Friedrich Forssmans Artikel „Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt“ macht gerade die Runde. Ich möchte ihn fast so zusammenfassen: Das E-Book schmutzt, nässt und ist bissig. Außerdem ist es ständig besoffen und kotzt überall hin. Also: ein betrübliches Ding, dieses E-Book. Nicht der Rede wert. Und doch redet man ständig darüber. Schließlich tritt man ja jeden Morgen in seine Kotze. So in etwa.
Ich wurde Herrn Forssman einmal kurz vorgestellt, wobei ich nicht glaube, dass er sich daran erinnert, und auch ich erinnere mich nicht einmal, ob damals E-Books schon ein Thema waren, im Sinne von: „Das da ist Frau Beck, die schreibt Bücher, und dann macht sie auch noch diese E-Books.“ Ich weiß aber, dass Herr Forssman sehr, sehr schöne Bücher gestaltet. Er macht das, soweit ich es beurteilen kann, sehr klug, sehr ästhetisch, sehr durchdacht. In einem von ihm gestalteten Buch stecken im Umschlag mehr Ideen und Gedanken als in so manchen dreihundertseitigen Texten, gedruckt oder nicht. Da der Anteil der verkauften E-Books weiter steigt, ist – grundsätzlich gesehen – der Beruf des Buchgestalters (m/w) möglicherweise vom Aussterben bedroht. Buchgestaltung ist ohnehin kein Beruf, zu dem ehrgeizige Eltern ihren Kindern raten würden. Herr Forssman möchte natürlich nicht aussterben, und er will auch nicht, dass das, was er tut, als überflüssig gilt.
Ich kann verstehen, dass es keinen Spaß macht, zu Panels geladen zu werden, um als ewig Gestriger vorgeführt zu werden. Ich kann verstehen, dass Herr Forssman sich aufregt, auch wenn ich glaube, dass die Art Bücher, die er macht, weiter Bestand hat und im Gegenteil, das sorgfältig gemachte und gut gebundene Buch weiter in den Fokus rücken wird, weil vor allem erst einmal die nicht aufwendig gestalteten Taschenbücher schwinden. Vermutlich würden Menschen, die dieses betrübliche Thema E-Books wie Herr Forssman einschätzen, über eben diese Bücher sagen: Die sind ja Papierverschwendung. Das Taschenbuch gilt ja immer noch gern als bäh, da hat es jemand nicht ins Hardcover geschafft. Ich hatte diese Diskussion letztens mal, als ich mit lauter Suhrkamp-AutorInnen wo las. Herr Forssman würde nicht im Traum daran denken, sich an der Gestaltung gewisser Bücher zu beteiligen. Aber: Auch diese werden gelesen, zuhauf, das können wir jetzt alle mal sonstwie finden.
Was an dieser Grabenkampf- und Schlammschlachtdiskussion E-Book vs. Papierbuch tatsächlich wirklich betrüblich ist: Die Unterstellung, ein E-Book sei per se Müll. Siehe oben. Ja, jeder Mensch liest anders und genießt anders, und es mag daran liegen, dass ich im Studium aus Geldersparnisgründen die Texte, die ich lesen wollte, sollte, musste, oft genug auf billigem Papier mit winzigen Schriftgrößen zwischen auseinanderfallenden Buchdeckeln gelesen habe. Ich schätze das schön gestaltete Buch, es erfreut mich, aber welches Trägermedium mir den Inhalt vermittelt, ist mir sehr häufig egal, sofern der Inhalt stimmt. Der interessiert mich nämlich vor allem. Und das kann ich trennen: Schöne Dinge, die mich umgeben. Inhalte, die mich beschäftigen. Aber das bin ich, das hat keine Allgemeingültigkeit. Ich will damit nur sagen: Können wir uns mal kurz bitte darauf einigen, dass das Trägermedium rein gar nichts über die Qualität des Inhalts sagt?
Täte es das, wären viele unglaublich großartige Texte heute nicht out of print (und andere hätte man nie drucken dürfen). Sie sind aus Kostengründen out of print, weil die Verlage, vermeintliche Herrscher über Qualität und Inhalte, nicht in sie investieren wollen, weil sie zu wenig Absatz erwarten. Wer an diese großartigen Texte gelangen will, kann dies gern über Antiquariate oder Bibliotheken. Warum aber nicht auch digital verfügbar halten? Und damit dem Text die Chance geben, neu belebt zu werden? Dass eigentlich doch alle Verlage den AutorInnen gegenüber genau diese Verantwortung haben (sollten) – deren Texte zu verlegen, verfügbar zu halten, müssen wir diskutieren? Gibt das E-Book als Publikationsform nicht auch denen eine Chance, die im klassischen Papierverlagsbereich als zu spröde, zu experimentell, zu „dann weiß in der Buchhandlung wieder keiner, in welches Regal das Ding soll“, zu kurz, zu dings gelten?
Soll ich jetzt wirklich alle guten Gründe für die Existenz von E-Books aufzählen? Ich habe zusammen mit Jan Karsten, dem Mitherausgeber des nicht gedruckten Onlinefeuilletons CULTurMAG, einen E-Book-Verlag, natürlich sehe ich vor lauter E-Vorteilen den Papierwald nicht mehr. Selbst das Argument, man kaufe nicht, sondern leihe es sich nur aus und könne es nicht weiterverleihen, greift nicht, wenn man sich genau anschaut, wer wie mit dem DRM umgeht.
Ich habe da ganz andere Fragen: Warum bekomme ich, wenn ich mir für viel Geld ein schön gestaltetes Buch, beispielsweise von Herrn Forssman, kaufe, nicht (möglicherweise auch für ein, zwei Euro mehr) vom Verlag das E-Book dazu, damit ich das Buch in den Schrank stellen und gut drauf aufpassen kann, während ich den Inhalt in der Bahn auf dem E-Reader lese? Oder: Warum wollen die Papierverlage, dass der E-Book-Preis krampfhaft zu hoch bleibt? Aus Autorinnensicht: Wir verdienen mehr am verkauften E-Book als am verkauften Taschenbuch, man könnte es ruhig billiger machen, da hätten wir immer noch mehr davon. Die Preispolitik verrät Angst, und Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Aus Angst macht man ebenso Fehler wie aus Übermut.
Ich glaube, Herr Forssman wird weiter sehr viele schöne Bücher gestalten. Ich werde weiter sehr viele schöne Texte digital verfügbar machen. Wir machen beide einfach sehr verschiedene Dinge. Wir wissen beide nicht, wie sich der Markt tatsächlich entwickelt. Ich sehe Herrn Forssman nicht als putziges Fossil wegen dem, was er beruflich macht. Ich will nur nicht mehr hören, dass E-Books qua Existenz etwas sind, das nicht mal dem Hundehaufen auf dem Grünstreifen an der Autobahn-Raststätte Herford Süd das Wasser reichen kann. Dass es viele Texte „nur“ als E-Book gibt, hat möglicherweise oft, aber sehr häufig auch gar nichts mit deren Qualität zu tun. Warum es ein Text nicht aufs Papier „schafft“, hat Gründe, und die sind so vielfältig wie die Auswahl an Fonts. Müssen wir wirklich darüber diskutieren, ob nur Gedrucktes „wertig“ ist? Die meisten Tweets haben mehr In- und Gehalt als die „BILD“.
Und der Vorteil von Medien, die wenig Startkapital, wenig Investment fordern, ist, dass sie sich schwerer monopolisieren, kartellisieren, vermainstreamen, vereinnahmen lassen. Ja, da darf jeder. Auch die Bösen und Schlechten, die Mittelmäßigen und Nichtssagenden. Aber eben auch die Guten.
Zoë Beck ist Autorin (zu ihrer Homepage geht es hier) und Verlegerin des Digitalverlags CulturBooks (mehr hier).
Ihr Original-Beitrag ist auf culturmag.de erschienen.
Die Leser werden entscheiden, welches Format sich durchsetzt – nicht Herr Forssmann oder Frau Beck. Ich glaube, wie gelesen wird, ist es vor allem eine Generationsfrage. Die Älteren haben Musik noch auf dem Plattenteller gedreht, die Jüngeren saugen sie. Und es ist doch Musik. So wird jede Generation lesen was und wie sie will. Beim Familientreffen wird es eine Diskussion geben, aber Familientreffen gehen vorüber.
Immer diese Klischees: „Die Älteren haben Musik noch auf dem Plattenteller gedreht, die Jüngeren saugen sie“.
Ich meine, das hängt ganz davon ab, wer wie mit welcher Technik großgeworden ist. Ihr Vorurteil mag – auch nur zum Teil – auf die Generation „Vor-EDV“ zutreffen, also die heute über 70-jährigen. Die Generation, die mit Computern großgeworden ist, also auch ich mit etwa 50 Jahren, ist zum Teil sehr technikaffin. Wir saugen unsere Musik u. manchmal drehen wir eben auch die Plattenteller.