Open Road Integrated Media ist eine der großen Erfolgsgeschichten im noch jungen amerikanischen E-Book-Markt. Doch der Digitalverlag der ehemaligen Harper-Collins-Verlegerin Jane Friedman steht unter Druck, seitdem er einen Prozess gegen HarperCollins wegen der digitalen Verwertung eines alten Kinderbuch-Bestsellers verlor. HarperCollins verlangt eine Mio-Entschädigung.
Beim Prozess gegen HarperCollins geht es um die E-Book-Rechte an einem alten Kinderbuch-Bestseller aus den 1970er-Jahren. Open Road hatte 2011 „Julie of the Wolves“, Jean Craighead Georges Bestseller von 1973, mit der Genehmigung der mittlerweile verstorbenen Autorin und ihrer Literaturagentur Curtis Brown als E-Book veröffentlicht – während der Verlag nur 25% Tantiemen angeboten hatte, zahlte Open Road der Autorin 50%.
Alle Beteiligten waren davon ausgegangen, dass die digitalen Rechte in den alten Verträgen nicht vorgesehen waren, doch Georges Verlag HarperCollins sah das anders, klagte und bekam in einem Prozess, der mehr als zwei Jahre gedauert hat, im März 2014 Recht: Der Richter hatte einen Passus in dem Vertrag von 1971, in dem auch elektronische Speichermedien genannt werden, überraschend so ausgelegt, dass E-Books, obwohl es sie damals noch gar nicht gab, trotzdem dazugehören.
Inzwischen geht es nur noch darum, wie hoch die Strafe ist, die der Digitalverlag zahlen muss. Laut „Publishers Weekly“ verlangt HarperCollins 1,1 Mio Dollar an Schadenersatz und Gerichts- bzw. Anwaltskosten. Die Anwälte von Open Road halten dagegen: HarperCollins könne nicht nachweisen, durch die E-Book-Veröffentlichung durch Open Road einen Schaden erlitten zu haben – der Verlag habe nach dem Sieg vor Gericht ebenfalls nicht das Recht, den Titel als E-Book zu veröffentlichen, weil ihm die Zustimmung der (verstorbenen) Autorin fehle.
Open Road hält eine Entschädigung im Bereich von 750 bis 30.000 Dollar für angemessen, weil man selbst nur vergleichsweise geringe Erlöse (19.000 Dollar bei einem Absatz von 10.495) erzielt habe.
In den USA hat das Urteil zwar für großes Aufsehen gesorgt, gilt aber als Einzelfall und hat bislang auch keine weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen losgetreten. Aus deutscher Sicht spricht Christian Sprang, der Justiziar des Börsenvereins, von einem sehr verlagsfreundlichen Urteil in einem Verfahren, das „reine Auslegungssache“ war. „Vor einem deutschen Gericht hätte ein Vertrag aus den 1970er-Jahren keine Chancen gehabt.“
Mehr zum Thema und zur digitalen Backlist-Vermarktung im buchreport.magazin 6/2014 (hier zu bestellen)
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