Die Club-Geschäfte des Medienriesen Bertelsmann stehen weiter unter Druck: Die Umsätze gingen 2011 „spürbar zurück“, hieß es zuletzt auf der Bilanz-Pressekonferenz in Berlin. In Deutschland sollen die Öffnung der Filialen für alle Endkunden und die Etablierung der „Zeilenreich“-Flächen den Abwärtstrend stoppen. Seine Strategie erläutert Fernando Carro (Foto), CEO der Club- und Direktmarketinggeschäfte, im Interview mit buchreport.
Der Club hat 2011 erneut Umsatz verloren, was waren die Ursachen?
Die Rückgänge waren geplant. Bei den deutschen Clubs nehmen wir wenig Geld in die Hand, um neue Mitglieder zu akquirieren. Insofern führt der Rückgang der Mitglieder – weil die Neukundengewinnung zu teuer ist – zu sinkenden Erlösen.
Auf der anderen Seite steigen die Umsätze durch die Öffnung und die Zeilenreich-Filialen. Unter dem Strich bleibt zwar ein Minus, das allerdings kleiner ausfällt als geplant.
Zum 1. Juli 2011 wurden alle Filialen für alle Kunden geöffnet. Wie lautet die erste Bilanz?
Wir sehen bei den 60 Filialen, die wir unter der Marke Zeilenreich fortführen, dass dort viel mehr Laufkundschaft hinkommt als vor der Umwidmung. Daher war die Öffnung ein richtiger Schritt. Interessanterweise nimmt aber auch in den Club-Filialen der Umsatz deutlich zu, obwohl wir diese Filialen äußerlich nicht verändert haben. Das war eine positive Überraschung und zeigt das Engagement der Kolleginnen und Kollegen in den Filialen.
Die Verpächter sind gegen die Öffnung, weil Altkunden verprellt werden. Wie stehen Sie dazu?
Die Altkunden reagieren positiv auf die Öffnung des Clubs. Unsere Meinungsumfragen zeigen sehr deutlich, dass auch die bestehenden Kunden die neue Atmosphäre sehr zu schätzen wissen. Und hätten wir nicht das Konzept geöffnet, wären viel mehr Filialen geschlossen worden, und dann wären auch die Umsätze mit den Altkunden deutlich zurückgegangen. Also profitieren auch die Verpächter von der Öffnung.
Seit der Öffnung konkurrieren Sie mit anderen Filialisten …
Theoretisch ja, aber wir suchen diesen Wettbewerb nicht. Wir werden kein Buchvertriebler mit großen Flächen, sondern wir bauen auf unserem bestehenden Konzept der Vorselektion und Beratung auf und bieten dies nun auf den vorhandenen Flächen allen Kunden – und nicht nur den Mitgliedern – an. Wir wollen kein zweites Thalia werden.
Sie haben im vergangenen Jahr einige Club-Schwestern im Ausland verkauft, besonders in Frankreich. Wie weit sind Sie in Osteuropa mit der Neuorientierung?
Wir sind gerade mitten im Verkaufsprozess, der Ausgang ist aber noch offen, daher kann ich das nicht kommentieren.
Wie viel Umsatz geben Sie dann ab?
Ob wir Umsatz abgeben, ist nicht entschieden, denn der Verkaufsprozess läuft. Die Firmen machen mehr als 100 Mio Euro Umsatz. Neben den vier osteuropäischen Ländern sind wir noch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Spanien präsent.
Wie entwickeln sich die Shop-in-Shop-Ansätze mit branchenfernen Partnern?
Gut, wir haben zum Beispiel gerade mit dem Kaufhaus Joh einen Vertrag abgeschlossen und unsere Shops an vier Standorten in Saalfeld, Gotha, Gelnhausen und Friedberg eröffnet. Die Marke Zeilenreich ist bei diesen Kooperationen für die Partner attraktiv, weil sie nicht für eine Club-Bindung steht. Wir kommen mit diesen Partnerschaften auch in Städte, in denen es keine Buchhandlungen mehr gibt.
Ihre Mission – neben dem Club – heißt seit Mitte 2011: Neue Wachstumsmöglichkeiten in Mittel- und Südamerika sondieren. Wo sind Sie fündig geworden?
Ich bin überrascht, wie schnell sich Möglichkeiten ergeben – und wie viele es sind. Wir werden überschüttet mit Investitionsideen, und zwar sowohl für unsere bestehenden Sparten wie Verlage oder Fernsehen als auch neue Geschäftsfelder wie z.B. im Bildungs- oder Wagniskapitalbereich. Die Chancen sind eindeutig da, wir wollen aber nichts überstürzen.
Brasilien gilt als der Hoffnungsträger im Bereich E-Books. Bei Ihnen auch?
Wir sind mit dem Random House-Mondadori-Joint-Venture schon aktiv in Südamerika, vorwiegend in den spanischsprachigen Ländern. Und wir schauen uns natürlich auch Brasilien in Bezug auf den
E-Book-Boom an.
Wie entwickelt sich das E-Book in Ihrem Heimatland Spanien?
Die Verlage, darunter die größten Häuser Random House und Planeta, haben sich zusammengetan, um eine Plattform zum Vertrieb der E-Books zu bauen. Auch als Dienstleister für Buchhändler ist Libranda aktiv. Der spanische Club hat ebenfalls vor wenigen Wochen ein Angebot gestartet, Booquo, eine Art Abomodell für Club-Kunden und Nicht-Kunden. Der Markt ist also noch im Aufbau, und wir sind mit neuen Ideen dabei.
Die Fragen stellte Daniel Lenz.
Kommentar hinterlassen zu "Wir wollen kein zweites Thalia werden"