Martin Korosec Geschäftsführer Europa Fachpresse |
Die Digitalisierung stellt Buchverlage vor neue Herausforderungen. Welche Ansätze in diesem neuen Internet-Umfeld Erfolg versprechend sind, soll die von der Akademie des Deutschen Buchhandels veranstaltete Konferenz „Verlag 3.0 – Vom Content Provider zum Community Publisher“ klären. Im Vorfeld der Konferenz legen einige Referenten ihre Position auf buchreport.de dar. In der zweiten Folge der Serie erklärt Europa Fachpresse-Geschäftsführer Martin Korosec im buchreport.de-Interview, warum Communities im B2B-Bereich etwas ganz anderes sind als user-generated Content.
Was bedeutet Community im Fachverlag?
Als Printmedium und eingeführte Marke hat man bereits Community. Die muss man nicht erst im Internet bilden. Ich halte das Internet aber für ideal, unsere Community zusammenzubringen und ihnen weitere Angebote zu machen. Community Publishing im Sinne von user-generated Content wie auf den populären Internetplattformen wird es bei uns aber auch in naher Zukunft nicht geben.
Also kein Mitmach-Web?
Erstens sehe ich kein Geschäftsmodell dahinter, zweites sind die besten Aufbereiter von Inhalten immer noch die Redakteure und drittens sehe ich zumindest in unserer Community der Werbe- und Medienbranche gar kein großes Interesse, selbst zu kommunizieren. Wir verstehen uns als Verlagshaus, das sich organisatorisch zum Medienhaus entwickelt und über eine große Redaktion verfügt: Warum soll der Nutzer für Inhalte sorgen?
Wie breit muss die Klaviatur eines Fachinformationsanbieters sein?
Wir können dem Leser und Nutzer nicht mehr vorschreiben, auf welchem Kanal er eine Information erhalten will, ob mobil, gedruckt oder online. Wichtig ist nur, dass die Marke verwendet und die Bindung gefestigt wird, auch durch so traditionelle Angebote wie Veranstaltungen. Wir wissen nicht, wie die nächste Generation mit den Medien umgehen wird. Das alles kann bedeuten, dass in ein paar Jahren ein Verlag ganz anders aussieht als heute.
Wie kann man sich darauf einstellen?
Wir stellen den ganzen Verlag auf den Kopf, weil wir andere Organisationsformen brauchen. Dabei versuchen wir nicht, das Stammgeschäft umzubauen, sondern bauen an, es ist wie eine zweite Firma. Das betrifft vor allem das Anzeigengeschäft, weil Online-Werbung anders funktioniert. Bei der Aufbereitung der Inhalte für die verschiedenen Medienformate gibt es diese Trennung nicht.
Wird das Kerngeschäft kannibalisiert?
Klar besteht die Möglichkeit einer Kannibalisierung des Kerngeschäftes, aber wir müssen uns nach dem Leser orientieren. Jedes Medienformat hat seine Funktion und Print ist und bleibt das Flaggschiff. In die Tiefe zu gehen, das kann kein anderes Medium, online will niemand lange, hintergründige Storys lesen. Print wächst nicht mehr, aber wir verlieren durch Online-Produkte keine Auflage und gewinnen sogar neue Werbepartner. Online ist die junge Pflanze, die wächst, bei relativ geringen Kosten in Herstellung und Vertrieb. Für Printverlage ist das die große Chance, weil sie das erworbene Markenvertrauen übertragen können.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
Martin Korosec ist seit vergangenem Jahr Geschäftsführer im Europa-Fachpresse-Verlag und war zuvor dort Verlagsleiter. Seit 1996 war er bereits für den Aufbau von Geschäftsfeldern im New-Business-Bereich verantwortlich
u.a. bei sueddeutsche.de. Er referiert am 30. Juni beim Fachkongress „Verlag 3.0“ im Literaturhaus München zum Thema „Wie Verlage den Wandel vom Content- zum Community-Publisher bewältigen“.
Mehr Informationen zur Konferenz:
Die von der Akademie des Deutschen Buchhandels veranstaltete und von der Unternehmensberatung Heinold, Spiller & Partner sowie buchreport unterstützte Konferenz zum Thema „Verlag 3.0 – Vom Content Provider zum Community Publisher“ findet am 30. Juni im Literaturhaus München statt (hier mehr Infos, die Teilnahme kostet 690 Euro, Anmeldungen nimmt die Akademie des Deutschen Buchandels entgegen: Tel. 089/291953-64, info@buchakademie.de)
Zentrale Fragestellungen der Tagung:
- Wie können tradierte Geschäftsmodelle angepasst bzw. neue entwickelt werden?
- Wie können etablierte Herstellungsprozesse in Richtung eines multimedialen Content-Providing ausgeweitet werden?
- Und wie müssen die Beziehungen zum Kunden, der nun auch als Co-Autor und Co-Designer für Produkte fungiert, neu definiert werden?
- Welche neuen Produktions- und Vermarktungsmodelle ergeben sich für die Verlage?
- Sind Webcasts, Podcasts und Communities innovative Impulse oder tragfähige Geschäftsmodelle?
- Wie müssen die interne Verlagsorganisation und die Workflows den neuen Anforderungen angepasst werden?
Unter den Referenten und Moderatoren sind neben Erhardt F. Heinold (hier ein Interview zum Thema), Ulrich Spiller und buchreport-Chefredakteur Thomas Wilking: Robert Franken (urbia.com), Michael Munz (Holtzbrinck eLAB), Cornelius Fürst (TVzweinull), Mirza Hayit (Vertriebsleiter Haufe Mediengruppe, hier seine Thesen zu Communities), Dirk Moldenhauer (iRead Media) und Martin Korosec (Europa-Fachpresse-Verlag, hier ein Interview mit buchreport).
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