Lynda Obst (Foto: Amy and Stuart) hat zahlreiche Hollywood-Filme und Fernsehserien produziert, darunter „König der Fischer“, „Schlaflos in Seattle“ und „Tage wie dieser“. Außerdem schreibt sie Artikel und Bücher (nicht in deutscher Übersetzung verfügbar) über die Filmindustrie und die Rolle der Frau in der Entertainmentbranche. Im Business Club der Frankfurter Buchmesse spricht Lynda Obst zum Thema „Helden in Schwierigkeiten – oder: Warum Hollywood (vielleicht) nicht zu retten ist“.
Worin sehen Sie die Stärken des Kinofilms?
Seine Stärke liegt in der Technik, was ironischerweise mit dem Niedergang des Geschäftsmodells einhergeht. Der Kinofilm verdankt seine Wirkung dem außergewöhnlichen Klang und Bildeffekten. Sein Zustandekommen führt zurück auf die Zusammenarbeit von Fachleuten aus verschiedenen technischen Bereichen, die in gemeinsamer Arbeit ein außergewöhnliches Erlebnis erschaffen. Der Kinofilm erreicht eine Qualitätsstufe, die im Fernsehen gar nicht möglich ist. Er führt Menschen in Kinos zusammen und bietet ihnen eine gemeinsame Erfahrung, die es nicht im Schlafzimmer gibt. Filmstars kommen auf den üblichen Fernsehbildschirmen gar nicht richtig rüber, zumal die Kinoleinwand überlebensgroße Bilder bietet.
Die Verlagsindustrie durchläuft einen strukturellen Wandel von großem Ausmaß, und auch in Hollywood findet ein Transformationsprozess statt. Amazon und Netflix sind die Stichworte, die in diesem Zusammenhang üblicherweise genannt werden. Was können Verlags- und Filmbranche in diesem Veränderungsprozess voneinander lernen?
Beide sind Opfer der Technik und mussten Anstrengungen unternehmen, um ein internationales Publikum zu erreichen. Die Filmindustrien haben von der Verlagsbranche gelernt, dass es keinen Unterschied zwischen einem schwedischen, dänischen und amerikanischen Bestseller gibt: Eine gute Geschichte ist eben eine gute Geschichte.
Die Technik bringt die verschiedenen Branchen zusammen und vereint sie in einem einzigen riesigen Markt. Die Filmwirtschaft muss lernen, ihre Marketing-Kosten auf einem niedrigen Niveau zu halten, zumal sich nationales und internationales Marketing stark unterscheiden. Nicht alles, was wir auf dem nationalen Markt unternehmen – z. B. die Werbung in den Printmedien –, eignet sich auch für den internationalen Bereich. Wir müssen lernen, wie es die jungen Leute in den Social Media machen. Wir Filmleute müssen lernen, uns heutiger Medien zu bedienen, um unsere Kosten gering zu halten. Das Schlagwort ist „Free Marketing“. Ziel ist es, weniger Geld für Werbekampagnen auszugeben. Das Internet mit seinen Benutzern zeigt uns, wie man ein Publikum erreicht. Das Publikum treibt den Umsatz an. Es zeigt uns, wie man das Internet am besten nutzt. Wir brauchen intelligente Suchmaschinen für günstige und neue Marketing-Strategien; Suchmaschinen, die besser das finden, was der einzelne Nutzer im Netz sucht, etwa über Social Media.
Das Motto von StoryDrive lautet „Helden“: Was macht für Sie einen (Film-) Helden aus?
Wenn es um Helden geht, bin ich eher konservativ. An Super- oder Anti-Helden liegt mir nicht viel. Was einen Helden in meinen Augen ausmacht, sind bestimmte Werte und Entscheidungen; Werte, die man als Zuschauer übernehmen kann: also das, wonach Helden streben, was sie suchen, wofür sie stehen, welche Entscheidungen sie in ihrem Leben getroffen haben. Ich selbst mag die existentiellen und die selbstlosen Helden. Mich reizen Geschichten, die im klassischen Sinn von einem Mann oder einer Frau erzählen. Und ich denke, es gibt noch eine ganze Menge von Geschichten von Frauen, die niemand kennt und die erzählt werden sollten.
Sie haben wiederholt Kritik an der Darstellung von Frauen in Hollywood-Filmen geübt. Weshalb und mit welchem Ergebnis?
Ich habe inzwischen ein anderes Bewusstsein festgestellt. Grundsätzlich handelt es sich um ein systembedingtes Problem, wenn der Erfolg von Filmen mit weiblichen Darstellerinnen immer äußeren Umständen zugeschrieben wird, und nicht der Produktion selbst.
Mittlerweile gibt es aber weibliche Franchises wie „Die Tribute von Panem“ und „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“. Es sind nicht nur Mädchen, die sich diese Filme im Kino anschauen, sondern auch Jungs. Es herrscht Aufbruchsstimmung, eine neue Generation wächst heran. Diese jungen Menschen schauen sich „Die Eiskönigin“ an, mehr als 6 Mio Zuschauer haben den Film schon gesehen. Die Generation junger Mädchen, die jetzt heranwächst und mit diesen Filmen groß wird, wird Frauen in den Hauptrollen sehen wollen. Und an dieser Erwartungshaltung hat Disney großen Anteil.
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