Die politischen Auseinandersetzungen werden seit dem AfD-Auftrieb rauer. Auch das wahrgenommene Buch-Panorama wird breiter, Kontroversen sind damit programmiert. Auf der Buchmesse wurde es sogar handgreiflich. Rechte Verlage meldeten Sachbeschädigungen an ihren Ständen. Beim Messebesuch des AfD-Politikers Björn Höcke, der an der Präsentation des Buches „Mit Linken leben“ des rechtsgerichteten Antaios-Verlags teilnahm, kam es zu Tumulten zwischen Demonstranten und Höcke-Anhängern.
Der Börsenverein selbst hatte im Vorfeld der Buchmesse zur „aktiven Auseinandersetzung“ mit rechten Verlagen aufgefordert und eine Mini-Demo in Halle 3.1 veranstaltet, an der u.a. Vorsteher Heinrich Riethmüller und Geschäftsführer Alexander Skipis teilnahmen.
Buchmesse-Chef Juergen Boos äußerte sich im buchreport-Gespräch über die politischen Perspektiven der Buchmesse.
Wird von der Frankfurter Buchmesse 2017 neben Star-Events vor allem der Politkrawall hängen bleiben?
Boos: Ich hoffe doch, dass politisch vor allem Merkel und Macron bei der Buchmesse-Eröffnung im Gedächtnis bleiben. Sie haben den Stellenwert unserer Kultur eindrucksvoll betont und auch das schwierige Ringen um die Rolle des Urheberrechts in der digitalen Welt offen angesprochen. Auch das Treffen der europäischen Kulturminister hatte für mich einen hohen Stellenwert. Viel Eindruck hat ebenso die sehr positive und mutmachende Einschätzung des Marktes durch Random House-Chef Markus Dohle gemacht.
Festreden und Bekenntnisse zum Buch sind anerkannte Politzutaten der Frankfurter Buchmessen, aber kein Aufreger.
Ja, gut: Zur politischen Buchmesse gehörte in diesem Jahr auch die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten. Wir reden dabei über 4 von über 7000 Ausstellern, die bereits im Vorfeld eine Beachtung durch die Medien gefunden haben, die meiner Meinung nach den rechten Verlagen eher in die Hände gespielt hat.
Lang ist es her, aber auch in den 1960er-Jahren war die Frankfurter Buchmesse eine Bühne für Krawalle …
Die Buchmesse spiegelt nicht nur die Branche wider, sondern auch Auseinandersetzungen der Gesellschaft. Die Buchmesse war immer politisch, in den vergangenen Jahren vor allem mit internationaler Perspektive: China, Iran, Türkei, die Kurdenfrage, der Ukraine-Konflikt. Große Themen, die aber unterhalb des Radars der Journalisten auf der Messe blieben. Dagegen wird der Auftritt von vergleichsweise kleinen neurechten Verlagen bereits im Vorfeld skandalisiert, was vor allem den betreffenden Verlagen nutzt, die damit höchste Aufmerksamkeit erhalten haben.
Warum haben Börsenverein und Buchmesse das Thema selbst hochgehängt und zur Auseinandersetzung aufgerufen?
Die Buchmesse selbst hat dies nicht aktiv betrieben. Wir haben lediglich unsere Position klargemacht, dass Veröffentlichungen, die nicht verboten sind, auf der Buchmesse ihren Platz haben, auch wenn sie uns selbst oder Messebesuchern nicht gefallen. Daran rütteln wir nicht und es betrifft sowohl unsere ausländischen wie deutschsprachigen Aussteller. Die Buchmesse zeichnet moralisch aus, dass sie ein freier Ort für die Begegnung von Ausstellern und Besuchern aus 150 Ländern ist, auch wenn uns nicht alle Meinungen gefallen. Das ist keine Beliebigkeit, denn wir vertreten diese Position auch offensiv, wenn wir uns gegen Unterdrückung und für die Freiheit des Wortes einsetzen.
Krawall inklusive?
Wir sind dem Thema Meinungsfreiheit verpflichtet und müssen auch extreme Positionen zulassen. So wird es auch künftig Streitereien geben, auch lautstarke. Wirklich ärgerlich ist, dass die Leute sich gar nicht zuhören wollen. Gesucht wird nur die Abgrenzung, um sich selbst zu definieren. Das Aufeinanderlosgehen kann man letztlich nur durch Polizeieinsatz verhindern, als wirklich allerletztes Mittel, denn so etwas eskaliert die Auseinandersetzung natürlich.
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