbuch und bei der Reise zusätzliche Akzente setzen und neue Sortimente als Ergänzung aufnehmen kann. Was z.B. nicht nur in dieser Buchhandlung fehlt, sondern überhaupt vor Ort sind Graphic Novels.
Wir müssen einerseits die Stärken fortsetzen und andererseits schauen, was außerdem geht. Dazu gehören natürlich auch E-Books und ein ausgebauter Online-Auftritt. Aber das ist ein zusätzliches Schaufenster, darüber wird nicht der große Umsatz entstehen.
Suchen Sie Allianzen?
Buy local ist ein Thema. Es gibt viele kleinere, inhabergeführte Läden in der Nähe. Sich mit ihnen zu vernetzen, wird eine der ersten Aufgaben sein.
Was können Kleine besser als Große?
Ich weiß nicht, ob diese Fragestellung den Kern trifft. Es gibt gute und weniger gute Buchhandlungen von Filialisten. Und genauso gibt es gute und weniger gute inhabergeführte Sortimente. Über die technologische und logistische Leistungsfähigkeit von Amazon und Co. braucht man nicht zu streiten.
Letztendlich entscheidet der Kunde, und der ist emanzipiert. Wir müssen versuchen, einen Mehrwert zu bieten, der es schwer macht, sich gegen uns zu entscheiden. Es ist mit Sicherheit auch ein Abenteuer. Es gibt keine Garantie, ob es klappen wird. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Die Fragen stellte Christina Reinke
Kommentar hinterlassen zu "Wir müssen die Wünsche der Kunden antizipieren"