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Zweckehe oder Zwangsheirat?

In der Landschaft der Verbände ist der Börsenverein ein Solitär: Der Interessenvertretung der Buchbranche ist es bislang gelungen, gleich drei Wirtschaftszweige unter dem Dach einer Zweckgemeinschaft zusammenzuhalten. Zu den Regeln, die Verlage, Zwischenbuchhandel und Sortiment miteinander verbandeln, gehört das Versprechen, das Gemeinschaftsinteresse gegebenenfalls vor die Eigeninteressen zu stellen. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Börsenvereinstochter MVB stellen diesen Konsens derzeit auf eine harte Belastungsprobe und werfen grundsätzliche Fragen zu den Kernaufgaben des Börsenvereins auf.

Gemeinnutz ist keine wirtschaftliche Kategorie

Dass sich analog zur gesamten Branche auch der Verband in einer – so Schatzmeister Jürgen Horbach – „dramatischen Umbruchphase“ befindet, wurde auf der Sitzung des Branchenparlaments in der vergangenen Woche deutlich. Horbach konstatierte, dass dem Börsenverein jährlich durch schrumpfende Mitgliederzahlen Beiträge zwischen 200000 und 250000 Euro wegschmelzen. In der Zentrifuge steckt der Verband aber nicht nur durch Konzentrationsprozesse und das Auseinanderdriften von großen und kleinen Branchenteilnehmern.

Wie tief die Risse im Fundament des Börsenvereins gehen, wurde bei den Diskussionen um Libreka sichtbar. Die sich abzeichnenden E-Commerce-Aktivitäten des von der MVB betriebenen Verbandsprojektes in Richtung Endkunde bringen die Zwischenbuchhändler auf die Barrikaden. „Unser Haus, aber auch die großen Wettbewerber, haben sich seit den 90er-Jahren sukzessive mit Investitionen in Millionenhöhe für das Zukunftsgeschäft im Internet gerüstet. Es kann nicht sein, dass wir jetzt auf eine Konkurrenzsituation mit einer Tochter unseres Verbandes zusteuern“, brachte KNV/KNO-Chef Oliver Voerster die Kritik der mächtigen Branchenlogistiker auf den Punkt.

In der Diskussion über das Leuchtturmprojekt Libreka, über Preiserhöhungen für VlB-Titelmeldungen und Quersubventionierung finanziert und als „Branchenlösung“ verkauft, treten nicht nur die konträren Auffassungen über die Funktionen und Aufgaben der einst als „Volltextsuche Online“ gestarteten Buchplattform offen zutage. „Ich bin betroffen, dass der Zwischenbuchhandel die politischen Dimensionen nicht sieht“, kommentierte Heinrich Riethmüller, Vorsitzender des Sortimenter-Ausschusses, die Libreka-Kritik. „Wir brauchen keine wachsweichen Beschlüsse. Es macht keinen Sinn, den klaren Dissens zwischen den Sparten zu übertünchen“, hielt Thalia-Boss Michael Busch dagegen.

Jetzt soll eine Arbeitsgruppe, besetzt mit entscheidungskompetenten Vertretern der drei Sparten, kurzfristig ausloten, ob sich die Konflikte ausräumen lassen. Busch: „Wenn nicht, wissen wir wenigstens, woran wir sind.“

Keine Subventionen für die BAG

Bei der polarisierenden Diskussion über Libreka hielt sich MVB-Geschäftsführer Ronald Schild im Branchenparlament bedeckt. Deutliche Worte fand er jedoch im Zusammenhang mit der BAG. Auch zu diesem Wirtschaftsfeld des Börsenvereins haben Mitgliedsfirmen ein kritisches Meinungsbild. Die Fakten, die Schild in Frankfurt präsentieren musste:

  • Abbröckelnde Akzeptanz: „Die BAG leidet unter einem dramatischen Rückgang des Abrechnungsvolumens“, erläuterte Schild. 2009 werde das Minus im Vergleich zum Vorjahr voraussichtlich bei 7,4% liegen.
  • Wachsender Wettbewerb: Verlagsgruppen und Fakturgemeinschaften sind dazu übergegangen, dem Handel skonto-versüßte Alternativen zur BAG-Abrechnungen anzubieten (buchreport berichtete).
  • Bündelnde Verbünde: Sich im Einkauf organisierende Verbünde des Handels können mit ihren Abrechnungssystemen an der BAG vorbei laufen.

Das Geschäftsjahr 2009 wird die BAG, die vom Börsenverein mit einem Betrag von über 14 Mio Euro vor dem Crash gerettet wurde, selbst in dem nach der Sanierung verblieben „gesunden“ Teil nur mit einer „schwarzroten Null“ abschließen mit dem möglichen Szenario, weiteres Geld nachschießen zu müssen. Eine Subventionierung der BAG  – das wurde in Frankfurt mehrfach betont – soll es aber auf keinen Fall geben.

Aufhebung des Junktims ist ein heißes Eisen

Ihr Stellenwert als wichtiges Werkzeug für das Zahlungsclearing wurde zwar wiederholt beschworen, gleichzeitig gab es eine klare Ansage: Die BAG muss möglichst schnell wirtschaftlich auf die Beine kommen, und ein mögliches Ausstiegszenario soll kein Tabu sein.

Ohne BAG täte sich aber ein noch größerer Riss im Verbandsfundament auf, denn nicht wenige Börsenvereinsmitgliedschaften vor allem im Sortiment gründen sich allein aus dem Nutzen des BAG-Abrechnungsverkehrs und dem Junktim: Wer am BAG-Verfahren teilnehmen will, muss Mitglied im Börsenverein sein. Wie entscheidend die Börsenvereins-BAG-Verbindung ist, zeigt eine Diskussion  über eine angedachte Aufhebung des Junktims als Voraussetzung, um branchenfremde Kunden zu gewinnen. Da bekommt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Magenschmerzen: „Bei einer Aufhebung des Junktims rechnen wir mit Austritten im vierstelligen Bereich.“

Dann ginge keine Rechnung mehr auf. Bereits aktuell dürfte der ohnehin stetig schmelzende Mitgliederstamm den Pegel 5800 unterschritten haben.

Aus buchreport.express 47/2009

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