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Zukunftstechnologie als Basis für skalierbare Angebote

Wer sich für „digitales Publizieren“ interessiert, kann im Beuth Verlag das Staunen lernen. Dort arbeiten Redakteure und Ingenieure daran, dass Computer Normen künftig automatisch verarbeiten können.

 

Die „Deutsche Industrie-Norm“ – ein Symbol für den Nimbus des Prädikats „Made in Germany“. 1917 eingeführt, als ganz Deutschland ein einziger Zulieferbetrieb für die Reichswehr war, unterstützte sie nicht nur bei der Standardisierung von Geschosskalibern. Heute standardisieren DIN-Normen zahllose Industrieprodukte und Fertigungsverfahren vom Kernkraftwerk bis zum Schreibpapier. Dynamische technische und legislatorische Anforderungen laufen in den heute etwa 40.000 DIN-Normen ebenso zusammen wie Bedingungen für Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility. Kein Wunder, dass etliche gedruckte DIN-Normen mehrere hundert Seiten dick sind.

  • DIN – Das Deutsche Institut für Normung ist die wichtigste nationale Normungsorganisation in Deutschland. Pro Jahr erscheinen etwa 2000 neue DIN-Normen. Beuth agiert dabei als Vertriebsast und sorgt für die Verbreitung einschließlich Software-Lösungen für das Normen-Management.
  • Die Internationale Organisation für Normung (ISO) ist die weltweite Vereinigung der Normungsorganisationen und erarbeitet internationale Normen für fast alle Branchen.

 

Auslaufmodell gedruckte Norm

Norm-Dokumente nach den Vorgaben der Normenausschüsse der Industrie erstellen, drucken und vertreiben – das war seit Verlagsgründung 1924 die längste Zeit die Aufgabe des Berliner Beuth Verlages. In den vergangenen 40 Jahren allerdings kamen sukzessive weitere, digitale Vertriebsformen hinzu: CD-ROMs, Bildschirm-PDFs, E-Books, Online-Datenbanken. Die zu integrierenden mehr als 25.000 übernationalen ISO-Normen und die Normen verschiedener anderer Länder machten das Beuth-Geschäft komplexer.

Seit 2019 nun läuft unter der Überschrift „Content as a Service“ (CaaS) ein ganzes Bündel komplexer Entwicklungsprojekte, dessen Endziel nicht weniger ist als die „SMARTe Norm“. Diese soll vom Punkt ihrer Erstellung an so aufgebaut sein, dass sie später bei jedem Kunden genau so funktioniert, wie dieser es braucht: Der eine benötigt zum Beispiel ein übersichtlich gelayoutetes Dokument zur Lektüre, der andere ein Element, mit dem seine Software selbstständig arbeiten kann.

Als großer Meilenstein ist geplant, bis Ende 2023 maschinenlesbare und -ausführbare Inhalte an den Start zu bringen. Das heißt, alle wesentlichen fragmentierten Norm-Inhalte können eindeutig identifiziert, klassifiziert, die Beziehungen untereinander erfasst und zur Weiterverarbeitung oder Teilausführung bereitgestellt werden.

Bis 2030 sollen dann auch maschineninterpretierbare Inhalte angeboten werden. Dazu müssen die in einer Norm enthaltenen Informationen mit Ausführungs- und Anwendungsinformationen verknüpft werden. Dadurch, so die Idee, können dann komplexe Handlungen und Entscheidungsprozesse von Maschinen automatisiert durchgeführt werden.

Damit all das gelingt, braucht es neue Technologien und eine neue Art der Informationsaufbereitung.

Marion Winkenbach (Foto: Mies Rogmans)

„Content as a Service ist Konzept und Voraussetzung zugleich, um unseren Kunden als Zukunftstechnologie den Zugang zu granularen Normen und Standards zu ermöglichen. Es ist angelegt zur Schaffung einer technologischen Basis für wettbewerbsfähige neue Produkte und Services, die wir gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln. Daraus ergeben sich dann gleichzeitig auch Anforderungen an ein skalierbares und abobasiertes Angebot und somit die Grundlage künftiger Geschäftsmodelle.“
Beuth-Geschäftsführerin Marion Winkenbach über den strategischen Hintergrund des Zukunftsprojektes CaaS

 

Dreh- und Angelpunkt XML

Ablageort und Quelle aller Inhalte bei Beuth ist MarkLogic, eine dokumentenorientierte „NoSQL-Datenbank“. Das heißt, die in ihr enthaltenen Daten sind nicht in Tabellen mit fest definierten Beziehungen zueinander abgelegt wie in klassischen relationalen Datenbanken, sondern als durchsuchbare Dokumente, zwischen denen inhaltliche Bezüge hergestellt werden können. Die abgelegten Informationen sind keine klassischen Textdokumente mehr, sondern wurden teilweise durch dedizierte Konverter und Schnittstellen, teilweise in Handarbeit in XML konvertiert – das bekannte textbasierte Format für den Austausch strukturierter Information. XML ist heute die anerkannte Basis eines jeden modernen Crossmedia-Publishing-Prozesses.

Allerdings kommt bei Normen ein eigener XML-Standard oder DTD (Document Type Definition) zum Einsatz: das Format NISO-STS. Es stellt unter anderem sicher, dass etwa ein Inhaltsverzeichnis, eine mathematische Formel, eine Tabelle mit Werten, eine Grafik oder eine Überschrift als solche erkennbar und maximal ausles- und konvertierbar ist. Etwa 90% der DIN-Normen wurden bereits in diese Datenbank überführt, die schon heute alle Ausgabekanäle speist. Der Erschließungsgrad internationaler Normen ist noch nicht so hoch. Das Open-Source-Content-Management-System Alfresco unterstützt bei der Freigabe der Informationen für die Ablage in der Datenbank.

Dies allein macht eine Norm nicht „smart“ und den Normen-Content noch nicht „serviceable“. Denn Normen sind dem Wandel unterworfen, sie veralten, und vor allem stehen sie untereinander und mit übergreifenden rechtlichen Regeln in Verbindung. Europäische Bestimmungen zum Beispiel können deutsche Bestimmungen nichtig machen. Ein menschlicher Nutzer weiß dies und kann sich durch den Vergleich verschiedener Quellen ein verläss­liches Bild von der rechtlichen und technischen Situation machen. Damit das auch automatisiert gelingt, müssen für die Maschinenlesbarkeit die Norm-Daten granular aufbereitet werden und zueinander in Beziehung gesetzt werden können.

Die Norm der Zukunft ist digital. Die Optionen reichen dabei vom simplen Lektüre-PDF als niedrigstem Digitalisierungsgrad bis zu ausgefeilten Informationsmodellen, durch die die Inhalte von Maschinen automatisch verarbeitet werden. Das weit entfernte Endszenario: Irgendwann könnten Computer Normen eigenständig anpassen, z.B. an neue Rechtsvorgaben (Grafik v.l.n.r.). Das hier gezeigte Stufenmodell wurde entworfen von der International Electrotechnical Commission (IEC), einem Normungsgremium für Elektrotechnik. Weiterentwickelt wird es bei IEC und ISO. Grafik: DIN/DKE (Hg.): Szenarien zur Digitalisierung der Normung und Normen, Whitepaper, 2021. Wiedergegeben mit Erlaubnis von, aber ohne Prüfung durch DIN Deutsches Institut für Normung e. V..

 

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