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Wo der Kleine Prinz zu Hause ist

Dass der Bundespräsident Christian Wulff kürzlich „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry als sein Lieblingsbuch genannt hat, ließ die Feuilletons darüber orakeln, was das über die Persönlichkeit Wulffs aussage. Welchen Beitrag das Bekenntnis des Politikers an den anziehenden Verkaufszahlen hat, darüber lässt sich ebenfalls nur mutmaßen. Jedenfalls freut sich Tullio Aurelio, Verlagsleiter des Karl Rauch Verlags in Düsseldorf, über ein Umsatzplus von 50% im Monat Juli.

Allerdings kommt es wohl zu einer Überlagerung der Effekte, denn 2010 ist auch das Jahr des 60. Geburtstags des literarischen Klassikers, den das zur Bagel-Gruppe gehörende Unternehmen seit 1950 mehr als 9 Mio Mal verkauft hat. Mit Jubiläumsaktionen für den Handel, einer von Elisabeth Edl neu übersetzten Ausgabe sowie weiteren Publikationen und Lesungen wird dem Longseller eine Bühne bereitet.

Seit „Der Kleine Prinz“ das Herzstück des Karl Rauch Verlags ist, stellt sich aber auch die Frage nach der Bedeutung eines weiteren Datums in der näheren Zukunft: Im Jahr 2015 wird 70 Jahre nach dem Tod des Autors das Werk frei verfügbar sein. Über die Folgen der Gemeinfreiheit macht sich auch Aurelio Gedanken, ist jedoch zuversichtlich: „Natürlich werden 2015 alle möglichen anderen Verlage auf den Markt drängen, aber der Handel wird wissen, wo der ‚Der Kleine Prinz‘ zu Hause ist.“ An eine ähnliche Situation erinnert sich der ehemalige Patmos-Chef, als 2001 bei Patmos die Rechte für Khalil Gibran frei wurden. Ein Einbruch bei den Verkaufszahlen von Gibrans populärem Buch „Der Prophet“ sei damals ausgeblieben.

Das Thema „Gemeinfreiheit“ spielt auch bei anderen Verlagen eine Rolle, besonders wenn die Rechte von Schriftstellern auslaufen, die über Jahrzehnte mit zuverlässigen Abverkäufen eine wirtschaftliche Bank geworden sind:

  • „Wir versuchen mit hervorragenden Ausgaben eine Grundlage zu schaffen, die begünstigt, dass diese Autoren mit S. Fischer assoziiert werden“, erklärt ein Sprecher und verweist u.a. auf die Werke Franz Kafkas (gemeinfrei seit 1995) oder Thomas Manns (Rechte laufen 2025 aus).
  • Ähnlich auch die Strategie von Suhrkamp, wo laut einer Sprecherin die wirtschaftliche Relevanz von Autoren wie Hesse (2033) oder Brecht (2027) unbestritten ist: „Wir wappnen uns durch vorzügliche Ausgaben und neue Editionen.“
  • Der Verlag Kiepenheuer & Witsch war bis 2009 alleiniger Inhaber der Rechte der Werke Joseph Roths, die im deutschsprachigen Raum in einer verkauften Auflage von 2,5 Mio Exemplaren verbreitet sind. Mit der Gemeinfreiheit folgte 2010 eine Flut an Neuauflagen von Roth-Romanen: Knapp ein halbes Dutzend Verlage brachte insgesamt rund 50 Titel auf den Markt.

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