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Wir sind keine Totengräber

Gekürzte Mittel, erhöhte Anforderungen, auf diese Formel bringt der von Monika Ziller (Fotomontage: buchreport.de) geleitete Deutsche Bibliotheksverband (DBV) einmal mehr die Situation der deutschen Bibliotheken. Doch was den vereinigten Bibliothekaren aktuell besonders unter den Nägeln brennt, ist der Streit mit Verlagen über den Verleih von E-Books. 
Anlässlich der Präsentation des „Berichts zur Lage der Bibliotheken“ (hier als PDF zum Download) widmet sich der Verband detailliert der Digitalisierung und fordert, dass die Finanzmittel für diesen Bereich aufgestockt werden: in den Jahren 2012 bis 2016 um 10 Mio Euro, um weitere 200.000 Titel zu digitalisieren. Nur so könne das System des freien Zugangs zu Informationen in allen Medienformaten aufrechterhalten werden.
Kritisch beäugt der DBV, dem 2100 Bibliotheken aller Sparten und Größenklassen angehören, die Politik von Verlagen beim Verleih von E-Books. Diese versuchten verstärkt, Bibliotheken aus dem Markt der elektronischen Bücher auszuschließen, indem sie entweder gar keine Angebote an Bibliotheken machten oder Preise verlangten, die jene für das gedruckte Buch um ein Vielfaches übersteigen würden – aus Angst, der Verleih könnte dem regulären Vertrieb Konkurrenz machten. Dabei sei die These von Bibliotheken als den „Totengräbern der Verlage“ so alt wie die Bibliotheksausleihe und die damaligen Volksbüchereien.
Um zu verhindern, dass bei E-Books „die Uhren um 50 Jahre zurückgedreht werden“, setzt sich der Verband dafür ein, dass die Bibliotheken wie bei gedruckten Büchern jedes E-Book zu Endkundenpreisen im regulären Handel erwerben und dann auch verleihen dürfen – dabei würde sichergestellt, dass nie mehr digitale Exemplare gleichzeitig genutzt werden, als Einzellizenzen erworben wurden. Um den Bedenken der Verleger entgegenzukommen, bietet der DBV eine E-Buch-Tantieme an, mit der vermutete Umsatzeinbrüche bei Verlagen ausgeglichen werden. 
„Börsenverein lehnt Diskussion ab“

Doch da sich der Börsenverein im Moment außerstande sehe, Vorschläge wie diesen zu diskutieren, gehe der Verband davon aus, dass die eigenen Forderungen am Ende gesetzgeberisch durchgesetzt werden müssten. 

„Wir erwarten vom Gesetzgeber die Gleichstellung von E-Books mit gedruckten Büchern in allen Bereichen“, erklärt Verbandschefin Ziller. Und warnt: „Es kann nicht angehen, dass Verlage beim unabhängigen Bestandsaufbau einer Bibliothek indirekt mitbestimmen.“ In den USA würden die eigenen Befürchtungen gerade insofern wahr, als dort drei große Verlage keine Lizenzen mehr an Bibliotheken verkauften (buchreport.de berichtete). 
Frank Simon-Ritz, Direktor der Universitätsbibliothek der Bauhausuniversität Weimar und Vorstandsmitglied im DBV, warnt davor, dass die Verlage die jahrzehntealte Kooperation von Buchhandel, Verlagen und Bibliotheken bei elektronischen Büchern „einseitig aufkündigen“. Es müsse eindeutige und einschlägige Regelungen für faire Lizenzvergabemodelle sowie eine entsprechende Aktualisierung des Urheberrechts geben, um für Rechtssicherheit zu sorgen.
Neben dem Streit um die Ausleihe von E-Books verweist der DBV auf die weiterhin angespannte Situation der Bibliotheken. Die Finanzlage der öffentlichen Bibliotheken bleibe unbefriedigend: 26% der Bibliotheken habe bereits Sparmaßnahmen umgesetzt, bei 15% seien Sparmaßnahmen geplant. Dass die Kürzungen nicht mehr ganz so stark seien wie im Jahr 2011, könne höchstens als Verschnaufpause gewertet werden. „Ein Ausbau der Bestände oder des Personals sowie eine Erweiterung der Öffnungszeiten ist nur in wenigen Fällen in Sicht. Das Spardiktat hält flächendeckend an. Weder auf Landes- noch auf kommunaler Ebene wird damit der dringend notwendige Ausbau der Bibliotheken vorangetrieben“, so der DBV.

Kommentare

2 Kommentare zu "Wir sind keine Totengräber"

  1. Es ist eigentlich unglaublich: durch wirtschaftlichen Druck zwingen die Geldgeber die Bibliotheken geradezu, in den digitalen Bestandsaufbau zu „flüchten“, und bringen sie und die Verlage gegeneinander auf. Es hilft nichts, beide sind aufeinander angewiesen (was bedeutet es für einen Verlag, in eine digitalen wissenschaftlichen Bibliotheksbestand nicht mehr nachgewiesen zu sein?) und müssen miteinander verhandeln – ohne Anklagen und ohne Tabus.

  2. Unabhängiger Verleger | 23. Oktober 2012 um 14:28 | Antworten

    Bei allem Verständnis für die schwierige Lage der Bibliotheken: Sie vergessen völlig, dass die Verlage wie die Autoren auch leben müssen. Ich kenne keinen einzigen Vorschlag einer vernünftigen Honorierung durch Bibliotheken, da die Bibliotheken verkennen wollen, dass digitale eBooks keinem Verschleiss unterliegen und somit die Ersatzanschaffungen entfallen.

    Wenn sie keinen absurd hohen Einmalbetrag bezahlen wollen (was ich verstehe), müssen sie einen Vorschlag „faire Tantieme pro Ausleihe“ machen, mit dem auch Verlage und Autoren leben können. Dann kann der Grundpreis der reguläre VK sein, und alle können kalkulieren. Die Verlage können den Autoren ja auch nicht sagen, dass es leider, leider kein Honorar mehr gibt.

    Nur das ständige Gejammere der Bibliotheken über die Kürzungen und Sparmaßnahmen bringt in der Debatte gar nichts. Es gibt jeden Tag eine Masse an Bettelmails: „Wir sind eine Bibliothek, haben wegen der Anschaffung eines neuen PC-Systems jetzt leider kein Geld mehr für Bücher.“ So oder ähnlich klingelt es doch bei jedem in der Inbox, wenn man morgens reinguckt.

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