Amazon-Kritiker bezeichnen das Kindle-System gerne als „Kuschelkäfig“. Das ist ein durchaus passendes Bild: Bei Amazon gekaufte E-Books können nur mit Amazon-Geräten und Apps gelesen werden. Wer aus dem „Kuschelkäfig“ raus will, der hat es nicht leicht.
Doch das Bild vom „Kuschelkäfig“ suggeriert, dass es anderswo besser wäre, dass man mit Tolino oder Sony-Reader ein freier Leser wäre. Doch dem ist nicht so! Im Gegenteil: Die Betreiber der Ausweichkäfige haben einen Wärter engagiert, der die Leser-Tierchen nicht nur unangenehm triezt, sondern einige sogar verhungern lassen wollte. Sein Name ist Adobe.
Leider sind viele Verlage immer noch der Meinung, sie müssten ihre E-Books mit einem Kopierschutz versehen. Sie bieten ihre Produkte nur auf Systemen an, die einen Kopierschutz gewährleisten (DRM). Wer groß genug ist, wie Amazon oder Apple, bietet eigene Schutzsoftware. Alle anderen Anbieter setzten auf EPUB-Dateien mit Adobe-Kopierschutz. Ohne das Wissen und die Zustimmung des US-Konzerns Adobe kann kein gekauftes E-Book auf dem Tolino und anderen Readern gelesen werden*.
Allein datenschutzrechtlich ist dies bedenklich. Wer glaubt, dass mit dem Tolino und der Telekom-Cloud seine Daten nur auf deutschen Servern gespeichert werden, der irrt. Persönliche Daten und welche E-Books man erworben hat, werden auch an Adobes Server übermittelt. Einen deutlichen Hinweis darauf erhält der E-Book-Leser nicht. Aber er hat auch gar keine andere Wahl. Wer nicht will, dass seine persönlichen Daten bei einem US-Unternehmen gespeichert werden, der kann auf dem Tolino und anderen Readern keine DRM-geschützen E-Books lesen, selbst wenn er diese bei einem deutschen E-Book-Portal gekauft hat.
Der Adobe-DRM-Schutz ist Hersteller und Geräte übergreifend. Adobe ist ein massiver Lobbyist, für den Kopierschutz, denn er verdient daran.
Doch die Verlage vertrauen den Schutz ihrer E-Books einem Unternehmen an, das bewiesen hat, dass es absolut unfähig ist, Daten zu schützen.
Im vergangenen Jahr wurden Adobe die Daten von 38 Millionen Nutzerkonten gestohlen. Deutlicher kann man seine Inkompetenz nicht demonstrieren. Experten gehen davon aus, dass es nur eine Frage der (Rechen-)Zeit ist, bis auch die darin enthaltenen Passwörter entschlüsselt sind.
Völlig unverfroren behauptet Adobe noch im Dezember 2013, es habe sich um alte Daten gehandelt, für die eine „Stilllegung vorgesehen war“. Offenbar geht man bei Adobe davon aus, dass die Nutzer mindestens einmal im Monat ihr Passwort ändern.
Doch auch E-Books mit Adobe-Kopierschutz sind rasch von ihren digitalen Fesseln befreit. Dazu muss man kein Hacker sein. Nach einer einfachen Web-Suche kann man sich ein Programm herunterladen, das den Kopierschutz mit einem Mausklick entfernt. Und mit einem weiteren Klick wird die Datei sogar auf dem Kindle lesbar. Allerdings ist in Deutschland der Einsatz von Software nicht zulässig, mit der ein wirksamer Kopierschutz umgangen werden kann.
Doch wie wirksam ist ein Kopierschutz, den jeder Laie in Sekunden per Klick entfernen kann?
Nicht sonderlich, meint man offenbar bei Adobe selbst, denn der Konzern hat angekündigt, dass man den Kopierschutz demnächst verbessern werde.
Es ist sogar davon die Rede, dass man die Rechtmäßigkeit des Lesevorgangs nicht nur beim ersten Öffnen des Buches, sondern permanent während des Lesens überprüft. Schließlich sind viele Geräte mit einem WLAN verbunden. Ein weiterer Schritt zur Leserüberwachung.
Damit man mit der neuen Kopierschutzversion noch aktuelle E-Books lesen kann, müssen sämtliche Hard- und Softwarereader mit Adobe-DRM auf die neue Version aktualisiert werden. Wer dann noch einen älteren Reader hat, an dem der Hersteller sämtliches Update-Interesse verloren hat oder dieser gar Pleite ging, der kann damit keine aktuellen E-Books mehr lesen. Und „alt“ können manche E-Reader schon nach 2 Jahren sein. Man denke nur an Thalias OYO-Geräte.
In den einschlägigen Web-Foren herrschte daher Aufregung. Bei Adobe hat man offenbar gemerkt, dass man sich mit der geplanten rigorosen Umstellung keine Freunde machen wird und den Ruf des E-Books und des eigenen DRM-Schutzes ruiniert – sofern Letzteres noch möglich ist. Also zwingt Adobe die Anbieter jetzt erst mal noch nicht zur Umstellung auf die neue digitale Diebstahlssicherung. Eine Zwickmühle, in der sich der US-Konzern nun befindet. Johannes Haupt hat das neulich an dieser Stelle gut zusammengefasst.
Zyniker werden an dieser Stelle behaupten, dass ein neuer Koperschutz doch nicht weiter schlimm sei, denn sicherlich werde es einen Tag später, nachdem Adobe einen neuen, absolut sicheren Schutz eingeführt habe, wieder eine (illegale) Software geben, die diesen in Sekunden aushebelt.
Dabei ist es an der Zeit, dass endlich Adobe aus dem E-Book-Geschäft hinausgehebelt wird! Am besten dadurch, dass Verlage komplett auf DRM verzichten, weil es ohnehin nur legale Buchkäufer nervt und benachteiligt.
„Halt!“, werden da die Bibliotheken und Bibliotheksnutzer schreien. „Wir können nicht auf Adobe verzichten, denn der US-Konzern kontrolliert und überwacht sämtliche digitalen Verleihvorgänge der deutschen Bibiotheken mit dem Onleihe-System.“
„Umso schlimmer!“, muss man ihnen dann entgegenrufen, und es ist an der Zeit, dass man sich ernsthaft mit den für alle offenen Alternativen wie LOG.OS beschäftigt.
Wolfgang Tischer ist Gründer von www.literaturcafe.de
*Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich natürlich auf kopiergeschützte E-Books. Ich weiß, dass es Verlage gibt, die schon jetzt auf DRM verzichten oder einen „weichen“ Kopierschutz einsetzen. Das ist lobenswert.
Adobe Digital Editions ist zugleich eine weit verbreitete Lesesoftware, die in vielen Geräten, auch in denen von Sony drinnensteckt, ebenfalls in anderen Wiedergabeprogrammen für EPUBS wie Reader Library. Das Problem mit ADE ist in Europa und den USA, dass es viele Sonderzeichen und vor allem asiatischen Schriften nicht wiedergeben kann. Was zu der absurden Konsequenz führt, dass die eReader der japanischen Firma Sony, die keine bessere Idee hatten, als sich bei Adobe zu bedienen, in Europa und in den USA keine asiatischen Schriften und eine ganze Reihe diakritischer Zeichen (z. B. ā, ō und ū) nicht darstellen können. Adobe Digital Editions ist damit nicht nur die härteste DRM-Lösung am Markt, sondern auch noch die mit Abstand schlechteste und nutzerunfreundlichste Lesesoftware. Keine Firma hat dem eBook-Markt mehr geschadet und tut dieses immer noch als Adobe. Käufern von Soft- und Hardware zum Medienkonsum kann man nur raten: PDF ist OK, aber alles andere von Adobe ist Scheiße, und wo die drinnensteckt, davon sollte man die Finger lassen.
Da kann ich nur hundertprozentig zustimmen (Zitat): „Dabei ist es an der Zeit, dass endlich Adobe aus dem E-Book-Geschäft hinausgehebelt wird! Am besten dadurch, dass Verlage komplett auf DRM verzichten, weil es ohnehin nur legale Buchkäufer nervt und benachteiligt.“
Aber Alternativen sind nicht in Sicht, oder nur solche, die keine ernsthafte Konkurrenz darstellen. Adobe ist eine uneinnehmbare Festung, solange Verlage den Kopierschutz als letzten Rettungsring betrachten.
Der Einzige der das richtig macht, ist Amazon mit seinem Kindle, das schon heute das dominierende System ist, und nach und nach alle anderen Systeme verdrängen wird. Die Entwicklung erinnert mich an die Video-Systeme der 90er, als es Beta, VHS und Video2000 gab. Am Ende des „Krieges“ gab es nur Verlierer und Tote (Systeme).
Und auch heute ist der „Krieg“ gegen Amazon und Adobe und Kopierschutz schon längst verloren, nur will das niemand wahrhaben. Das erinnert mich auch an einen Spruch aus den Anfangstagen des Internets. „Schöner als Sex ist geklaute (kostenlose) Software.“ Heute könnte das bedeuten: Schöner als Sex sind Bücher ohne Kopierschutz, die sich beliebig oft tauschen, kopieren, versenden, verschenken, verleihen lassen
Um es noch deutlicher zu sagen: Adobe = NSA.
Und beiden gibt man mit „Digital Edition“ einen (nicht nur) überwachungs-technischen sondern einen auch leicht aktiv zu machenden Rückkanal auf die eigenen Reader und Rechner.
Und alles wie beim „Freihandelsabkommen“: Immer ohne Aufklärung, immer hinter verschlossenen Türen.
Und wissende (oder gern partizipierende) Komplizen an der schleichenden Entmüdigung der Geister in unserer schönen neuen E-Book-Welt sind die Verlage.
Eigentlich beginnen meine Kommentare zu Beiträgen von Wolfgang Tischer damit, wo er überall irrt – aber diesmal hat er meine volle Zustimmung. 😉
ePub ist ein offenes Format – wenn Adobe nicht so kräftig daran mitverdienen wollte (der DRM-Schutz ist ja nicht kostenlos; er kostet pro Download!) und auf die Grundängste noch zu vieler Verlage setzen könnte.
Den Gegnern von hartem DRM dürfte Adobe mit seinem tumben Vorgehen einen Bärendienst erwiesen haben.