Zwischen Papierindustrie und Druckverband herrscht derzeit eine eher kühle Stimmung. Mit Vorwürfen über zu hohe Gewinne im produzierenden Gewerbe hatte der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) zuletzt für Empörung in der Papierindustrie gesorgt. Eine zwischenzeitliche Beruhigung der Debatte war aber keine Lösung, wie sich zuletzt zeigte. In der vergangenen Woche erneuerte der BVDM seine Kritik:
Jetzt meldete sich Jan Weitendorf von Hacht, Geschäftsführer von W1 Media, mit einem Offenen Brief zu Wort. Seine zentrale Frage: Leidtragende der Kostenexplosion seien am Ende die Verlage – und genau für die vermisst Weitendorf von Hacht eine Lobby.
Sein Brief im Wortlaut:
„Die Papierfabrikanten erzielen Rekordergebnisse.
Der Verband der Druckindustrie schlägt Alarm – der Tenor: es findet eine Bereicherung auf Kosten der schwächeren Branchen-Mitglieder statt.
Aber wer sind diese schwächeren Branchen-Mitglieder wirklich? Diejenigen, die sich nicht wehren können, die VERLAGE. Und wo ist unsere Lobby? Wer schreit auf, wenn die Kosten ins deckenlose steigen? Es gibt sie nicht.
Der Verband der Druckindustrie schreit auf, obwohl wir doch täglich deren Kostenweitergabe als Verlage mittragen müssen. Wir sind diejenigen, deren Aufträge nicht zu den einst vereinbarten Kosten ausgeführt werden, da sich die Papierpreise und die Energiekosten seit Auftragsvergabe wieder verändert haben. Wir sind diejenigen, die sich einfach fügen sollen und zu akzeptieren haben, dass sich zwischen Annahme des Angebotes und somit dem Vertragsabschluss und der Anlieferung der Bücher, die Kosten deutlich verändert haben und diese somit nachträglich verändert werden können.
Da werden plötzlich in den AGB der Druckereien nachträgliche Anpassungsmöglichkeiten und nicht verifizierbare pauschale Energiekosten-Zuschüsse verlangt, die unsere Kalkulationen und damit die Entscheidungsbasis auf den Kopf stellen.
Wo ist die Stellungnahme gegenüber der Druckindustrie und natürlich auch gegenüber der Papierindustrie? Wo ist unsere Lobby?
Wir sind diejenigen, die die Preisbindung verteidigen, da wir wissen, dass ohne diese Preisbindung die Preise in die Höhe schnellen würden, wie dies in anderen Ländern erkennbar ist. Wir sind aber auch diejenigen, die bei den Diskussionen über Mindestpreise wieder außen vor bleiben sollen.
Wo ist da der Fairnessgedanke, wo ist unsere Lobby?
Der Handel fordert zu Recht höhere Ladenpreise, um die steigenden Kosten besser decken zu können.
Die Verlage sind gefordert, da wir die Preise festlegen. Auch für uns als Verlage gibt es doch gar kein anderes Mittel als höhere Preise, um die Kostenexplosionen in den Griff zu bekommen.
»Große Buchhändler, haben die Verlage aufgefordert, Preise zu erhöhen. Wir mussten in der Vergangenheit aber feststellen, dass gerade diese Buchhandlungen die höherpreisigen Titel aufgrund der hohen Preise nicht mehr einkaufen wollten.«
Aber geht der Handel in der Konsequenz auch mit? Große Buchhändler, haben sich im Verband lautstark Gehör verschafft und die Verlage aufgefordert, Preise zu erhöhen. Wir mussten in der Vergangenheit aber feststellen, dass gerade diese Buchhandlungen die höherpreisigen Titel aufgrund der hohen Preise nicht mehr einkaufen wollten. Wo sind da die großen Verlagsgruppen, die diese Preisentwicklung auch in der Breite mittragen müssen?
Gerade im Kinder-und Jugendbuch haben wir im Verhältnis zur Belletristik seit vielen Jahrzehnten mit einer Diskrepanz zwischen den höheren Druckkosten (4-Farbdruck) und den Kosten für die entsprechenden Illustrator*innen im Verhältnis zu den geringeren Ladenpreisen zu kämpfen. Uns wird aber jetzt schon wieder vom Handel signalisiert, dass Preiserhöhungen gerne erwünscht sind – aber bitte nicht im Kinder- und Jugendbuch!
Hier fehlt es an Verständnis und an Realitätsbezug. Wo ist unsere Lobby, die höhere Preise Salon-fähig macht?
Die großen Händler retournieren, als gäbe es kein Morgen. Ganze Bereiche, wie das Kinder-Hörbuch werden dem Boden gleich gemacht. Eine selbsterfüllende Prophezeiung, die uns Verlagen die Grundlage raubt. Eine Aufkündigung des Branchenvertrages, der das Retourenrecht in Frage stellt.
Wo ist die Lobby der Verlage?
Seit Monaten werden unsere Kalkulationen immer unansehnlicher – inzwischen haben wir uns an die negativen Kalkulationen gewöhnt – aber langfristig ist das nicht mehr tragbar. Wir werden uns verändern müssen und stecken mittendrin im Veränderungsprozess.
Wir werden mit vielen Dienstleistern aus Kostengründen nicht mehr arbeiten können. Die Prozesse werden verschlankt werden – nur noch ein Korrektorat, mehr interne Arbeit, Reduktion auf Titel, die besser kalkuliert werden können, da es Übersetzungsförderung gibt oder andere Möglichkeiten, um Kosten zu sparen. Keine Messebesuche mehr – Frankfurt wird erst mal die letzte Messe sein, die wir besuchen werden. Es geht um die Existenz…
Wir haben keine Lobby und müssen mit den Folgen umgehen lernen. Aber wir sind als VERLAGE auch nicht der Fußabtreter – wir werden uns wehren müssen – wir müssen anfangen in herstellerischen Einkaufsgemeinschaften zu denken und Stärken zu bündeln – denn wir haben keine Lobby…“
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