Das Urheberrecht rückt wieder auf die politische Agenda, auch eine allgemeine Wissenschaftsschranke steht auf Drängen des Bibliotheksverbands erneut zur Diskussion. Die Folgen skizziert Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang: Wissenschaftsverlagen würde die wirtschaftliche Basis entzogen.
Im Rahmen eines Fachsymposiums des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) zum Urheberrecht hat der CDU-Politiker Tankred Schipanski bestätigt, dass § 52a im Urheberrechtsgesetz verlängert werden soll. Diese Vorschrift erlaubt es die Bildungseinrichtungen, Werkteile genehmigungsfrei in interne Netzwerke zu stellen.
Schipanski fordert auch die Einführung einer einheitlichen Wissenschaftsschranke im Urheberrecht und schließt sich damit der Forderung des dbv an, die Vorstandsmitglied Frank Simon-Ritz in „Politik und Kultur“ 5/12 zusammenfasst.
Unter der allgemeinen Wissenschaftsschranke sollen urheberrechtliche Einzelregelungen zusammenfasst und erweitert werden. Die Einführung dieser Vorschrift bezeichnet der Verband als „unabdingbar für den zeitgemäßen Zugang zu wissenschaftlicher Information“.
Die Folgen aus Sicht der Verlage skizziert Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang als Replik in „Politik & Kultur“ 6/12: Wissenschaftsverlagen würde die wirtschaftliche Basis entzogen. Die Informationsstruktur funktioniere nur, wenn die Werke von Forschern und Lehrbuchautoren von im Wettbewerb miteinander stehenden Verlagen publiziert werden statt von der öffentlichen Hand, so Sprang. Würde das Ausschließlichkeitsrecht der Verlage durch eine allgemeine Wissenschaftsschranke „amputiert“, könnte der Verlag seine Investitionen nicht mehr refinanzieren.
Die Folgen laut Sprang:
- Der Autor könne seinen Veröffentlichungspartner nicht mehr frei wählen.
- Bibliotheken und Universitäten müssten die sonst von Verlagen geleisteten Aktivitäten in „anreizlosen staatlichen Verwaltungsstrukturen“ mit der gleichen Kosteneffizienz zu erbringen versuchen.
- Der Nutzer „wäre dazu verdammt sich mit dem zu begnügen, was ,volkseigene Publikationen‘ hervorbringen“.
Sein Fazit: „Die vom dbv geforderten Ausweitungen von Schrankenbestimmungen würden dazu führen, dass Lehrbücher und wissenschaftliche Monographien, gleich ob gedruckt oder digital, nicht mehr auf privatwirtschaftlicher Basis angeboten werden könnten.“
Bereits an dem seit der Einführung des §52a im Urhebergesetz stattfindenden Einbruch von Auflagen von Lehrbüchern, lasse sich beobachten, wie negativ sich Urheberrechtsschranken auswirken könnten. Einige Wissenschaftsverlage führen teils massive Einbrüche im Lehrbuchgeschöft auf die Einführung des Paragraphen zurück.
Herr Sprang muss ja als Job die kurzfristigen Interessen der Verlagsindustrie vertreten, Geld verdienen auch wenn das Produkt nicht mehr passt.
Der Markt des Informationsmanagements für die Wissenschaft tickt jedoch anders: Primäre Aufgabe ist es, die Forschung und Lehre bestmöglichst zu unterstützen. Mit dem World Wide Web ist dies nun möglich, Im Sektor der akadmischen Lehre könnten nun Studenten in einem Kurs aus Materialien aus vielen Lehrbüchern lernen, integriert in ein internes Lernmanagementsystem. Analoges gilt für Forschende: Wissenschaftler wie Gutachter müssen/sollten aus möglichst vielen aktuellen Quellen vorhandenes Wissen schöpfen um darauf neues zu schaffen. Entsprechend müssen also die Verlagsindustrien neue Dienste schaffen, die dies technisch unterstützen, statt es durch Verknappung und hohe finanzielle Barrieren zu behindern. Die volkswirtschaftlichen Mehrkosten durch die von Herrn Sprang geforderte Streichung der 52a Schranke sind katalytisch wirksam und sehr hoch, da Studenten schlechter ausgebildet, Forschung behindert wird.
Freiheit oder Sozialismus?
So oder so ähnlich schlussfolgert Herr Sprang. Gegnern des derzeitigen Copyrights wird impliziert unterstellt, so eine staatliche Verlagswirtschaft zu fördern, die obendrein „anreizlos“ ist. Ich behaupte mal, dass diese Aussagen durch Lobbyismus geprägt sind und wesentliche Teile des real ablaufenden Forschungsgeschäftes ausblenden. Im Detail:
1. Der Autor könne seinen Publikationspartner nicht mehr frei wählen. Nun ja, bei Fachjournalen ist es ja heute schon so, dass die letztendlich wenigen Grossverlagen gehören, ich vermute mal Elsevier ist hier die #1 bei Fachjournalen. Zitat „In 2010, Elsevier reported a profit margin of 36% on revenues of $3.2 billion.“ (Quelle: http://www.nytimes.com/2012/02… ). Es ist ja an dieser Stelle schon bemerkenswert, dass sogar die Urheber selbst dagegen Sturm laufen. Anmerkung: Die Urheber sind die primären Schöpfer des Wissens. Die Verlage sind nur die Verwerter.
2. Das Thema „anreizlose, staatliche Verwaltungsstrukturen …“. Ja welchen materiellen Anreiz bekommt man als Autor denn für einen Fachartikel? Keinen. Artikel in Fachjournalen sind letztendlich „ehrenamtlich“. Sie sind notwendig für die Reputation, Geld verdient der Urheber damit nicht. Gut, dann ist da noch das Peer Review Verfahren: Was verdient den ein Gutachter, der die Arbeiten bewertet? Oh, auch nichts. Vielleicht gibt es irgendwo welche die bezahlt werden, in den Naturwissenschaften jedenfalls kaum.
3. Die weitere Unterstellung, dass der Staat die einzige Alternative zu privaten Verlagen ist, entbehrt auch der Grundlage. Es gibt eine Reihe von Organisationen, wie z.B. die Max-Planck-Stiftung, die Fraunhofer Gesellschaft sowie zahlreiche Organisationen (VDI, Fachgesellschaften …) die diese Aufgaben übernehmen könnten.
Fachlich sind sie dazu bestens aufgestellt.
Es geht in der Argumentation einzig und allein darum, dass die (i.d.R. grossen) Fachverlage weiterhin hohe Profitraten haben. Das ist reinster Lobbyismus!
Die Wissenschaftsverlage – allen voran Reed Elsevier – arbeiten seit langem eifrig daran, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Irrsinige Abo-Gebühren und wahnwitzige Bündelungs-Konditionen liefern Forschern und Finanzieren von Wissenschaft alle nur denkbaren Argumente, um drakonische Maßnahmen zu ergreifen. Unser Verband täte gut daran, auf diese seine Mitglieder mäßigend einzuwirken – denn von den vom dbv geforderten Veränderungen wären wir alle betroffen.