Christian Lindemann ist Geschäftsführer bei Wolters Kluwer Deutschland und leitet gemeinsam mit Stephanie Walter den Geschäftsbereich Legal. Als solcher begleitet er die Entwicklung neuer Technologien für den Rechtsmarkt mit. Ein Gespräch über Fortschritt, Pragmatismus und neue Chancen durch KI-Technologien wie GPT.
»Der Schritt weg vom Hype war und ist ein pragmatischer Schritt, um in die praktische Anwendung zu kommen.«
Legal Tech hat vor einigen Jahren viel Fantasie geweckt. Wo steht die Digitalisierung des Rechtsmarktes heute?
Christian Lindemann: Vor etwa fünf Jahren war Legal Tech in der Tat ein Riesenthema im Markt mit der Vision, die Abläufe in Kanzleien künftig komplett zu digitalisieren und teils auch zu automatisieren. Von dieser hohen Erwartung ist man erst einmal ziemlich tief gefallen, weil seitdem in Richtung dieses Szenarios nicht allzu viel passiert ist. Wir befinden uns heute vielmehr im Stadium des pragmatischen Einsatzes von Technologien. Das heißt, es gibt für eng abgesteckte Themenfelder und ganz spezifische Probleme Lösungen, bei denen die Kunden konkret spüren, dass sie ihre Arbeit und ihre Arbeitsabläufe verbessern.
Waren die Zukunftsvisionen zu optimistisch oder dauert es einfach länger in der Umsetzung?
Die vorgenommene Fokussierung auf einzelne Bereiche und Problemstellungen war durchaus der richtige Weg. Zu sagen: Wo kann ich schnell, effektiv und wertschöpfend einen Mehrwert generieren – ohne dabei gleich eine riesige und auch komplexe Vision vor Augen zu haben? Der Schritt weg von diesem Hype ist für mich daher gar keine Desillusionierung. Es war und ist ein pragmatischer Schritt, um in die praktische Anwendung zu kommen.
Technologisch werden wir in absehbarer Zeit an den Punkt kommen, Standardfälle automatisiert zu lösen, also Rechtsfälle, die in großer Zahl vorkommen, zu denen man genügend Erfahrungswerte hat und für die sich auch ein digitaler Prozess modellieren lässt. Es wendet sich ja schon heute niemand mehr wegen einer Flugverspätung an einen Anwalt, sondern geht zu Anbietern wie Flightright. Dort bekommt man zwar 20% weniger Entschädigung, weil der Anbieter ein Provisionsmodell hat, aber es ist unaufwendig und die Anliegen werden zuverlässig abgearbeitet. Bei solchen Standardfällen werden wir künftig eine gewisse Bandbreite an Lösungen erreichen.
Und wo nicht?
Es wird immer beratungsintensive und komplexe Rechtsfälle geben, die kreative menschliche Lösungen erfordern. Die Automatisierungen bei Standardfällen können Juristen hierfür den nötigen Freiraum verschaffen.
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