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Zwei Jahre vollkommene Tatenlosigkeit

Sabine Leutheusser‐Schnarrenberger neben Alexander Skipis (© Ralf Oeser)

„Wir kommen, um uns zu beschweren“, könnte das Motto eines Besuchs der „Deutschen Content Allianz“ in Berlin sein: Abgesandte der Koalition aus Börsenverein, Verbänden der Rundfunkanstalten, Musik-Verband, GEMA und mehreren Organisation der Filmwirtschaft haben bei einem Spitzengespräch scharfe Kritik an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser‐Schnarrenberger (Foto) geübt.

„Die Kreativbranchen und mit ihnen die Künstler und Urheber verlieren nach zwei Jahren vollkommener Tatenlosigkeit allmählich ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung“, lässt sich Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis (Foto, © Ralf Oeser) in einer Pressemitteilung zitieren. Keines der zu Beginn der Legislaturperiode im Koalitionsvertrag sowie der Berliner Rede der Justizministerin angekündigten Vorhaben oder der in den Anhörungen des BMJ diskutierten Anpassungen seien bisher umgesetzt worden. Beim Besuch in Berlin habe man eine klare Positionierung der Ministerin zum Urheberrecht sowie die Umsetzung der angekündigten Reformvorhaben angemahnt.

Zuvor hatte sich die Justizministerin öffentlich gegen strengere Regelungen im Urherrecht ausgesprochen: „Mit immer weiteren Gesetzen kann der Schutz des geistigen Eigentums nicht verbessert werden, sondern es droht auch die Gefahr der Verschlechterung. So haben die letzten gesetzlichen Änderungen zwischen 1998 und 2009 zu erheblichen Verkomplizierungen am Text des Urheberrechtsgesetzes und deutlichen Akzeptanzproblemen geführt“, erklärte die FDP-Politikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (hier die vollständige Stellungnahme). 

Dem vom Börsenverein geforderten Warnhinweismodell erteilte sie eine klare Absage: Die Provider dürften nicht vom Gesetzgeber als „Hilfssheriffs“ verpflichtet werden, so Leutheusser‐Schnarrenberger. Die Selbstregulierungskräfte des Netzes müssten geweckt und genutzt werden. Und: „Wir brauchen eine Modernisierung des Urheberrechts, die gleichzeitig auf die Europäisierung des Rechts setzt.“ Auf europäischer Ebene könne man über Regeln für verwaiste Werke, Technikneutralität der Kabelweiterleitung und Leistungsschutz reden.

Zwar sei es zu begrüßen, dass sich die Ministerin nach langer Abstinenz jetzt wieder öffentlich in der Urheberrechtsdebatte zu Wort gemeldet habe und sich dabei allgemein zum Schutz der Kreativität in der digitalen Welt bekenne, reagiert der Börsenverein. Doch ein Verweis auf weitere europäische und nationale Möglichkeiten zur Diskussion reichten nicht aus, moniert die „Allianz“: „Eine klare Positionierung der Justizministerin muss sich auch in politischem Gestaltungswillen manifestieren und ist von überragender Bedeutung für die Urheber und die Kreativwirtschaft“, erklärt Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e.V.

Kommentare

2 Kommentare zu "Zwei Jahre vollkommene Tatenlosigkeit"

  1. Wessen Tatenlosigkeit?
    Bei Buchreport werden die Probleme des Copyrights und der Ebooks allgemein ja breit diskutiert. Man kann da sicher unterschiedlicher Meinung zu einzelnen Artikeln sein, wenn es um den Erfolg oder (in Deutschland) um den Nicht-Erfolg der Ebooks geht. Liegt es am zu hohen Preis der Ebooks, liegt es daran, dass die Verlage ihre Backkataloge nur ungenügend digitalisieren, liegt es am DRM … ? Offenbar gibt es eine Reihe von Faktoren, die in den Diskussionen zumindest einigermassen plausibel dargestellt werden.
    Hier kommt der Börsenverein ins Spiel. Dort beschwört man den Untergang des Buches durch die Piraterie. Die Schuldigen sind auch schnell erkannt: neben den Piraten sind es die Politiker, speziell die Justizministerin. Wie sagt Herr Skipis so schön: „Die Kreativbranchen und mit ihnen die Künstler und Urheber verlieren nach zwei Jahren vollkommener Tatenlosigkeit allmählich ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung“.
    Gerade der Börsenverein sollte da doch mal lieber in Deckung gehen. Wer war denn hier ideen- und tatenlos? Seine Beiträge zu den „neuen Medien“ , wie z.B. die „Google Killer“-Plattform Libreka sind ja offensichtlich danebengegangen, zumindest wenn man den Medien, normalen Internetnutzern und Buchhändlern Glauben schenkt. Money, well spent! Wenn man sich den Trafficrank von Libreka ansieht, so könnte man zu dem Gedanken kommen, dass Deutschland aus Analphabeten besteht. Nun, dem ist nicht ganz so. Generell bietet die Contentbranche (der Begriff „Content Mafia“ ist hier wohl kaum angebracht – die Mafia ist ja eindeutig besser organisiert) ein Bild des Jammers oder der Erheiterung, je nachdem wie man es betrachtet. Die privaten Medien schlagen sich mit ARD und ZDF wegen der angeblichen Wettbewerbsverzerrung im Internet – so darf der normale Nutzer keine Filme seiner GEZ finanzierten Sender im Internet sehen – das schadet den privaten Medien. Die GEMA liegt mit youtube im Clinch – entgegen dem ausdrücklichen Willen vieler Künstler und auch der Label, ihre Werke dort frei zu zeigen. Bibliothekare und Verlage bekämpfen sich wegen des Kopierens von Werken. Desgleichen betrifft auch Wissenschaftler (die übrigens die Urheber der meisten Fachbücher sind). Diese fordern (nicht zu Unrecht), dass sie über die Nutzung ihrer Forschungsleistungen (Artikel) entscheiden können. Auch in dieser Frage erwartet man vom Börsenverein sinnvolle Vorschläge. Übersetzer und freie Lektoren bemängeln die unfairen Tantiemen … Es gibt eine Menge Punkte, wo sich Börsenverein und „Content Allianz“ Meriten verdienen könnten. Es geschieht – nichts. Ausgiebig wird stattdessen die Fusion von Landesverbänden diskutiert, das neue Domizil in Frankfurt zelebriert … Wo bleibt der Leser? Im Regen? Die geforderte Verschärfung des Copyrights richtet sich gegen die Leser, ja kriminalisiert sie sogar. DRM richtet sich nicht gegen Piraten. Die kommen mit dem DRM „eins fix drei“ klar. Diese Massnahme gängelt den ehrlichen Leser, der das Konzept des „Rippens“ vielleicht noch nicht kennt, der vielleicht seine Ebooks auf 2 unterschiedlichen Geräten lesen will. Hier zeigt sich doch deutlich, dass die jeweils Verantwortlichen arm an technischem Verstand sind. Selbst die Musikindustrie hat mitbekommen, dass DRM kontraproduktiv fürs Geschäft ist.
    Noch wesentlich „heiterer“ geht es zu, wenn man die geforderten Massnahmen einmal näher betrachtet. Das hätten ja nicht einmal die Schildbürger gemacht – Warnhinweise und Stopp-Schilder auf der Daten-Autobahn. Wer sagt denn der Telekom, dass ein Link zu einem Rapidshare File illegal ist? Warum soll denn die Telekom (für Geld?) ein „Stopp-Schild“ setzen? Warum informiert man nicht Rapidshare selbst – die setzen dann umsonst ein „Stopp-Schild“, d.h. sie entfernen den illegalen Content. Wenn die Verantwortlichen der „Deutschen Content Allianz“ schon die Sprache der Autofahrer benutzen – Besorgen Sie sich doch erstmal einen Führerschein fürs Internet, wenn Sie mitreden wollen!
    Zum Mangel an technischer Kompetenz gesellt sich noch politische Naivität! Was passiert in Europa? HADOPI ist vorbei, ACTA im Papierkorb. In Deutschland geht die Piratenpartei auf die 10% zu … Offenbar sind alle Massnahmen zur Verschärfung des Copyrights ein politisches „No go“. Damit verliert man Stimmen und als Partei die Wahlen.
    Die Deutsche Content Allianz im Allgemeinen und der Börsenverein im Speziellen repräsentieren die Vergangenheit. Offensichtlich und klar erkennbar kommen sie mit den digitalen Veränderungen des 21. Jahrhunderts nicht einmal ansatzweise klar. Eigentlich schade, die Bücher haben Besseres verdient.

  2. Zeit wird für die Buchbranche in der Tat verschwendet, im Besonderen durch Urheberrechtsdebatten und so putzige Ideen wie „Warnschilder“ im Internet. Was immer da in deutschen Gesetzen steht, wird die international aufgestellte Piraterie herzlich wenig interessieren. Sinnvoller wäre es, den bestehenden Gesetzesrahmen des DMCA und das Notice-and-Downtake-Verfahren anzuwenden, womit sich die Piraterie-Probleme der deutschen Verlage (zur Stunde immer noch) relativ gut in den Griff kriegen ließen. Kann sein, dass das DMCA irgendwann auch niemanden mehr interessiert, aber im Moment ist es eine gültige Spielregel, an die sich die Filehoster halten.

    Zeitverschwendung ist für die Buchbranche m. E. auch die Content Allianz, da jener Piraterieprobleme deutlich anders gelagert sind als die von Film und Fernsehen. Es gibt ja auch keine Allianz der Fischer und Bergbauern.

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