Vorbildliche Buchhandlung: Das „Handelsblatt“ lobt die Buchhandlung von Petra Hartlieb in Wien, die ausführlich im buchreport.magazin 5/2013 vorgestellt wurde (hier zu bestellen).
„Macht die Algorithmen klüger, Buchhändler“, rief der Schweizer E-Commerce-Experte Joachim Leser Sortimentern im Kampf gegen Amazon zum Jahreswechsel zu. Jetzt reicht auch das „Handelsblatt“ dem Buchhandel Waffen für den scharfen Wettbewerb.
In seiner Medien-Kolumne skizziert Hans-Peter Siebenhaar Amazon als perfekte Datenkrake, die sämtliche Informationen über unser Konsumverhalten sammele. Für den Leser sei dies letztlich aber ein langweiliges Einkaufen, weil mit Hilfe des Algorithmus der „Zufall gekillt“ werde. Obwohl gerade für Bücherleser das nicht Geplante, das Unvorhersehbare das Leben ausmache.
Dies wiederum sei eine Chance von kleinen und mittleren Buchhandlungen. Die „wahren Bücherliebhaber“ ließen den Kunden „mit Wissen, Vorlieben und Abneigungen“ auf Unbekanntes und Peripheres stoßen. „Nur mit dem Gang in eine Qualitäts-Buchhandlung kann der Kunde dem Würgegriff der Algorithmen entkommen.“
Als vorbildliche Buchhändlerin wird im Artikel die frühere Literaturkritikerin Petra Hartlieb (Foto: Mitte, privat, Hartliebs Bücher) genannt, die mit ihrer Wiener Buchhandlung „in Sachen Kompetenz und Service die Benchmark in der österreichischen Kulturmetropole“ sei. Sie trete seit Jahren den Gegenbeweis ein, „dass auch kleine Buchhandlungen trotz Amazon erfolgreich sein können, wenn sie die richtige Strategie verfolgen.“
Ich glaube nicht, dass die Aussagen von Herrn Leser zu jenen des Handelsblattes im Widerspruch stehen. Man muss nur dafür sorgen, dass die Algorithmen nicht eine amazonisierte Massenfracht zu den Kunden transportieren, sondern eben die Individualität der eigenen Buchhandlung. Der Schlüssel muss der Buchhändler sein, der mit Passion sein Lager bestückt, oder die Buchhändlerin, die mit besonderer Fachkompetenz ihr Spezialgebiet bewirtschaftet. Ausgehend von diesem Startpunkt, können die Algorithmen dann helfen, den unverwechselbaren Charakter einer speziell positionierten Buchhandlung ins Internet zu transportieren. Es beginnt eine Dynamik anzurollen: Kunden kaufen im Laden Bücher, die dadurch „algorithmisch relevant“ und im Webshop prominent platziert werden. Wenn sie zwei, drei Bücher miteinander kaufen, sieht der Online-Kunde, der für Titel A interessiert, auch diesen verknüpften Titel B („könnte Sie auch interessieren“). Vielleicht bestellt er noch Titel C dazu, die Buchhändlerin wird darauf aufmerksam und bereichert damit ihr attraktives Lager. Kategorien und Ordnungssysteme (Warengruppen, Standorte, etc.) aus der Warenwirtschaft finden sich in der Navigation des Webhops wieder. Die Mittel und Algorithmen sind eigentlich dieselben, die die grossen Onlinehändler auch einsetzen, aber hier führen sie nicht zu einem Einheitsbrei, sondern stärken das Spezialprofil der Buchhandlung.
Es gibt im deutschsprachigen Markt mindestens eine Softwarelösung, die genau auf diesen Ideen basiert. Wie Sie die finden? Ich nehme an, ich darf sie hier im Forum nicht direkt nennen. Hier mein Tipp: Wenn Sie „Joachim Leser“ googeln, finden Sie einfach seinen Arbeitgeber, eine auf juristische Literatur spezialisierte Schweizer Buchhandlung mit einem tollen Web-Auftritt, der meine obigen Aussagen untermauert. Im Impressum sehen Sie, von wem Technologie / Entwicklung des Webshops stammen…
Schöner Artikel, dem ich gerne zustimme: Wenn ich in die Innenstadt gehe, bleibe ich schmökernd und stöbernd in den Buchläden hängen. Was mir an dem sehr sympathischen Foto von Frau Hartlieb und ihrem Team allerdings wieder klar wird, ist wie hoch der Frauenanteil bei den Buchhändlern ist. Bei der Sortimentsgestaltung und der Beratungskompetenz kommen im stationären Buchhandel „männliche“ Themen eindeutig zu kurz. Finde ich bei Hartliebs Bücher anspruchsvolle Sciencefiction-Literatur, seriöse Sachbücher jenseits weiblicher Esoterik und Ratgeber für eher technische Hobbys oder muss ich da doch zu Amazon?